Lagebericht des DFB:Immer noch zu viel Gewalt im Amateurfußball
Weniger Spielabbrüche, aber weiter zu viel Gewalt und Diskriminierung - so das Lagebild Amateurfußball des DFB. Hoffnung machen Prävention, Kapitänsregel und das Stopp-Konzept.
Die Gewalt im Amateurfußball ist laut neuesten Zahlen immer noch zu hoch. Der DFB steuert mit Maßnahmen gegen.
Quelle: ImagoEin Tag nachdem der DFB mit dem Tag des Amateurfußballs auf dem DFB-Campus in Frankfurt Basisnähe zeigte, legte er Zahlen zu dem Thema vor, die Sorgen bereiten. Das zum zehnten Mal erstellte Lagebild Amateurfußball wirft einen Blick auf Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle auf deutschen Sportplätzen.
Der Grundstein für den Profifußball wird bei den Amateuren gelegt. Mit dem "Wochenende des Amateurfußballs" drückt der DFB seine Wertschätzung für die Arbeit auf und neben dem Platz aus.
16.09.2025 | 1:57 minWährend in die große Öffentlichkeit meist nur die spektakulären Fälle von Massenschlägereien, Übergriffe gegen Schiedsrichter und rassistische Beleidigungen gelangen, soll das Lagebild ein Gesamtbild erstellen, an dem der DFB seine Gegenmaßnamen orientieren kann.
Zahlen sinken in kleinen Schritten
Für die vergangene Saison 2024/25 war zunächst Positives zu vermelden. Die Zahl der Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle auf den Sportplätzen in Deutschland ging zum zweiten Mal in Folge zurück.
Die Richtung stimmt, die Anzahl der Vorfälle sinkt weiterhin, leider nur in kleinen Schritten.
DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann
Weil es langsamer vorangeht als gewünscht, "dürfen wir alle im Fußball in unserem Wirken nicht nachlassen, um für einen respektvollen und freundlichen Umgang auf und neben dem Platz zu sorgen" forderte DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann bei der Vorstellung der Zahlen:
Es bleibt dabei, jeder einzelne Vorfall ist einer zu viel. Wir möchten alle aufrufen, auch künftig Vorfälle zu melden, gerade bei Diskriminierungen.
DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann
Wissenschaftlerin: Begrenzte Aussagekraft
"Ich halte das Lagebild bei der Anzahl der gewaltbedingten Spielabbrüche für aussagekräftig", sagt Kriminologin Thaya Vester von der Universität Tübingen, die seit Jahren zu Gewalt im Amateurfußball forscht, gegenüber ZDFheute.
"Aber die Aussagekraft über das Gesamtaufkommen an Gewaltvorfällen ist sehr begrenzt. Aus der Abfrageform können wir nur sehen, ob ein Spiel mit Gewalt belastet war, nicht wie viele Gewaltvorfälle es gab und ob es eine einzelne Ohrfeige war oder eine Massenschlägerei gab?" Darüber hinaus gäbe es 190.000 Spiele, von denen überhaupt keine Informationen vorliegen.
Spiele mit abgeschlossenem Spielbericht: 1,3 Mio. (87,97%); 23/24:1,3 Mio. (87,22%) ; 15/16: 1,3 Mio. (86,03%)
Spiele mit Vorkommnissen: 5,6 Tsd. (0,43%) 23/24: 5,8 Tsd. (0,45%), 15/16: 6,7 Tsd. (0,53%)
Anzahl Abbrüche: 829 (0,0645%), 23/24: 911 (0,0705%), 15/16: 817 (0,0651%)
Bei den Gründen für den Rückgang der Zahlen geraten zwei in der vergangenen Saison flächendeckend eingeführte Maßnahmen in den Fokus: Die Kapitänsregel und das Stopp-Konzept. Diese erfahren laut einer parallel vorgestellten Umfrage unter mehr als 5000 Personen aus Amateurvereinen schon jetzt hohe Akzeptanz - wobei die komplexe Stopp-Regel laut Zimmermann noch drei bis fünf Jahre brauchen wird, um die volle Wirkung zu entfalten.
Seit dem 1. Juli 2024 können Schiedsrichter im Amateurbereich eine Beruhigungspause anzeigen, um die Gemüter wieder zu beruhigen, wenn die Atmosphäre auf dem Platz zu hitzig wird.
Signalisiert wird das sogenannte "DFB-STOPP-Konzept" mit folgender Geste: Nach einem Pfiff hebt der Schiri beide Arme über den Kopf und überkreuzt die Handgelenke. Anschließend streckt der Schiri die Arme auf Schulterhöhe voneinander weg und deutet mit einer seitlichen Stoßbewegung an, dass sich die Spieler*innen in ihren jeweiligen Strafraum begeben müssen.
Pfiff des Schiedsrichters und Geste
Alle Spieler*innen gehen in ihren Strafraum, die Trainer*innen, Kapitäne und weitere vom Schiedsrichter zugelassene Personen (z.B. Sicherheitskräfte oder Ordner*innen) kommen in den Mittelkreis. Widersetzt sich ein Spieler der Aufforderung, im Strafraum zu bleiben, kann dies die Gelbe Karte zur Folge haben.
Der Unparteiische nennt den Grund für die Aussetzung des Spiels, erklärt das weitere Vorgehen und wie lange die Beruhigungspause geplant ist.
Der Schiedsrichter fordert die Trainer*innen und Kapitäne auf, Spieler*innen, Offizielle oder Zuschauer*innen zu beruhigen, damit das Spiel im Anschluss fortgesetzt und ein Spielabbruch verhindert werden kann.
Der Referee informiert die Kapitäne, dass das Spiel fortgesetzt wird. Bei Bedarf können sich die Mannschaften nochmal aufwärmen.
- Pro Spiel sind maximal zwei Beruhigungspausen vorgesehen. Würde eine dritte Beruhigungspause erforderlich werden, wird das Spiel endgültig abgebrochen.
- Schiris können ein Spiel auch weiterhin in bestimmten Situationen ohne Beruhigungspause abbrechen.
- Den genauen Ablauf der Beruhigungspausen müssen die Schiris im Spielbericht festhalten.
Fokus künftig auf die Amateurvereine
Künftig will der DFB den Fokus bei seinen Präventivmaßnahmen von den Schiedsrichtern mehr in Richtung der Vereine lenken und hat deshalb eine Online-Schule entwickelt, "die jeder Vereinsfunktionär versteht", wie Zimmermanns sagt:
Wir wollen Aufmerksamkeit für ihre eigene Verantwortung generieren und ihnen auf möglichst einfachem Weg das dringend notwendige Know-How vermitteln.
DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann
Prävention in den Vereinen ist unter anderem über Anti-Aggressionstrainings möglich. Mit diesen hat der Regionalligist Bremer SV gute Erfahrungen gemacht, nachdem Spieler aus dessen 2. Herren-Mannschaft Anfang letzten Jahres an einer Schlägerei beteiligt waren. Demnächst soll das Training auf die Jugend ausgeweitet werden. Spenden dafür werden schon gesammelt.
Gute Erfahrungen mit Anti-Aggressionstraining
"Beim Fußball sind Emotionen im Spiel, die gerade bei jungen Männern zu falschen Handlungsweisen führen können", sagt Bastian Fritsch, Vorstandsmitglied beim Bremer SV, gegenüber ZDFheute. "Da sollen diese Trainings gegensteuern: Wie geht man mit Emotionen richtig um? Wie kann man solche Sachen auch verhindern? Wie kann man auch als Außenstehender, zum Beispiel auf der Ersatzbank, einwirken, damit es gar nicht erst so hochkocht."
Jürgen Bolz trainiert seit 40 Jahren die Jugendabteilung der DJK 08 Rastpfuhl in Saarbrücken. Er schafft es, mit Kindern aus 20 Nationen eine Mannschaft zu formen.
27.08.2025 | 2:16 minLaut Ronny Zimmermann gibt es zu wenig Anbieter für solche Maßnahmen und die Kosten für die Vereine seien hoch. "Das ist eines unserer Ziele, dass wir bundesweit Angebote hinkriegen, die von Vereinen zu akzeptablen Konditionen gemacht werden können", sagt Zimmermann.
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