Traunstein: Gewalt in Priesterseminar

Einstige Kaderschmiede:Traunstein: Gewalt in Priesterseminar

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Das Priesterseminar in Traunstein war einst eine Kaderschmiede der Katholischen Kirche. Nun deutet vieles auf Gewalt und Missbrauch in dem Internat hin.

27.07.2025, Bayern, Traunstein: Das katholische Studienseminar St. Michael.
Über Jahre hinweg soll es zu Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen im Studienseminar St. Michael in Traunstein gekommen sein.
Quelle: dpa

Körperliche Übergriffe, systematische, psychische Gewalt - und Fälle sexuellen Missbrauchs: Im Studienseminar St. Michael in Traunstein, das lange als katholische Kaderschmiede galt, soll es über Jahre zu Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen gekommen sein.
Eine Studie arbeitet die Fälle in dem Internat, in dem auch der spätere Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, einst untergebracht war, nun auf. Es geht um "körperliche, psychische und spirituelle Gewalt gegen minderjährige Seminaristen", wie das Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik mitteilt, das die Untersuchung leitet. Im Fokus stehen dabei die 1960er, 70er und 80er Jahre. 

Auch Berichte über sexualisierte Gewalt 

Nach ersten Interviews mit Betroffenen stehen den Angaben zufolge auch "vereinzelt Berichte sexualisierter Gewalt durch Erwachsene gegen Minderjährige" im Raum, "die im Umfeld des Studienseminars ausgeübt wurde". Hilfe für die Opfer gab es nach ersten Erkenntnissen nicht. 
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"Es sind einzelne Schüler ausgewählt worden von entsprechenden Pädagogen und sind dann psychisch unter Druck gesetzt worden, körperlich gezüchtigt worden", sagt der heutige Leiter des Studienseminars, Wolfgang Dinglreiter. 

Das war ja eine Priesterschmiede.

Wolfgang Dinglreiter, Leiter des Studienseminars

Ein früherer Direktor habe "den Anspruch gehabt, möglichst viele Priester rauszubringen". Und wenn dann einer der Jungen sich dagegen entschied - und beispielsweise nicht Griechisch belegte - "dann hat er die fallenlassen", sagt Dinglreiter. "Oder wenn jemand eine Freundin bekommen hat, dann hat der Stress bekommen, dann wurden Lügengeschichten erzählt."

Georg Rieperdinger muss immer noch weinen

So erging es auch Georg Rieperdinger, der Ende der 1970er Jahre an das Studienseminar kam und heute noch weinen muss, wenn er an die Zeit denkt. Sein damaliger Direktor habe ihn systematisch fertiggemacht, berichtet er. Der Priester habe die Lügen verbreitet, Rieperdinger habe mit Drogen zu tun und seine damalige Freundin, die es nach Angaben des ehemaligen Seminaristen gar nicht gab, in einen Selbstmordversuch getrieben.
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Der mutmaßliche Grund auch hier: Rieperdinger entschied sich gegen die griechische Sprache und damit auch gegen eine Priesterlaufbahn. Erste konkrete Hinweise auf Fehlverhalten in dem Studienseminar wurden 2020 öffentlich, nachdem ein Betroffener sich an die "Süddeutsche Zeitung" gewandt hatte. Es folgten ein von der Erzdiözese München und Freising veranstalteter Gesprächsabend für ehemalige Seminaristen - und jetzt der Aufruf des Frankfurter Instituts an Betroffene, sich dort zu melden. Die Studie wird von der Erzdiözese finanziert, erste Ergebnisse sollen im Herbst 2026 vorliegen.
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Quelle: dpa

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