Polizeischüsse: Wann ist der Waffengebrauch erlaubt?
Analyse
Tödliche Polizeischüsse:Wann darf ein Polizist zur Waffe greifen?
von Jan Henrich
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2024 stieg die Zahl tödlicher Schusswaffeneinsätze der Polizei. Wie kommt es zu dieser Entwicklung und wann darf ein Polizist seine Waffe gebrauchen?
2024 gaben Polizisten mehr tödliche Schüsse ab als in den Jahren davor.
Quelle: dpa
Die Nacht zum Ostersonntag in der Oldenburger Innenstadt: Wegen eines Angriffs mit Reizgas vor einer Diskothek kommt es zu einem Polizeieinsatz, in dessen Verlauf ein Beamter von seiner Schusswaffe Gebrauch macht. Der 21-Jährige mutmaßliche Angreifer wird mehrfach getroffen und stirbt wenig später im Krankenhaus.
Es ist bundesweit der elfte Fall dieser Art seit Jahresbeginn, mehr als in manchen Jahren insgesamt. Und bereits 2024 erreichte die Zahl der tödlichen Polizeischüsse einen Höchstwert.
Die tödlichen Polizeischüsse auf einen 21-Jährigen werfen Fragen auf: Der Mann soll laut Polizei bedrohlich auf die Beamten zugegangen sein und habe Reizgas gesprüht. Die Schüsse trafen ihn jedoch von hinten.23.04.2025 | 2:02 min
22 Tote durch Polizeischüsse im Jahr 2024
Insgesamt 22 tödliche Fälle von Schusswaffengebrauch durch Polizisten zählt die Fachzeitschrift Bürgerrechte und Polizei im Vorjahr auf Basis von Pressemeldungen in Deutschland (83,6 Millionen Einwohner). Das ist der höchste Wert seit Beginn der Zählung 1977. Eine offizielle Statistik liegt für das Jahr 2024 noch nicht vor.
Schusswaffengebrauch der Polizei
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Durchschnittlich geben Polizisten in Deutschland circa 130 Schüsse auf Personen pro Jahr ab. Dabei endet der weit überwiegende Teil der Fälle nicht tödlich. In die Statistik fließen auch Warnschüsse.
Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen
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Mehr Tote durch Polizeischüsse in den USA, weniger in Großbritannien
Im internationalen Vergleich gibt es große Unterschiede. In den USA (rund 340,1 Millionen Einwohner) liegen die Fallzahlen beispielsweise weit höher. Die Zeitung "Washington Post" zählte dort im Jahr 2023 insgesamt 1.164 Todesfälle durch Polizeischüsse, mit steigender Tendenz in den vergangenen Jahren.
In Großbritannien (rund 68,7 Millionen Einwohner) hingegen gibt es deutlich weniger Tote durch Schusswaffengebrauch der Polizei. 2023 verzeichnet die Statistik des Independent Office for Police Conduct für England und Wales lediglich drei, im Jahr davor nur zwei Fälle. Normalerweise tragen Polizisten in Großbritannien auch keine Schusswaffen. Die sogenannten Bobbys sind häufig nur mit Pfefferspray und Schlagstock ausgerüstet.
In einem Vorort von Lissabon wurde ein dunkelhäutiger Mann von der Polizei erschossen. Dagegen regt sich heftiger Protest, auch zwei Stadtbusse brannten aus. 23.10.2024 | 1:47 min
Voraussetzungen für Schusswaffengebrauch gesetzlich festgeschrieben
Wann Polizisten in Deutschland zur Waffe greifen dürfen, ist in mehreren Gesetzen auf Bundes- und Landesebene geregelt. Unter anderem bei schweren Straftaten, um eine Flucht zu verhindern. Hauptanwendungsfall ist allerdings die Verteidigung vor vermeintlich lebensgefährlichen Angriffen. Genaue Vorschriften, ab wie viel Metern Abstand eine Waffe eingesetzt werden darf, gibt es nicht.
Der Zweck des Schußwaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. (…)
„
Paragraf 12 Absatz 2 UZwG
Häufig handelt es sich um Fälle, bei denen sich die angetroffenen Menschen in einem psychischen Ausnahmezustand befinden.
In den Fallberichten findet sich auch immer wieder die Schilderung, dass die Personen bereits zuvor in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren. Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) besteht daher allgemein die Forderung, dass Beamte bei Einsätzen schneller über mögliche psychische Erkrankungen informiert werden.
GdP sieht gestiegene Gewaltkriminalität als Grund
Es brauche hierfür eine funktionierende Vernetzung aller beteiligten Behörden, betonte GdP-Bundesvorsitzender Jochen Kopelke in einem früheren Interview gegenüber der ZDFheute. Als Grund für die Zunahme der tödlichen Schusswaffeneinsätze sieht Kopelke allerdings in erster Linie einen allgemeinen Anstieg von Gewaltkriminalität in Deutschland.
Für die Beamten ist das mit das Schlimmste, was ihnen widerfahren kann. Niemand möchte in diese Situation kommen, dass er die Waffe auf einen Menschen abfeuern muss.
„
Jochen Kopelke, GdP-Bundesvorsitzender
Neben einem Ausbau bestehender Schulungsmaßnahmen im Bereich Deeskalation fordert die Gewerkschaft daher auch einen flächendeckenden Einsatz von Tasern. Die Elektroschock-Pistolen werden bereits in einigen Bundesländern verwendet. Ob das am Ende dazu führen kann, dass es weniger Tote bei Polizeieinsätzen gibt, ist allerdings fraglich. Auch bei Tasern finden sich immer wieder Fälle, bei denen Personen nach dem Einsatz versterben.
Jan Henrich arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Der Artikel wurde bereits im Dezember 2024 veröffentlicht. Er wurde durch neue Zahlen und Fälle ergänzt.
Quelle: dpa
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