Mittelmeer: Menschenschmuggel zunehmend per Schnellboot

Migranten im Mittelmeer:Per "Phantom" nach Europa: Menschenschmuggel im Schnellboot

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Sie donnern mit teils 120 Kilometer pro Stunde übers Wasser: Im Mittelmeer sind Menschenschmuggler zunehmend mit Schnellbooten unterwegs - für die Küstenwache schwer zu stoppen.

Ein Schnellboot aufgenommen in der Nähe der balearischen Inseln von einem Überwachungsflug der EU-Grenzschutzbehörde Frontex.

Aufgenommen von einem Überwachungsflug der EU-Grenzschutzbehörde Frontex: Schnellboot in der Nähe der Balearen.

Quelle: dpa

Die beiden Schnellboote landen am Strand an, ein paar Dutzend Migranten springen ins hüfthohe Wasser oder klettern auf Felsen - und betreten europäisches Festland. Momente später legen die schwarzen Boote wieder ab, die spanische Polizei kann von ihrem größeren Schiff aus nur zusehen. Zwei Touristen filmen die surreale Szene, die im Internet landet.

"Phantoms" werden die leistungsstarken Boote genannt, die auf der westlichen Mittelmeerroute zwischen Marokko und Spanien häufiger gesichtet werden. Sie seien "schneller und wendiger als die großen Patrouillenboote der nationalen Behörden", sagt eine Sprecherin der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Dadurch sei es "schwieriger, sie aufzuspüren und abzufangen".

Auf dem Bild ist ein Boot mit geflüchteten Personen auf dem Mittelmeer zu sehen.

Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.

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Mehr Schnellboote auch zwischen Libyen und Italien

Zwar geht die Zahl der Migranten, die irregulär auf dem Seeweg nach Europa kommen, seit 2023 zurück. Trotzdem wagen jedes Jahr immer noch Zehntausende die lebensgefährliche Überfahrt - zunehmend auf der westlichen Route. Ein Grund dafür seien wohl die Schnellboote, sagt die Frontex-Sprecherin. Auch auf der Strecke zwischen Libyen und Italien, der am stärksten genutzten Mittelmeerroute, seien solche Boote immer häufiger unterwegs. So kämen hier fast die Hälfte aller Migranten nach Europa - in "schnellen Transfers" und "weitgehend unbemerkt".

Die Schlauchboote mit festem Rumpf (im Handel bekannt als RIB) sind acht bis 14 Meter lang und donnern mit bis zu vier Motoren über das Wasser, jeder mit bis zu 350 PS, wie spanische Medien schreiben. Sie schaffen Geschwindigkeiten von etwa 65 Knoten, also 120 Kilometer pro Stunde, und verbrauchen pro Fahrt wohl Hunderte Liter Benzin.

fluechtlinge in einem fluechtlingszeltlager

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Selbst Spaniens Abfangboote haben wenig Chancen

"Es gibt keinen legalen Weg, sie zu stoppen", wird ein Küstenwächter in einer spanischen Lokalzeitung zitiert:

Sie sind Ferraris mit Experten am Steuer, die auf nichts Rücksicht nehmen.

Spanischer Küstenwächter

Selbst mit ihren neuen Abfangbooten, die ebenfalls auf mehr als 60 Knoten kommen, hat die spanische Guardia Civil wenig Chancen. Will sie die Schmuggler bei so hohem Tempo abdrängen oder stoppen, kann ein Aufprall für beide Seiten tödlich enden. Um die Polizei zu überfordern, starten die Schmuggler zudem oft mit mehreren Booten gleichzeitig und koordinieren ihre Fahrten mit Navigationstechnik und Satellitentelefonen. Die Strecke nach Spanien, etwa in die Gegend um Almería, schaffen sie in zwei bis zweieinhalb Stunden.

Zwischen 6.000 und 15.000 Euro soll eine Strecke pro Person kosten, sagen Beobachter in Marokko und EU-Behörden. Das ist etwa das Zehnfache dessen, was ein Platz in den eher bekannten Schlauch-, Holz- oder Metallbooten kostet, die etwa aus Tunesien ablegen.

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Migranten statt Drogen - wegen der Profite

Für die oft mittellosen Migranten sind solche Kosten eine astronomische Summe. Aber weil solch hohe Preise teils doch gezahlt würden, hätten Drogenschmuggler das Geschäft mit dem Leid der Betroffenen für sich entdeckt, sagt der Anwalt Hussein Bakkar al-Sabai, der in Marokko zu Migration und Menschenrechten forscht. Die Fahrer der Schnellboote "transportieren lieber Migranten als Drogen, weil sie größere Gewinne erwirtschaften", sagt er.

Teils würden auch Drogen und Migranten gleichzeitig transportiert, erklärt das Institut Global Initiative, das zu länderübergreifender Kriminalität forscht. Kein neues Phänomen, aber diese Überschneidung habe sich ab 2023 auf der westlichen Route verstärkt - vermutlich wegen der höheren Profite vom Transport der Migranten.

Wo die meisten Geflüchteten herkommen

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Quelle: dpa

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