Eltern eines Serienmörders: Wie leben sie im Schatten der Schuld?

Leben im Schatten der Schuld:Wenn das Kind zum Serienmörder wird

von Katharina Köster und Katrin Nemec
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Wenn schwere Straftaten begangen werden, wird schnell über den Täter und dessen Herkunft berichtet. So auch im Fall Niels Högel. Was das mit dem Leben seiner Eltern gemacht hat.

"Jenseits von Schuld": Ulla und Didi Högel stehen nebeneinander mit den Gesichtern dem Wind zugewandt am Strand.

"Jenseits von Schuld" erzählt die Geschichte eines Elternpaares, dessen Kind zum Mörder wurde.

22.09.2025 | 78:43 min

True Crime boomt. Die Geschichten der Täter werden ausführlich erzählt, immer geht es darum, wie es zu den Taten kommen konnte. Häufig gibt es Interviews mit Tätern, ergänzende Stimmen aus dem Umfeld und psychologische Analysen von Fachleuten. Die Perspektive der Opfer wird seltener beleuchtet, die Perspektive der Eltern des Täters aber praktisch nie.

Eltern von Tätern fürchten Verurteilung

Das hat Gründe: Zum einen wollen Eltern von Tätern nicht sprechen, weil die Scham groß ist. Zu sehr sehen sie sich auf der Seite der Schuld, fürchten Verurteilung und möchten möglichst unerkannt bleiben. Aber es hat auch mit der Art der Berichterstattung zu tun, die sich weniger für die Geschichte von Eltern interessiert als vielmehr für deren Anteil am Werdegang des Täters.

Der Dokumentarfilm "Jenseits von Schuld" begleitete über mehrere Jahre Ulla und Didi Högel. Sie sind Eltern des verurteilten Serienmörders Niels Högel, der als Krankenpfleger für den Mord an 87 Patienten an den Krankenhäusern Delmenhorst und Oldenburg verurteilt wurde.

Katrin Nemec und Katharina Köster im Gespräch bei "Volle Kanne" mit Florian Weiss

Katrin Nemec und Katharina Köster geben exklusive Einblicke in die Entstehung der ZDF-Dokumentation "Jenseits von Schuld" – über das Schicksal der Eltern eines Serienmörders.

18.09.2025 | 8:05 min

Wie sich Elternliebe durch eine Straftat verändert

Was erleben Eltern, wenn sie von einem auf den anderen Tag erfahren, dass ihr Kind unverzeihbar schwere Taten begangen hat. Was macht das mit der Elternliebe und mit der ganzen Identität einer Familie? Was macht es mit dem Alltag? Die Überlebensstrategien von Eltern in einer solchen Ausnahmesituation sind unterschiedlich: Manche glauben weiter an die Unschuld ihres Kindes, weil die Wahrheit das menschlich Aushaltbare übersteigt und die Liebe zum Kind stärker ist als jede Faktenlage. Andere wenden sich von ihrem Kind ab.

Der Dokumentarfilm "Jenseits von Schuld" lebt von empathischen und dabei durchaus auch kritischen Beobachtungen, ohne die einfachen Antworten zu liefern, die man zur Beruhigung seines Gewissens gern hören würde, die es aber nicht gibt. Vielmehr lädt der Film den Zuschauer ein, über sich selbst und seine Vorurteile nachzudenken und sich einzufühlen, wo man lieber Abstand hielte. Der Dokumentarfilm feierte seine internationale Premiere beim Filmfest Locarno (Sektion Semaine de la Critique) und gewann beim Dok.fest München den kinokino- Publikumspreis.

Zu sehen am 22. September um 23:55 Uhr im ZDF oder jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.


Ulla und Didi Högel suchen nach einer Erklärung

"Wie ist er dahin gekommen, was hat ihn bewogen?", fragt sich Ulla Högel. "Man sucht für sich nach einer Erklärung", sagt Didi Högel. Es sei unfassbar, dass ihr Sohn durch die Station gezogen sei, versucht habe zu reanimieren, aber billigend dabei in Kauf genommen habe, dass seine Patienten sterben. "Das ist unbegreiflich."

Die Fragen werden für Ulla und Didi Högel immer bleiben. Sie erkennen die Schuld ihres Kindes an, lassen es aber dennoch nicht fallen. Sie leben tagtäglich im Konflikt zwischen Liebe und Schuld. Das funktioniert nur, indem sie Täter und Sohn strikt trennen - den Täter und seine Taten verurteilen sie klar, der Sohn ist aber ihr Kind, für den sie ihr Leben lang da sein werden. Tatsächlich bricht diese strikte Trennung in ihrem Alltag aber immer wieder in sich zusammen.

Zwei Frauen sitzen mit dem Rücken zur Kamera vor einem Meer aus Kerzen und stecken die Köpfe zusammen.

Ein Interview: Der Psychiater Paul Plener lehrt und forscht zu Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen.

11.06.2025 | 7:25 min

Elternpaar Högel dachte über Namensänderung nach

So ging Didi Högel nach einer Ausstrahlung mit einem flauen Gefühl zur Arbeit: "Was sag' ich oder wie reagiere ich drauf, wenn ich dumm angemacht werde?" Ulla und Didi Högel haben auch schon über eine Namensänderung nachgedacht. Aber: "Wenn du das machst, dann musst du auch von hier weg", sagt Ulla Högel. "Und wir haben hier unsere Wurzeln."

Ulla und Didi Högel befinden sich in einem ständigen Ringen. Da ist der Wunsch, den Sohn zu unterstützen, auch wenn er als manipulativ gilt. Da ist das Bedürfnis nach Vertrauen, das mit jeder Schlagzeile tief erschüttert wird. Und da ist das Bemühen um die Partnerschaft - während Herzprobleme, Zweifel und Rückzug die Beziehung belasten.

Kriminalbeamte führen den wegen vierfachen Mordes angeklagten Fritz Honka 1976 zum Strafjustizgebäude.

Ein ganz anderer Fall: Als es am 17. Juli 1975 in einem Wohnhaus in Hamburg brannte, kam Grausiges zu Tage. Vier verstümmelte Frauenleichen wurden entdeckt. Ermordet von Wohnungsinhaber Fritz Honka.

17.07.2025 | 6:57 min

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