Thyssenkrupp: Das sind die Pläne vom größten Stahlunternehmen
Neue Pläne des Vorstands:Thyssenkrupp: Was vom Stahl noch übrig bleibt
von Ralph Goldmann
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Deutschlands größtes Stahlunternehmen Thyssenkrupp will sich neu aufstellen. Arbeitnehmer fürchten eine Zerschlagung, Jobverlust und Standort-Schließungen.
Thyssenkrupp plant einen radikalen Umbau. Das Unternehmen soll in eine Holding umgewandelt werden, alle Geschäftsbereiche verselbstständigen und für Dritte öffnen, um eine strategische Neuausrichtung zu erreichen.27.05.2025 | 1:48 min
Am Tag, nachdem die neuesten Pläne von Thyssenkrupp-Vorstand Miguel López in der Zeitung standen, steht Dirk Riedel vor Tor 1 des Duisburger Stahlwerks und redet sich in Rage. Vor mehr als 300 Tagen haben sie hier eine Mahnwache eingerichtet, als bekannt wurde, dass ein tschechischer Investor Teile des Stahlgeschäfts übernehmen will. Damals wie heute fühlte sich die Belegschaft schlecht informiert:
Das ist die Mitbestimmungs-Ära unter López, das sind wir so gewohnt. Seit der da ist, kriegen wir Informationen eher über Fifi-TV, bevor wir von ihm informiert werden.
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Dirk Riedel, Betriebsrat und Gewerkschafter bei Thyssenkrupp Steel
Der Konzern reagierte auf die Medienberichte und präzisierte die Pläne: Man wolle die einzelnen Geschäftsbereiche unter dem Dach einer Finanzholding "verselbstständigen und für die Beteiligung Dritter", also für Investoren und Börsengänge öffnen. Man strebe dabei aber an, "grundsätzlich Mehrheitsbeteiligungen an den Geschäftsbereichen zu halten", also größter Aktionär bleiben zu wollen.
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Die Tatsache, dass im Pressetext auch das Wort "grundsätzlich" steht, treibt dem Betriebsrat die Sorgenfalten auf die Stirn. Die Angst vor Entlassungen und Schließungen ganzer Standorte geht um:
Einer Zerschlagung werden wir uns entschieden entgegenstellen. Betriebsbedingte Kündigungen müssen ausgeschlossen werden.
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Pressemitteilung von IG Metall und Thyssenkrupp-Betriebsrat
Thyssenkrupp trennte sich von Unternehmensteilen
Doch was bedeuten die Pläne der Thyssenkrupp AG, die als Holding über den einzelnen Bereichen steht, konkret? Nach der Fusion von Thyssen und Krupp 1999 hatte das Unternehmen noch etwa 173.000 Beschäftigte und produzierte vor allem Stahl. Doch die Bilder von Arbeitern in silbernen Schutzanzügen vor lodernden Hochofen-Feuern beschreiben den Konzern heutzutage nur noch unzureichend.
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Inzwischen ist die Thyssenkrupp AG ein Gemischtwarenladen mit nur noch knapp 96.000 Beschäftigten. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich die AG von Unternehmensteilen getrennt. Die Aufzugs-Sparte Elevators wurde für mehr als 17 Milliarden Euro verkauft, der Anlagenbauer Nucera an die Börse gebracht.
Es hört sich an wie was Neues, aber wenn man die letzten Jahre zurückschaut, ist dieser Prozess der Zerschlagung oder der Auflösung schon länger im Gange.
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Marc Tüngler, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
Was an die Börse gebracht werden soll
Dieser Trend setzt sich jetzt fort. Der tschechische Investor soll im Laufe des Jahres seine Anteile an der traditionellen Stahlsparte von 20 auf 50 Prozent aufstocken. Vergangenen Herbst wurde bekannt, dass Vorstandschef López bis 2030 von derzeit noch 27.000 Stahl-Arbeitsplätzen 11.000 auslagern und Teile davon im schlimmsten Fall ganz streichen will. Die Produktion soll deutlich heruntergefahren werden.
600 Mitarbeiter des Thyssenkrupp-Werks bei Siegen fürchten um ihre Jobs. Jetzt wird demonstriert, mit Unterstützung aus ganz NRW. Die Stimmung: geladen, aber auch ängstlich. 12.12.2024 | 2:00 min
Jetzt sind auch die anderen vier Segmente dran: Der florierende U-Boot- und Schiffsbauer Marine Systems (6.500 Beschäftigte), der 70 Prozent der nichtnuklearen U-Boot-Flotte der Nato liefert, bereitet sich auf einen Börsengang vor, während Europa seine Militärausgaben erhöht. Die Auftragsbücher sind voll. Ebenfalls an die Börse gebracht werden sollen:
der Werkstoffhandel Material Services mit 16.000 Beschäftigten
der schwächelnde Automobilzulieferer Automotive Technology (31.000 Beschäftigte)
Decarbon Technology, der mit 12.700 Beschäftigten Technologien zur CO2-Reduktion entwickelt
Experten sehen Chancen
Experten streiten sich jetzt darüber, ob man das ganze nun Umbau, Neuausrichtung oder Zerschlagung nennen soll, was am Ende vom Kerngeschäft noch übrigbleibt und wie viele Arbeitsplätze dabei, vor allem in der Verwaltung, auf dem Spiel stehen.
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In den Plänen sehen Experten jedenfalls durchaus Chancen: Die fünf Bereiche würden geführt "in eigenen Einheiten mit eigener Verantwortung mit anderen Eigentümern", sagt Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Und sie sind damit natürlich auch fokussiert und vielleicht sogar erfolgreicher als heute.
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Marc Tüngler, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
Ohne Stahl keine Panzer - und ohne Panzer steht die EU-Verteidigungsfähigkeit auf der Kippe. Deshalb hat die EU jetzt einen Aktionsplan Stahl initiiert. An dem gibt es aber Kritik.
von Lara Wiedeking und Anna Pettini
mit Video
Man wolle einer "sinnvollen strategischen Neuausrichtung nicht im Wege stehen", teilten die Gewerkschaft IG Metall und der Gesamtbetriebsrat mit. Was man vor allem wolle, sei Transparenz und Sicherheit:
Es ist ja nicht so, dass wir als IG Metall irgendwo auf den Bäumen schlafen und alles boykottieren müssen, sondern es muss immer sozialverträglich passieren. Das ist die DNA der IG Metall.
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Dirk Riedel, Betriebsrat und Gewerkschafter bei Thyssenkrupp Steel
Im vergangenen Geschäftsjahr hat die AG mit ihren fünf Teilbereichen 1,5 Milliarden Euro Verlust eingefahren. Die Gründe dafür sind vielfältig, auch hausgemacht. Miguel López muss das Ruder herumreißen. Bei der nächsten Aufsichtsratssitzung muss er den Arbeitnehmervertretern erklären, wie das gelingen soll.