Dahlmeiers Bergunfall in Pakistan:Was den Laila Peak so gefährlich macht
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Die Bergsteigerin Laura Dahlmeier ist am Laila Peak tödlich verunglückt. Was den Berg so anspruchsvoll macht und warum sie dort nicht geborgen werden kann - ein Überblick.
Es ist traurige Gewissheit: Die erfahrene Bergsteigerin Laura Dahlmeier ist beim Bergsteigen im pakistanischen Karakorum-Gebirge tödlich verunglückt. Die zweifache Olympiasiegerin im Biathlon war am Montag auf rund 5.700 Metern Höhe am Laila Peak von einem Steinschlag getroffen worden.
Der Laila Peak im Karakorum-Gebirge.
Quelle: imago
"Die Bergung des Leichnams ist für die Rettungskräfte unter den aktuell vorherrschenden Bedingungen mit Steinschlag und einem Wetterumschwung am Laila Peak mit einem zu hohen Risiko verbunden und nicht realisierbar", hieß es in einer Mitteilung von Dahlmeiers Management. Es sei ihr "ausdrücklicher und niedergeschriebener Wille" gewesen, dass in einem Fall wie diesem niemand sein Leben riskieren dürfe, um sie zu bergen.
Ihr Wunsch war es, ihren Leichnam in diesem Fall am Berg zurückzulassen. Dies ist auch im Sinne der Angehörigen, die außerdem ausdrücklich darum bitten, Lauras letzten Wunsch zu respektieren.
Laura Dahlmeiers Management
Dahlmeiers Seilpartnerin konnte dem Management zufolge von zu ihr aufgestiegenen Bergsteigern sicher ins Basecamp begleitet werden. Sie sei unverletzt und werde vor Ort betreut.
Was macht den Laila Peak selbst für Profis wie Dahlmeier so gefährlich - und eine Bergung unrealisierbar? ZDFheute hat mit erfahrenen Bergsteigern über die Lage im Karakorum gesprochen.
Was macht den Laila Peak so fordernd?
Der Laila Peak (6.096 Meter) liegt in Pakistan im Karakorum-Gebirge. Der Karakorum beherbergt insgesamt vier Achttausender, darunter den K2 (8.611 Meter), den zweithöchsten Berg der Erde.
Quelle: ZDF
Der Bergsteiger und Bergblogger Stefan Nestler beschreibt den Laila Peak als sehr anspruchsvollen Berg. "Er ist von allen Seiten steil und ist allein aufgrund der Ausgesetztheit sehr fordernd", sagt Nestler. Unter Ausgesetztheit verstehen Alpinisten Stellen einer Bergroute, die so steil sind, dass im Falle eines Absturzes große Verletzungsgefahr besteht.
... ist Bergsteiger und Bergblogger. Er arbeitet als Journalist und betreibt das Blog "Abenteuer Berg". Nestler berichtete unter anderem vom Fuß des Mount Everest und gehört zu den Erstbesteigern des Kokodak Dome in China (7.129 Meter). Am Laila Peak ist er zuletzt 2004 gewesen, als er auf Reportage-Reise am K2-Basislager durch das Karakorum-Gebirge reiste.
"Hinzu kommt, dass sich der Berg extrem verändert hat", sagt Nestler. Ein deutscher Bergsteiger habe ihm ein Foto von letzter Woche geschickt. "Auf der Nordwestwand liegt nur noch eine sehr dünne Schneeschicht, große Teile des Berges sind mittlerweile nackter Fels." Das mache den Laila Peak bergsteigerisch "deutlich anspruchsvoller und auch gefährdeter für Steinschlag".
Wie ist derzeit die Lage im Karakorum-Gebirge?
"Das Wetter war in diesem Jahr ungewöhnlich warm, um nicht zu sagen heiß", sagt Bergsteiger Stefan Nestler. Zudem sei es sehr trocken gewesen. Im Juli beginne die Klettersaison im Karakorum. "Normalerweise hat man davor im Juni noch einmal ergiebige Schneefälle in der Region, die in der Regel dafür sorgen, dass die Routen an hohen Bergen besser zu bewältigen sind." Diese Niederschläge seien in diesem Jahr aber weitestgehend ausgeblieben.
Die Gefahr für Bergsteiger: "Wenn wenig Schnee aufliegt, wenn es warm ist, dann lösen sich Steine leichter, und wir haben viel Steinschlag", erklärt Nestler. Das habe im Karakorum-Gebirge in dieser Saison bereits dazu geführt, dass viele kommerzielle Expeditionen - etwa am K2, etwas mehr als 30 Kilometer entfernt - Gipfelbesteigungen erfolglos abgebrochen worden seien.
Warum fördert Hitze Steinschläge in den Bergen?
Die Bergsteigerin Billi Bierling leitet in Nepal die Himalayan Database, die Daten zu Himalaya-Expeditionen in Nepal erfasst. Sie beobachtet hautnah, wie sich die Gebirge verändern. Vor allem der Rückgang des Permafrosts - also das Auftauen ursprünglich ganzjährig gefrorener Böden - mache den Bergen zu schaffen, sagt Bierling.
Der Permafrost sei der Kitt der Berge, erklärt Bierling. Schmilzt er, bröckele auch der Berg. "Das passiert überall", sagt Bierling, "auch in den Alpen, wo zum Beispiel der Hitzesommer 2003 zu einem großen Felssturz am Matterhorn geführt hat."
... ist Bergsteigerin, Bergjournalistin und Leiterin der Himalayan Database. Die gebürtige Garmisch-Partenkirchnerin lebt seit 20 Jahren in Nepal und hat für die Vereinten Nationen auch schon in Pakistan gearbeitet. Am Laila Peak ist sie vorbeigewandert.
Im Karakorum-Gebirge sei Steinschlag aufgrund der teils extremen Hitze in Pakistan besonders häufig. Da brauche es nicht einmal eine Windböe oder eine Berührung: Ohne Permafrost könnten sich Steine jederzeit lösen. "Da gibt es immer ein Restrisiko - auch für Bergsteigerinnen, die so autonom, versiert und erfahren wie Laura Dahlmeier waren", sagt Bierling.
"Das hohe Steinschlagrisiko besteht natürlich auch für ein Bergungsteam", sagt Bergsteiger Stefan Nestler. Er und Bierling verweisen zudem auf eine lokale Herausforderung: Aufgrund der angespannten Lage in der Region dürften in Pakistan nur Armeehubschrauber im Karakorum fliegen.
Das Problem: Die Helikopter der pakistanischen Armee seien für Rettungs- wie Bergungseinsätze in dieser Höhe zu schwer. "Pakistans Armee besitzt keine Spezialhubschrauber wie etwa die Bergwacht", sagt Nestler. Für Einsätze in dieser Höhe müssten Hubschrauber komplett entkernt werden, "damit genügend Auftrieb da ist in der dünnen Luft", erklärt der Experte.
Was hatte Laura Dahlmeier am Laila Peak gemacht?
Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin war bereits seit Ende Juni mit Freunden in der Region. Am 8. Juli hatte sie nach Angaben ihres Managements erfolgreich den Great Trango Tower (6.287 Meter) bestiegen. Der Laila Peak war das zweite geplante Gipfelziel.
Der Great Trango Tower: "Sehr schwieriger, sehr steiler Granitberg", sagt Bergsteiger Stefan Nestler.
Quelle: Imago
Dahlmeier ist staatlich geprüfte Berg- und Skiführerin und aktives Mitglied bei der Bergwacht. Seit dem Ende ihrer Profikarriere war sie immer wieder in verschiedenen Bergregionen unterwegs. 2021 war sie über eine sehr anspruchsvolle Route auf den Mont Blanc geklettert, 2023 bestieg sie den Pik Korschenewskaja (7.105 Meter) in Tadschikistan und 2024 die Ama Dablam (6.814 Meter) in Nepal.
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