Glienicker Brücke: Größter Agentenaustausch des Kalten Krieges
1985 an der Glienicker Brücke:Der größte Agentenaustausch des Kalten Kriegs
von Jan Meier
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Es war der größte Agentenaustausch während des Kalten Krieges: 27 Spione wurden vor 40 Jahren auf der Glienicker Brücke ausgetauscht. Einer von ihnen: Eberhard Fätkenheuer.
Heute passieren täglich Tausende Touristen die Glienicker Brücke. Vor 40 Jahren wurde sie mit 27 Spionen zum Schauplatz des größten Agentenaustauschs des Kalten Kriegs.10.06.2025 | 10:12 min
11. Juni 1985 - an diesem Sommertag war die Glienicker Brücke Schauplatz des größten Agentenaustauschs der Geschichte. 29 Spione wurden ausgetauscht.
Einer von ihnen, der aus DDR-Haft in den Westen entlassen wurde: Eberhard Fätkenheuer. Der damals 41-jährige Kfz-Ingenieur aus Ostberlin hatte Aktivitäten der ostdeutschen und sowjetischen Streitkräfte beobachtet und seine Erkenntnisse an den amerikanischen Geheimdienst geschickt.
Vor 40 Jahren wechselten 27 Agenten auf der Glienicker Brücke die Seiten.
Quelle: dpa
Die waren nicht unwichtig, erklärt Florian Schimikowski, Historiker vom Berliner Spionagemuseum:
Solche kleinen Informationen können durchaus wertvoll sein. Nicht als einzelne Informationen, aber wenn man die zusammentut, dann erhalten Geheimdienste ein Big Picture.
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Florian Schimikowski, Historiker vom Berliner Spionagemuseum
Putins Überfall auf die Ukraine ist eine Zeitenwende – auch für die deutsch-russischen Beziehungen. Historische Traditionen des Miteinanders werden von der Gegenwart überrollt.
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Aber Fätkenheuer lieferte auch Gewichtiges über einen Stützpunkt der Nationalen Volksarmee, der Streitkräfte der DDR, in Mecklenburg.
Da habe ich mich wirklich sehr bemüht, versucht, Leute zu befragen, ohne mich zu verraten, und habe als Summe aus verschiedenen Befragungen herausgekriegt: Nein, die NVA besitzt keine Atomwaffen. Das war richtig und war von großem Interesse für die Amerikaner.
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Eberhard Fätkenheuer, West-Spion in der DDR
Fätkenheuer spähte ein getarntes Raketenlager bei Berlin aus, und erhielt dafür gelegentliche Aufwandsentschädigungen in Ostmark aus dem Westen.
Eberhard Fätkenheuer im Jahr 2013 vor der Glienicker Brücke.
Quelle: laif
Er war stolz auf seine Agententätigkeit. Ein bisschen habe er auch dran geglaubt, dass die Preisgabe militärischer Geheimnisse durchaus auch dem Frieden dienen könne.
Denn wenn zwei am Atomhebel spielen und ein Dritter eindeutig sagt, nee, es stimmt nicht, die geben das vor. Die wollen gar keine Atombomben abschießen. Und das verbindlich der anderen Stelle mitteilen. Dann schützt das sehr den Frieden.
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Eberhard Fätkenheuer, West-Spion in der DDR
Ab morgen beginnt in Berlin eine Ausstellung über das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Politisch in Haft saßen Menschen, die aus der DDR fliehen wollten oder die Regierung kritisierten.08.04.2025 | 1:42 min
Eigentlich sollten 29 Agenten ausgetauscht werden
1979 wurde Fätkenheuer auf offener Straße festgenommen. Die Gerichtsverhandlung vor dem Militärgericht in Ostberlin endete mit einem Schock für den damals 35-Jährigen: 13 Jahre Haft. Erst sechs Jahre später wurde er freigelassen.
Donald Koblitz, Rechtsberater in der West-Berliner US-Mission, bereitet 1985 den Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke vor. Insgesamt war der Austausch von sogar 29 Agenten verhandelt worden, zwei von ihnen blieben aber freiwillig im Osten.
Auf dem Flughafen Tempelhof nimmt er die vier DDR-Spione in Empfang, die die USA in den Osten entlassen und zur Glienicker Brücke gebracht werden. Der Austausch verläuft reibungslos.
Panzer zählen oder Baupläne von Atombomben stehlen - streng gehütete Geheimnisse des Gegners. Sie lüften zu wollen, kann im Informationskrieg verfeindeter Blöcke lebensgefährlich sein.21.08.2018 | 44:29 min
Mit Chrustschow begann der Austausch von Agenten
Bereits 1962 findet der erste Austausch auf der Glienicker Brücke statt. Der sowjetische Machthaber Nikita Chrustschow gibt den CIA-Piloten Francis Powers frei, der in Moskau wegen Spionage verurteilt wurde.
Die Sowjetunion erhielt ihren KGB-Agenten Rudolf Abel zurück. 150 weitere Austausche über die deutsch-deutsche Grenze folgen. Doch erst 20 Jahre später ist die Glienicker Brücke erneut Schauplatz. Historiker Florian Schimikowski weiß, warum:
Sie ist damals vor allem gewählt worden, weil sie von allen Seiten gut erreichbar ist, und es gibt da kein urbanes Umfeld, das heißt, man hat wenig Zeugen, man kann sehr genau sehen, was letztendlich passiert. 1985 und '86 wurde die Brücke gewählt, weil man sie als Bühne brauchte, man wollte das inszenieren.
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Florian Schimikowski, Historiker vom Berliner Spionagemuseum
Die Doku-Reihe legt ein Augenmerk auf die Planungen der Supermächte auf beiden Seiten der einstigen innerdeutschen Grenze.
1986 endeten die Agentenaustausche
Die Bilder gehen um die Welt, als Zeichen der Entspannung zwischen Ost und West. 1986 fand der letzte Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke statt. Donald Koblitz war dabei.
Es war im Februar, und es war bitterkalt, und es ging wesentlich schneller. Ein gepanzertes Fahrzeug stand auf der Brücke, um den sowjetischen Bürgerrechtler Stscharansky mitzunehmen. 1985 hatte sich die Sowjetunion noch geweigert, den prominenten Dissidenten zu entlassen. Dieses Mal sind die Medien da. Das ZDF überträgt live.
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Donald Koblitz, US-Rechtsberater
Im Kalten Krieg war die Glienicker Brücke für West- und Ostdeutsche gesperrt. Nur die Alliierten nutzten die Verbindung. Heute passieren täglich Tausende Touristen und Anwohner die einstige Agentenbrücke, die nicht nur für Eberhard Fätkenheuer vor vierzig Jahren der Weg in die Freiheit war.