Ignaz Semmelweis' Kampf um Hygiene: Wie Händewaschen Leben rettet

Händewaschen rettet Leben:Ignaz Semmelweis und der Kampf um Hygiene

von Robin Marco Cid Serwe
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Ein Arzt rettet mit der Einführung der Handdesinfektion Tausenden das Leben. Doch Kollegen verspotten ihn. Der Kampf von Ignaz Semmelweis um Anerkennung endet mit einer Infektion.

Ein Mann und ein Kind waschen sich gemeinsam die Hände.

Arsen, Schlangengift, Pestizide - tödliche Substanzen, die Forschende das Leben kosteten. Doch Ihre Erkenntnisse leben weiter und prägen die Wissenschaft bis heute.

24.09.2025 | 43:38 min

Im 19. Jahrhundert waren Krankenhäuser Todesfallen. Besonders auffallend: Viele Frauen starben nach der Geburt am sogenannten Kindbettfieber (Puerperalfieber). Der junge ungarische Arzt Ignaz Semmelweis erkannte das Unfassbare - die Ansteckung ging von den Ärzten selbst aus.

Ein Bild von Ignaz Semmelweis ist in einer Vignette eingerahmt.

Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis setzte sich für mehr Hygiene in Krankenhäusern ein.

Quelle: ZDF

Als Semmelweis 1846 im Allgemeinen Krankenhaus in Wien eine Stelle als Assistenzarzt auf der Geburtsstation antrat, beobachtete er, dass innerhalb von nur einem Monat jede sechste frisch entbundene Mutter starb. Er war von der Situation schockiert und suchte nach der Ursache der Erkrankung.

Ein Kind zur Welt zu bringen, ist genauso gefährlich wie eine Lungenentzündung ersten Grades.

Ignaz Semmelweis, Arzt, aus Tagebucheintrag von 1846

Mediziner bringen Leichen-Partikel in Kreißsäle

Semmelweis verglich daraufhin die beiden Geburtsstationen des Krankenhauses: eine wurde von Hebammen geleitet, die andere von Ärzten. Er bemerkte, dass auf der Hebammenstation deutlich weniger Frauen starben. Außerdem stellte er fest: Ärzte sezierten Leichen, nicht selten kurz vor einer Entbindung.

Semmelweis vermutete daher, dass Studierende und Mediziner Partikel von den Leichen in die Kreißsäle einschleppten. Seine Lösung: gründliches Händewaschen mit Chlorkalk. Eine einfache Maßnahme - heute selbstverständlich, früher revolutionär. Das Ergebnis war bahnbrechend. Die Sterblichkeit unter den Müttern sank von 17 auf unter zwei Prozent.

Die sechsteilige Doku-Reihe "Wissenschaft extrem" erzählt Semmelweis' dramatische Geschichte - und blickt auf weitere Revolutionäre der Wissenschaft. Ihre Erkenntnisse bezahlten sie oft mit ihrem Leben. Doch die Wissenschaft profitiert noch heute von ihrem Mut. Zu sehen am 2. Oktober ab 20:15 Uhr oder jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.


Nach dem Toilettengang
:Fast die Hälfte wäscht die Hände nicht

Nur gut jeder zweite Mensch wäscht sich die Hände, nachdem er auf Toilette war. Das haben britische Forscher erhoben - ausgerechnet in einem Krankenhaus.
Nordrhein-Westfalen, Köln: Kinder waschen sich in einer Kindertagesstätte die Hände mit Seife.

Widerstand der Ärzte gegen das Händewaschen

Trotz der überzeugenden Ergebnisse wollten viele Ärzte ihre gewohnten Praktiken nicht ändern. Der amerikanische Arzt und Geburtshelfer Charles Delucena Meigs fasste den damaligen Zeitgeist treffend zusammen:

Die Hände eines Gentleman sind sauber.

Charles Delucena Meigs, Arzt und Geburtshelfer

Semmelweis wurde diffamiert, sein Arbeitsvertrag in Wien nicht verlängert. Er kehrte zurück nach Ungarn, wo man seine Forschung anerkannte. Sein Hauptwerk von 1861, zur Ursache des Kindbettfiebers und der Prophylaxe durch Händedesinfektion, blieb indes international unbeachtet.

Der Arzt verzweifelte und verfiel dem Alkohol. Unter der Nichtbeachtung seiner Erkenntnisse zur Hygiene litt Semmelweis psychisch. Er wurde schließlich in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Nach nur zwei Wochen dort starb der revolutionäre Mediziner 1865 mit 47 Jahren - offiziell an einer Blutvergiftung.

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Späte Anerkennung der Hygienemaßnahme

Heute gilt Semmelweis als Wegbereiter der modernen Medizin. Seine Erkenntnisse zur Hygiene lieferten wichtige Hinweise zur Entwicklung der Keimtheorie. Darauf aufbauend entwickelte der englische Chirurg Joseph Lister die antiseptische Chirurgie, mit der Millionen Leben gerettet werden konnten.

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Quelle: dpa

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