Nach dem Wohnmobil-Boom:Caravaning-Branche: Opfer des eigenen Erfolgs
von Frank Bethmann
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Die Nachfrage nach Reisemobilen ist zwar groß, trotzdem sind die Lager voll. Eine Folge des zu schnellen Wachstums. Nun winken Rabatte, zahlreiche Fahrzeuge sind dennoch zu teuer.
Die deutsche Caravan-Branche kämpft mit Überproduktion und Insolvenzen.
Quelle: dpa
Frühlingszeit ist Caravaning-Zeit. Für die Branche ist jetzt Hauptsaison. "Eine enorme Nachfrage nach Wohn- und Reisemobilen" gebe es immer im Februar, März, April und Mai, sagt Stephan Lützenkirchen.
Mit seiner GSR-Unternehmensberatung beobachtet er den Markt fürs Camping mit Wohnmobilen und Anhängern seit Jahren, betreibt Marktforschung und beschreibt die aktuelle Stimmung der Branche mit fünf Worten:
Die Zeichen stehen auf Konsolidierung.
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Stephan Lützenkirchen, Branchenkenner für Caravaning
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Branchenkenner: Caravaning-Krise hausgemacht
Die erfolgsverwöhnte Caravaning-Industrie steckt in einer kleinen Krise. Und die sei in weiten Teilen hausgemacht, sagt Branchenkenner Lützenkirchen. Die Hersteller und Händler blicken auf Boomjahre zurück, die ihren Anfang in den Jahren der Corona-Pandemie nahm. Als Flugzeuge nicht mehr fliegen und Hotels kaum noch Gäste bewirten durften, entdeckten nicht nur die Deutschen ihre Liebe zum Outdoor-Urlaub mit dem Wohnmobil.
"Die Nachfrage explodierte, die Preise explodierten", berichtet Lützenkirchen. "Das hat dazu geführt, dass die ohnehin schon mit Wachstum planende Branche gesagt hat, wir müssen noch größer denken. Wir müssen noch mehr produzieren."
Die Hersteller bauten ihre Fertigungen aus. Es gab Fusionen. Einer der Großen, der renommierte Wohnwagenbauer Knaus Tabbert, ging sogar an die Börse, um frisches Kapital für die Expansionspläne einzusammeln.
Hersteller kämpfen mit Überkapazitäten und Insolvenzen
Doch nach mehr als einer Dekade permanenten Wachstums haben Hersteller und Händler nun ein Problem: Überkapazitäten. Zu viele Fahrzeuge, die nicht verkauft werden können, aber Geld kosten. Insbesondere die Finanzierung der Lagerstände bei gleichzeitig gestiegenen Zinsen stelle eine große Last dar, erklärt Lützenkirchen.
Mehreren großen Vermietern von Reisemobilen, sehr wichtig für die Urlaubs- und Freizeitbranche, ging zuletzt das Geld aus. Mit Camper Base meldete auch ein namhafter Händler Insolvenz an. Nicht zuletzt hat Knaus Tabbert aktuell schwer zu kämpfen und klagt über einen gewaltigen Umsatzeinbruch.
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Zu den Fehleinschätzungen bezüglich der Marktentwicklung gesellt sich ein weiterer Kardinalfehler: Der Kunde stehe nicht mehr im Mittelpunkt, sagt Lützenkirchen und beruft sich auf Marktforschungsergebnisse.
Die Händler würden sich noch immer auf den Erfolgen der vergangenen Jahre ausruhen und sich nicht so um die Kunden bemühen, wie es inzwischen wieder nötig sei. Da aber würden einige gerade dazulernen.
Steigende Neuzulassungszahlen: Hoffnung auf Trendwende
Dass die mittel- und längerfristigen Aussichten für die Branche trotzdem gut sind, davon geht der Caravaning Industrie-Verband (CIVD) aus. CIVD-Geschäftsführer Daniel Onggowinarso sagt:
Das Interesse an der Urlaubsform Caravaning ist weiterhin sehr groß.
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Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer Caravaning Industrie Verband
"Diesen Trend bestätigen die Neuzulassungszahlen bei Privatkunden, die im ersten Quartal über dem Vorjahresniveau liegen", so Onggowinarso. Es geht also wieder aufwärts.
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Dennoch bleibt das derzeit größte Problem: die vielen nicht verkauften Fahrzeuge. Und was macht man, fragt Unternehmensberater Lützenkirchen rhetorisch, wenn man zu viel Ware hat?
Man drückt die Preise. Das versuchen derzeit alle. Dadurch haben wir jetzt eine Rabattschlacht am Markt.
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Stephan Lützenkirchen, Branchenkenner für Caravaning
Der CIVD bestätigt: Viele Fahrzeughersteller haben jetzt im Frühjahr zahlreiche Sonderaktionen und Angebote im Programm.
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Preisniveau trotz Rabatten weiter hoch
Es komme allerdings auch darauf an, was man suche, schränkt Lützenkirchen ein. Bei Luxusmobilen oder den beliebten kompakten Camper-Vans fallen die Preisnachlässe, wenn überhaupt, eher gering aus. Anders sehe das im Kastenwagenbereich aus, darunter fallen beispielsweise Wohnmobile auf Basis des Mercedes Sprinters oder des Fiat Ducatos. Diese würden, so der Fachmann, derzeit im großen Stil angeboten.
"Hier sehen wir Abschläge von 20 Prozent und mehr. Sie kriegen schon sehr attraktive Preise", so der Branchenkenner, fügt dann aber einen entscheidenden Halbsatz an: "gemessen an den heutigen Listenpreisen." Mit den aktuellen Rabatten entspreche das den normalen Preisen von vor drei Jahren.
Das Preisniveau ist derzeit zu hoch.
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Stephan Lützenkirchen, Marktexperte für Caravaning
Noch immer eine Folge der zurückliegenden Boomjahre, als Händlern die Fahrzeuge praktisch aus der Hand gerissen wurden. Diese Zeiten aber sind - vorerst - vorbei.