Konsequenzen aus ZDF-Doku:Leichtathletik-Trainer suspendiert, Politik will handeln
Die frontal-Dokumentation über Missbrauch in der Leichtathletik hat Konsequenzen: Mehrere Trainer mussten gehen. Die Debatte um einen besseren Schutz von Sportlern hat begonnen.
Eileen Demes hat Übergriffe öffentlich gemacht - nach der ZDF-frontal-Doku gibt es Reaktionen aus der Leichtathletik.
Quelle: dpaMittwochnacht, 4 Uhr deutscher Zeit. In Japan läuft die Morgensession der Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Die Vorläufe der 400-Meter-Hürdenläuferinnen beginnen gleich. Die Kamera schwenkt auf Eileen Demes. Die deutsche Athletin im gelben Trikot legt die Handflächen aneinander, lächelt und beugt den Kopf. Japanischer Gruß - bevor sie startet und es ins Halbfinale schafft.
Die 27-Jährige macht aber nicht nur sportlich Schlagzeilen. Nach jahrelangem Schweigen hatte die Top-Athletin kurz vor der WM in der ZDF-frontal-Dokumentation "Leichtathletik: Gold, Silber, Machtmissbrauch" erstmals darüber gesprochen, wie ihr ehemaliger Trainer sie als 17-Jährige bedrängt habe. Der war damals Ende 40 und hatte sie zu seinem Geburtstag zum Essen eingeladen: Da hat er mir halt gesagt, dass er mich liebt und dass er es schön fände, jeden Tag neben mir aufzuwachen."
Aufdringliche Liebesbekundungen, übergriffige Chats und sexueller Missbrauch: Verbirgt sich hinter dem Kampf um Medaillen ein System, in dem Trainer ungestraft ihre Macht missbrauchen können?
18.09.2025 | 43:59 minZDF-Doku zu Missbrauch in der Leichtathletik
Eileen Demes mutiges Interview hatte Konsequenzen: Sein aktueller Verein trennte sich von ihrem ehemaligen Trainer. Auf eine Frontal-Anfrage reagierte er nicht. Und der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV)? Er entzog dem Trainer inzwischen die Lizenz. Dass trotz aller Schutzkonzepte Grenzüberschreitungen und Missbrauch möglich sind, räumt auch der DLV im ZDF-Interview ein:
Wir als Dachverband haben eine Menge Verfahren und Maßnahmen. Aber die Durchdringung in die Struktur, in das föderale System, das wir haben, ist noch nicht in dem Maße gegeben, dass alle geschützt sind.
Jörg Bügner, DLV-Vorstand für Leistungssport
"Er wollte, dass ich mich ausziehe"
Am Olympia-Stützpunkt in Hannover deckte die Dokumentation Vorwürfe gegen einen ehemaligen Trainer des Niedersächsischen Leichtathletik-Verbandes auf. Ehemalige Kader-Athletinnen trauten sich zum ersten Mal über ihre Erlebnisse zu reden. Anonym - aus Angst vor der Reaktion des Trainers.
Eine berichtet von einem Vorfall in einem Physiotherapieraum: "Er wollte, dass ich mich ausziehe. Zu dem Zeitpunkt war ich 16. Und daraufhin hat er sich halt eben auch ausgezogen. Und hat mich dann halt eben auch angefasst."
"frontal" enthüllte die dunkle Seite der Leichtathletik: Trainer, die ihre Macht ausnutzen und ihre oft minderjährigen Schützlinge bedrängen. Die Recherche hatte Konsequenzen.
16.09.2025 | 3:19 minErmittlungen gegen Leichtathletik-Trainer
Der Trainer lässt alle Vorwürfe als haltlos und unbewiesen zurückweisen. Gegen ihn ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Hannover. Der Verdacht: Missbrauch von Schutzbefohlenen. Eine Athletin hat Anzeige erstattet. Der DLV hat ein Verfahren zum Entzug der Trainerlizenz eingeleitet. Der Trainer hatte noch bis vor kurzem bei einem Verein in Sachsen Athleten trainiert, auch für die Deutschen Meisterschaften in Dresden Anfang August. Jetzt hat der Verein ihn suspendiert.
In Sachsen sorgte die Recherche deshalb für besonders viele Diskussionen. Landeslauftrainer Niklas Cervinka hat die frontal-Dokumentation zusammen mit seiner Trainingsgruppe angeschaut und mit den 16- bis 20-jährigen Mädchen und Jungen über Machtmissbrauch gesprochen.
Ich habe da auch ein sehr, sehr bestürztes und schockiertes Gefühl bei der Trainingsgruppe wahrgenommen. Es war während der gesamten Dokumentation mucksmäuschenstill.
Niklas Cervinka, Landeslauftrainer
Der Landeslauftrainer ergänzt: "Wir haben im Anschluss über dieses Thema gesprochen und haben den Sportlern auch nochmal auf den Weg gegeben, dass sie jederzeit auf uns zukommen können."
Verband fordert "Safe-Sport-Datei"
Der Niedersächsische Leichtathletik-Verband fordert nach der Dokumentation Konsequenzen auch auf politscher Ebene. In einem Brief an Christiane Schenderlein, Staatsministerin für Sport im Kanzleramt, schlägt der Verband ein Gesetz vor, dass es trotz Datenschutz und Arbeitsrecht möglich macht, eine sogenannte "Safe-Sport-Datei" einzuführen: "In einer solchen Datei könnten dienstrechtliche Verfehlungen bei Grenzüberschreitungen, Verstößen gegen den Ethik-Code des Deutschen Olympischen Sportbundes und Mobbing gespeichert werden."
Eine Doku von ZDF-"frontal" hatte Missbrauchsfälle in der deutschen Leichtathletik aufgedeckt. DLV-Sportvorstand Dr. Jörg Bügner bezieht Stellung.
09.09.2025 | 2:59 minEin Sprecher von Staatsministerin Christiane Schenderlein teilte mit, dass das Bundeskanzleramt die Forderung des Verbandes derzeit intern prüfe. Die jüngsten Vorwürfe zeigten ganz deutlich:
Es braucht eine von den verbandsinternen Strukturen losgelöste unabhängige Stelle, an die sich Betroffene im Bedarfsfall wenden können und welche die Vorwürfe interpersonaler Gewalt untersucht.
Sprecher von Christiane Schenderlein, Staatsministerin Sport
Auf frontal-Nachfrage in der Bundespressekonferenz betont der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Steffen Meyer: "Wir haben die Berichterstattung rund um diese Fälle natürlich zur Kenntnis genommen. Sport muss ein sicherer Ort sein. Das gilt ganz grundsätzlich. Aber es gilt natürlich insbesondere auch, wenn Minderjährige und Kinder davon betroffen sind."
Während in Deutschland über einen besseren Schutz für Athletinnen und Athleten diskutiert wird, geht Eileen Demes in Tokio an den Start. Nächstes Rennen: Die 4x400-Meter-Staffel am Samstag.
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