NANO & Terra X: Wissens-Kolumne:Klimakrise im Kopf: Warum wir uns selbst im Weg stehen
Die Klimakrise zu verdrängen, schützt kurzfristig die Psyche, schadet aber langfristig allen. Warum wir uns der Bedrohung stellen müssen - und wie wir das psychisch können.
In der vergangenen Woche endete der diesjährige Extremwetterkongress in Hamburg mit einer Presseerklärung, für die schon der Begriff "Paukenschlag" untertrieben scheint:
"Die globale Erwärmung ist in eine Phase der Beschleunigung eingetreten. Bereits um das Jahr 2050 könnte die Erwärmung sogar drei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erreichen (..) Dies kann nur noch durch ein Umsteuern der Menschheit verhindert werden. (…) Wir rufen alle politischen Akteurinnen und Akteure in Deutschland auf, sich der realen Gefährdungslage (…) und der Dringlichkeit des Handelns bewusst zu werden, (…) den Rückzug aus tieferliegenden Küstenregionen an Nord- und Ostsee zu diskutieren, (…) die wissenschaftsbasierte Information der Gesellschaft sicherzustellen".
Ein Überschreiten der Drei-Grad-Marke bis 2050 sei ein "worst case", sagt Klimaforscher Rahmstorf. Wetterextreme würden dann "eine geregelte Anpassung praktisch unmöglich" machen.
24.09.2025 | 5:18 minEin Weckruf vom Extremwetterkongress?
Was ist eine angemessene Reaktion auf eine solche wissenschaftliche Stellungnahme? Wie können wir das gesund psychisch verarbeiten? Und wie handhaben das insbesondere die Menschen in Küstenstädten wie Emden, Bremerhaven, Lübeck, Rostock oder Stralsund, wenn sie erfahren, dass ein Schutz ihrer Heimat langfristig vielleicht unbezahlbar wird?
In der Wissens-Kolumne von NANO und Terra X auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpertinnen und Gastexperten jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Verdrängung als psychische Notwehr
Wenn wir keine Handlungsmöglichkeiten hätten, bestünde ein verständliches menschliches Reaktionsmuster auf solche existenziellen Bedrohungen im Wegschauen, Ignorieren und Verdrängen. Das kann kurzfristig unsere psychische Stabilität und Alltagstauglichkeit bewahren.
1,5 Grad Celsius – das wichtigste Klimaziel ist überschritten. Was heißt das für unsere Zukunft, für die Politik und für den Klimaschutz? Harald Lesch stellt sich einer unbequemen Wahrheit.
23.07.2025 | 18:29 minSehr viele Menschen versuchen aktuell in der Tat, auf genau diese Art und Weise ihre psychische Gesundheit zu schützen und wehren Klimathemen daher bewusst oder unbewusst für sich ab. Politiker*innen fürchten diese Abwehr und trauen sich oft nicht einmal mehr, das Wort "Klima" überhaupt auszusprechen.
Warum Wegschauen so gefährlich ist
Doch so individuell nachvollziehbar diese Strategie sein mag, so katastrophal ist sie für die Gesellschaft als Ganzes. Denn das kollektive Wegsehen sorgt auch dafür, dass die Krisen voranschreiten und eskalieren. Die Verdrängung blockiert somit viele dringend notwendige Gespräche, Entscheidungen und Maßnahmen. Das sind verpasste Chancen, die uns und unseren Kindern mehr Sicherheit und Stabilität hätten schaffen können.
(Nicht-)Handeln wider besseren Wissens
Das individuelle, kollektive und mediale Wegschauen ist letztlich ebenso fahrlässig, wie in einer abgeschlossenen Gartenhütte zu sitzen und darin einen Grill zu betreiben. Ein Grill produziert Kohlenmonoxid (CO), ein unsichtbares und geruchloses Gas, das schlussendlich lebensgefährlich ist.
Die Klimakrise bringt vieles mit sich, was uns Anlass zur Sorge gibt. Aber die Auswirkung, die wir wohl am direktesten wahrnehmen, ist Hitze.
02.11.2021 | 16:09 minIn der Klimakrise haben wir es mit einem ähnlichen verantwortungslosen und größenwahnsinnigen Verhalten zu tun: nämlich bei einer realen und existenziellen Bedrohung, von der man sogar selbst betroffen ist, wegzuschauen.
Was gesunde Verarbeitung bedeutet
Eine gesunde psychische Verarbeitung der Klimakrise zeigt sich im Anspringen unserer Gefahrenwahrnehmung. Die Botschaft des Extremwetterkongresses darf aus der öffentlichen Debatte nicht wieder verschwinden. Wie in der Presseerklärung selbst geschrieben, ist die wissenschaftsbasierte Information der Gesellschaft dabei von höchster Bedeutung.
NANO vom 24.09.: Extreme Naturereignisse nehmen zu. Für fast die Hälfte aller Katastrophen sind Hochwasser verantwortlich, wie aktuell in Hongkong. Wie kann man Risiken eindämmen?
24.09.2025 | 28:41 minVerantwortung übernehmen - jetzt
Das wird harte Arbeit für alle Menschen bedeuten, die das Problem verstanden haben und sich selbst in der Gartenhütte beziehungsweise auf der Erde befinden. Denn Klimathemen müssen in unser gesamtes, vor allem auch institutionelles Denken, Fühlen, Reden und Handeln integriert werden. Sonst ist mittelfristig keine psychische Resilienz mehr möglich.
Selbst Menschen, die davon überzeugt sind, dass wir dem Klimawandel aktiv entgegenwirken müssen, fällt es oft schwer, Wollen und Tun in Einklang zu bringen: Was steht ihnen im Weg?
31.10.2021 | 27:00 minDie Verantwortung lastet auf uns allen, sie lässt sich nicht länger auf andere abschieben. Eine gesunde psychische Verarbeitung bedeutet immer auch, den eigenen Handlungsspielraum zu nutzen und auf unterschiedlichste Weise aktiv zu werden.
... ist Dipl.-Psychologin und Transformationsberaterin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) e.V. sowie Mit-Initiatorin der Psychologists for Future (Psy4F) e.V.. Sie ist außerdem tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin mit einiger klinischer Erfahrung und Fach- und Sachbuchautorin. Für Menschen, die sich verletzlich und nahbar zeigen können, hat sie große Sympathien.
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