Aschaffenburg-Attacke: Prozess gegen mutmaßlichen Täter beginnt

Kind und Passant starben:Prozess nach Messerangriff in Aschaffenburg beginnt

von Christoph Söller

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Knapp neun Monate nach der tödlichen Messerattacke auf Kitakinder in Aschaffenburg startet nun das Sicherungsverfahren. Nicht nur die bayerische Stadt hat der Fall verändert.

Trauer in Aschaffenburg

In Aschaffenburg herrschte nach der Messerattacke große Trauer. (Archivbild)

Quelle: AFP

Der 22. Januar 2025 ist ein Mittwoch und ein schöner Wintertag in Unterfranken. Es ist auch ein Tag, der sich ins Gedächtnis Aschaffenburgs eingebrannt hat. Fünf Kleinkinder der Kita "Kindernest Grenzenlos" sind an diesem Tag mit zwei Erzieherinnen im Schöntal-Park im Zentrum der Stadt unterwegs. Es ist 11:45 Uhr, als Enamullah O. mit einem 32 Zentimeter langen Küchenmesser die Gruppe angreift.

Ein zweijähriger Junge und ein Passant, der sich dem Mann entgegenstellt, sterben. Ein anderes Kind, eine Erzieherin und ein weiterer Passant werden schwer verletzt. Es ist eine Tat, die Aschaffenburg bis heute schmerzt und die Deutschland verändert hat.

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Neun Monate später beginnt vor der Großen Strafkammer am Landgericht Aschaffenburg das Sicherungsverfahren gegen Enamullah O. Bis er rechtskräftig verurteilt ist, gilt die Unschuldsvermutung. Die Liste an Vorwürfen gegen den Mann ist lang, unter anderem: Mord, versuchter Mord und Totschlag.

Beschuldigter muss wohl nicht ins Gefängnis

Der 28-Jährige stammt aus Afghanistan, kam als Flüchtling nach Deutschland, und wurde nach der Messertat von Aschaffenburg in das Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in Lohr am Main gebracht. Er gilt als psychisch krank und daher nicht schuldfähig. Hinweise auf seine Erkrankung fanden Ermittler unter anderem in seiner Wohnung - darunter Medikamente und ärztliche Unterlagen.

Dominikus Bönsch leitet die psychiatrische Klinik, in der der mutmaßliche Täter derzeit untergebracht ist. "Wenn jemand so eine schwere Straftat begangen hat, weil er sehr schwer psychiatrisch krank ist und deshalb die Situation und die Tat gar nicht gut beurteilen konnte und deshalb quasi schuldunfähig ist, dann kann er nicht zu einem Gefängnisaufenthalt verurteilt werden, sondern wird dazu verurteilt, in den Maßregelvollzug untergebracht zu werden."

Ein Mann stellt eine Kerze zu zahlreichen anderen Kerzen, Blumen und Plüschtieren im Park Schöntal als Zeichen der Anteilnahme. In dem Park waren am 22.01.2025 ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann bei einem Messerangriff getötet sowie weitere Menschen schwer verletzt worden.

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Mutmaßlicher Täter von Aschaffenburg zuvor bereits auffällig

Zum Tatzeitpunkt war Enamullah O. ausreisepflichtig - und trotzdem noch immer in Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schob ihn nicht ab, aber auch die Polizei und bayerische Behörden gerieten in die Kritik, denn der mutmaßliche Täter war durch andere Attacken den Behörden bereits aufgefallen - trotzdem gab es keine Konsequenzen.

"Die psychiatrische Behandlung basiert im Regelfall auf Freiwilligkeit", erklärt Bönsch. "Nur wenn bereits davor schon ganz dramatische Dinge passiert sind, hat man überhaupt eine Möglichkeit, jemanden gegen seinen Willen zu behandeln."

Der Patient war ganz offensichtlich krank, er war ganz offensichtlich auch gefährlich. Trotzdem waren den Behandlern da die Hände gebunden.

Dominikus Bönsch, Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin in Lohr am Main

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Politik zieht Konsequenzen aus Tat in Aschaffenburg

Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von "Vollzugsdefiziten", CSU-Chef Markus Söder forderte eine "radikale Wende" in der Asylpolitik. CDU-Chef Friedrich Merz nutzte den Fall, um ein politisches Tabu zu brechen: Union und AfD stimmten im Bundestag gemeinsam für einen Antrag, in dem Verschärfungen in der Migrationspolitik gefordert wurden.

Die CSU-Politikerin Andrea Lindholz vertritt den Wahlkreis Aschaffenburg im Deutschen Bundestag. Damals sprach sie von einem "völlig überlasteten System", heute erkennt sie Verbesserungen: "Wir haben in der neuen Koalition die Migrationsthemen angepackt. Wir haben eine Wende in der Migrationspolitik geschafft."

Wir haben weniger Zuwanderung nach Deutschland, stärkere Kontrolle und Regulierung und insofern hat sich die Situation positiv entwickelt.

Andrea Lindholz, CSU

Der Fall Aschaffenburg hat für ganz Deutschland Fragen aufgeworfen - über Sicherheit, Migration, Behördenversagen. Der Prozess kann diese Fragen nicht beantworten, aber vielleicht hilft er Aschaffenburg dabei, die Schreckenstat aufzuarbeiten. Bis Ende des Monats sind sieben Verhandlungstermine angesetzt.

Christoph Söller ist Reporter im ZDF-Landesstudio Bayern.

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