Flutkatastrophe in Texas: Warum Warnungen nicht ankommen

War Katastrophe zu verhindern?:Texas: Wenn Flut-Warnungen nicht ankommen

von Nils Metzger und Oliver Klein
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Dutzende Tote nach Starkregen, darunter viele Kinder: Die USA suchen Antworten, warum die Katastrophe von Texas nicht verhindert wurde. Vergleiche zur Ahrtal-Flut drängen sich auf.

Texas: Suche nach Vermissten
In Texas wird nach den verheerenden Sturzfluten weiterhin nach vielen Vermissten gesucht. 07.07.2025 | 1:16 min
Die Zahl der Opfer der tödlichen Sturzflut in Texas ist auf mindestens 80 gestiegen. Und noch immer werden Dutzende Personen vermisst. Inzwischen liegt ein Fokus der Berichterstattung vieler US-Medien auf der Frage: Hätten Opfer verhindert werden können, wenn anders gewarnt worden wäre?
Die Untersuchungen stehen noch ganz am Anfang - und sind wegen Donald Trumps jüngsten Kürzungen beim Nationalen Wetterdienst doch schon voll politisiert. Darüber hinaus weist das tragische Ereignis auch Parallelen zur Ahrtal-Flut 2021 auf, bei der 135 Menschen starben. ZDFheute mit einem Überblick.
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Viele Kinder unter den Opfern

Schon jetzt steht fest, dass viele der Toten in Texas als Minderjährige kaum in der Lage waren, die Gefahrenlage selbst zu überblicken oder sich eigenständig in Sicherheit zu bringen. Unter den Toten in Texas sind bislang 27 Kinder und Betreuer eines Feriencamps.
Das erinnert an die zwölf Toten im Lebenshilfe-Wohnheim in Sinzig während der Ahrtal-Flut. Kinder, Alte oder Menschen mit Behinderungen - sie alle sind im besonderen Maße darauf angewiesen, dass der Katastrophenschutz an sie denkt und funktioniert. Warum Campingplätze nicht vorsorglich gesperrt oder Kindergruppen frühzeitig in Sicherheit gebracht wurden, ist jetzt eine der Kernfragen.
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Wie war der Nationale Wetterdienst aufgestellt?

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag stieg der Fluss Guadalupe innerhalb von 45 Minuten um rund sieben bis acht Meter an. In einem ähnlichen Ausmaß schwoll auch die Ahr in der Flutnacht im Juli 2021 an. In der Dunkelheit hatten viele Menschen keine Chance mehr, sich dann noch in Sicherheit zu bringen.
Für die Warnung vor Extremwetter im besonders betroffenen Kerr County war der Ableger des Nationalen Wetterdienstes (NWS) Austin/San Antonio zuständig. Den Vorwurf, nicht ausreichend gewarnt zu haben, wiesen Vertreter zurück. In der fraglichen Nacht hätte man zusätzliche Mitarbeiter für die Region eingeteilt, fünf statt zwei Schichten, so NWS-Meterorologe Jason Runyen gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
Gleichzeitig war der NWS wie viele andere Institutionen von massiven Stellenkürzungen durch die Doge-Behörde betroffen. Ob sich das negativ auf Qualität und Geschwindigkeit der Vorhersagen ausgewirkt haben könnte, ist derzeit nicht geklärt.
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Warnmeldungen kamen - mitten in der Nacht

In einem Briefing am Vortag hob der Wetterdienst Kerr County als ein potenzielles Starkregengebiet hervor - aber vor Ort wurde diese erste Warnung offenbar nicht als besorgniserregend eingestuft. Rob Kelly, gewählter Richter in Kerr County, sagte dem Sender CBS:

Wir hatten keinerlei Anlass zu glauben, es würde so kommen, wie es gekommen ist.

Rob Kelly, Richter von Kerr County

Die eigentliche NWS-Warnung vor einer lebensbedrohlichen Flut kam dann um 1:14 Uhr mitten in der Nacht; um kurz nach 4 Uhr wurde sie nochmals eine Stufe hocheskaliert. Mitbekommen hat das kaum jemand, viele wurden im Schlaf vom Wasser überrascht.
Auch im Landkreis Ahrweiler gab es tagsüber vor der Katastrophe etliche Warnungen vor Hochwasser. Am frühen Abend, als der Pegelstand der Ahr bereits bedrohlich stieg, verschickte das Landesumweltamt über die sogenannte Katwarn-App die höchste Warnstufe: Es sei mit "Sturzfluten und Überflutungen zu rechnen". Doch die Katwarn-App hatten nur relativ wenige Menschen installiert. Und erst spät, um 23:09 Uhr wurde der Katastrophenfall ausgelöst und konkrete Gebiete links und rechts des Ufers zur Evakuierung benannt. Viele Ortschaften standen da schon unter Wasser.

Kerr County ohne eigenes Warnsystem: Sirenen waren zu teuer

Zur hohen Zahl der Opfer trugen in beiden Fällen auch technische Gegebenheiten bei. US-Behörden verschickten zwar Warnmitteilungen per Cell-Broadcast auf alle Handys in der Region. Aber der texanische Katastrophenschutzbeauftragte Nim Kidd betonte am Sonntag bei einer Pressekonferenz: Viele der abgelegenen Campingplätze hatten kein Netz und konnten die Warnmeldung so nicht erhalten. In Deutschland gab es bei der Ahrtal-Flut Handy-Warnungen nur über Apps - und auch die waren teilweise unzureichend. Handywarnungen per Cell-Broadcast wurden hierzulande erst im Jahr 2023 eingeführt.
Ein eigenes Warnsystem, etwa in Form von Sirenen, hat der US-Landkreis nicht. Vor einigen Jahren hatte man die Installation diskutiert, aus Kostengründen aber verworfen, so Richter Kelly zu CBS. Kerr County liegt dabei in einer der am stärksten von Starkregen gefährdeten Regionen der USA.

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FAQ

Warnungen müssen breite Bevölkerung erreichen

Ob in Texas oder Ahrweiler - Warnmeldungen bringen nur etwas, wenn sie die breite Bevölkerung erreichen und Menschen danach handeln. Eine Sprecherin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erklärte auf Anfrage von ZDFheute:

Eine Warnung muss so konzipiert sein, dass sie verstanden wird und ankommt.

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Das erfordere zum einen Know-how und Schulung auf der Seite derjenigen, die eine Warnung aussenden - aber gleichzeitig auch Wissen und Alltagserfahrungen auf der Empfängerseite: "Das heißt, die Bevölkerung benötigt auch Infos über 'ihr' Warnsystem und Vertrauen, um dann Warnungen im Notfall ernst zu nehmen und etwaige Handlungsempfehlungen umzusetzen."
Und Ausspielwege gibt es viele: Neben den altbekannten Sirenen und Lautsprecherdurchsagen von Polizeifahrzeugen werden in Deutschland Warnungen auch via Radio und TV verbreitet: "Selbst bei einem Stromausfall ist es sinnvoll, diesen Warnkanal auszulösen - da Autoradios, batteriebetriebene Radios und Kurbelradios häufig noch funktionieren", heißt es in einem Leitfaden des BBK, der Kommunen bei der Entwicklung von Warnkonzepten helfen soll.
Auch übers Handy kommen Warnungen mit Apps oder Cell-Broadcast, Behörden warnen im Internet - und selbst digitale Anzeigetafeln in Bahnhöfen, Zügen, Fußgängerzonen und sogar auf Taxi-Dächern können Warnungen anzeigen.
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