Brutale Betrugsindustrie in Südostasien:Gezwungen zum Online-Scam
von Lucas Eiler und Sebastian Galle
Hinter harmlosen Chats lauert eine grausame, milliardenschwere Betrugsindustrie in Südostasien. Was hinter der Masche steckt - und warum Razzien bisher kaum helfen.
Hinter harmlosen Online-Flirts lauert eine brutale Betrugs-Industrie: Opfer verlieren ihr Geld, und in Asien werden die Betrüger eingesperrt und gefoltert.
10.12.2025 | 28:46 minEine LinkedIn-Anfrage veränderte Stefan Müllers (Name geändert) Leben: Der 70-jährige ehemalige Manager, der in München lebt, bekommt im Dezember 2023 eine Kontaktanfrage von einer asiatischen Frau. "Ich würde gerne mehr über Deutschland wissen", habe sie geschrieben, "über das Land und die Bevölkerung und Businessmöglichkeiten." Es entwickelt sich ein lebendiger Chat.
Die Frau stellt mit Fotos ihren Luxus zur Schau. Einen Monat lang schreiben sie. Als er fragt, wie sie sich den Luxus leisten kann, stellt ihm die Frau eine Anlageplattform vor. Mit ihrer Hilfe investiert Müller dort etwa 250.000 Euro. Doch als er die Gewinne abheben will, wird er mit immer wieder neuen Begründungen hingehalten. Ihm dämmert es: "Natürlich bin ich manipuliert worden." Kryptoeinzahlungen und Banktransaktionen legen nahe: Stefan Müller wurde abgezockt - von einer milliardenschweren Betrugsindustrie in Asien.
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06.12.2025 | 44:11 minDeutschland rückt ins Visier der Täter
Oberstaatsanwalt Nino Goldbeck leitet die Zentralstelle Cybercime Bayern in Bamberg und kennt die Methode nur zu gut: Pig Butchering - Schweine schlachten - wird sie genannt. Allein in Bayern zählte seine Behörde mehr als 1.000 solcher Fälle in den vergangenen fünf Jahren.
Das Ganze summiert sich auf einen Betrag von ungefähr 75 Millionen Euro.
Nino Goldbeck, leitet die Zentralstelle Cybercrime Bayern
Der Staatsanwalt geht davon aus, dass Deutschland immer stärker ins Visier der Täter rücken wird. Doch wer sind die Täter?
Täter mit falschen Jobangeboten angelockt
Noom (Name geändert) hat Menschen wie Stefan Müller betrogen. Der 18-Jährige aus dem Nordosten Thailands erzählt, wie es dazu kam. Online sieht er ein Jobangebot. Für Kundenservice-Tätigkeiten winkt ein hohes Gehalt - das sechsfache von dem, was er bisher verdient hat. Noom muss nicht lange überlegen, auch wenn er dafür seine Heimat verlassen muss.
Noom mit seinem Vater. Der 18-Jährige wurde von Thailand nach Kambodscha gelockt. Dort wurden ihm Pass und Telefon abgenommen.
Quelle: privatVon Bangkok aus wird Noom über die Grenze nach Kambodscha gebracht. Er landet in der Nähe der Hauptstadt Phnom Penh. Dort sitzt er plötzlich seinem neuen Boss gegenüber - einem Chinesen. "Er sah aus wie ein Mafia-Mann", erinnert sich Noom. "Er war aggressiv und sehr aufdringlich. Er hat mich bedroht." Sein Pass und sein Telefon werden ihm abgenommen. Noom wird in einem Bürogebäude eingesperrt.
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21.05.2025 | 28:27 minZwangsarbeit im Betrugszentren
Der Job, den er machen soll, hat nichts mit der Beschreibung in der Anzeige zu tun: Er soll sich in den sozialen Medien verschiedene Identitäten zulegen, weltweit Menschen kontaktieren und sie davon überzeugen, Geld in angebliche Investments zu stecken, so wie bei Stefan Müller. Weil er seine Zielvorgaben nicht erfüllt, wird er an ein anderes Arbeitslager verkauft.
In der zweiteiligen Recherche "Crime Factories" des ZDF-Dokuformats "Die Spur" erkunden Lucas Eiler und Sebastian Galle, welche kriminellen Machenschaften sich hinter den Mauern von Zwangsarbeitslagern in Südostasien abspielen. Die Folge "Die Scamming-Mafia" können Sie jederzeit im ZDF-Streaming-Portal sehen oder am 14. Januar 2026 um 22:45 Uhr im ZDF.
Weil er es auch dort nicht schafft, genug Leute abzuzocken und seinem Boss nicht genug Gewinn bringt, wird er in einem sogenannten Dark Room eingesperrt und gefoltert. "Sie nahmen einen Elektroschocker und einen Schlagstock und schlugen auf mich ein", erzählt Noom. "Ich wurde windelweich geprügelt. Mein Gesicht war entstellt, ich konnte es nicht aushalten. Sie quälten mich, bis mein Arm gebrochen war." Nur durch einen waghalsigen Sprung aus dem Fenster schafft er es schließlich zu fliehen.
Vereinte Nationen: "Wie ein Krebsgeschwür"
Derartige Betrugszenten breiten sich in Südostasien rasant aus, vor allem in Kambodscha, Myanmar und Laos. Amnesty International konnte mehr als 50 Betrugszentren in Kambodscha identifizieren, mehr als 40 weitere stuft die Organisation als "verdächtige Orteˮ ein. Die Vereinten Nationen schätzen auf Basis von Hilfsorganisationen, dass mindestens 100.000 Menschen in Kambodscha Opfer von Menschenhandel sind.
"Es ist wie ein Krebsgeschwür, dass man praktisch nicht los wird", sagt Benedikt Hofmann, stellvertretender Leiter des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in Südostasien. "Sobald man es an einer Stelle entfernt, ist es in einem anderen Bereich der Region am Wachsen."
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10.12.2025 | 43:13 minRazzien nur ein Tropfen auf den heißen Stein
Die Behörden vor Ort versuchen es, da es nicht nur in Kambodscha solche Arbeitslager gibt: Im Februar 2025 kappt Thailand den Arbeitslagern in Myanmar den Strom und das Internet, das Militär befreit 7.000 Menschen. Im Herbst 2025 gibt es Razzien in KK-Park, dem größten Betrugszentrum in Myanmar: Die Behörden sprengen mehrere Häuserblocks.
Und dennoch halten Experten die Maßnahmen nur für einen Tropfen auf den heißen Stein. Die Zentren breiten sich weiter aus in Südostasien, an immer neuen Orten. "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, das zu stoppen, wird es nicht mehr möglich sein, das aufzuhalten", sagt Benedikt Hofmann von den Vereinten Nationen. "Mehr und mehr Leute werden im Endeffekt darunter leiden."
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