Dass Antidepressiva während der Einnahme unter anderem als Nebenwirkung eine Minderung oder gar einen Verlust der Libido verursachen können, ist bekannt. Allerdings kann dieser Zustand auch nach Absetzen der Medikamente anhalten.
Jahrelang galten selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) zur Therapie beispielsweise bei Depressionen als besonders verträglich. Nebenwirkungen wie Libidominderung oder Libidoverlust können zwar auftreten, allerdings gingen Ärzte bisher offenbar davon, dass die Beschwerden nach Absetzen des Medikamentes rasch abklingen, sodass bei anhaltenden Beschwerden die Antidepressiva nicht als mögliche Auslöser in Betracht gezogen wurden.
Allerdings können diese Nebenwirkungen bei manchen Patienten trotz Absetzen des Medikamentes bestehen bleiben. Dieses Phänomen wird auch als (engl.) Post-SSRI sexuelle Dysfunktion – kurz PSSD – bezeichnet. Wie viele Patienten und Patientinnen davon betroffen sind, ist unklar.
Männer und Frauen können von den Spätfolgen nach der Einnahme bestimmter Antidepressiva gleichermaßen betroffen sein. Dazu zählen dauerhaft verminderte Libido, Orgasmus- und Ejakulationsstörungen sowie Impotenz. Die Nebenwirkungen können Patienten in ihrer Lebensfreude und ihrem Liebesleben stark einschränken. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite der PSSD Hilfe Deutschland e.V..
Im britischen Wales forscht der Psychiater Prof. David Healy zu unbekannten Nebenwirkungen durch Antidepressiva.
„In den meisten westlichen Ländern nimmt ungefähr jeder zehnte Antidepressiva – neunzig Prozent von ihnen länger als ein Jahr. Es kann gut sein, dass bei gerade mal der Hälfte von ihnen danach wieder alles normal funktioniert. Und es kann sein, dass es Patienten gibt, die während der Einnahme nur ein kleines Problem haben – das dann sehr viel ernster wird, nachdem sie die Pillen absetzen.“
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Prof. David Healy - Psychiater, Bangor University
Wichtig ist: Nicht alle Patienten, die Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI und SNRI einnehmen, sind automatisch von diesen lang anhaltenden Nebenwirkungen betroffen. Prof. Healy hat bislang über 200 Fälle von sexuellen Langzeitstörungen dokumentiert und zusammen mit anderen Wissenschaftlern eine Petition bei der Europäischen Medizin-Agentur (EMA) eingereicht. Im Juni dieses Jahres hat die EMA einen Zusammenhang zwischen bestimmten Antidepressiva und lang anhaltenden sexuellen Funktionsstörungen anerkannt und fordert die Hersteller nun auf, künftig entsprechende Warnhinweise in ihre Beipackzettel aufzunehmen.
Bei Depressionen ärztliche Hilfe suchen
Bei Anzeichen für eine Depression sollten Betroffene zunächst den Hausarzt aufsuchen. Dieser kann feststellen, ob weitere Schritte eingeleitet werden müssen und den Patienten an einen Facharzt überweisen. Weitere Anlaufstationen für Betroffene sind die sozialpsychiatrischen Dienste der Gesundheitsämter, darüber hinaus Ärzte, die sich mit psychischen Erkrankungen beschäftigen. Dazu zählen Fachärzte für Psychiatrie oder Neurologen.
Eine Depression kann heute meist erfolgreich behandelt werden. Bei leichten Formen reicht häufig schon eine Psychotherapie aus. In mittleren und schweren Fällen dagegen müssen in der Regel zusätzlich Medikamente eingesetzt werden. Die Behandlung einer Depression wird immer individuell auf den Patienten abgestimmt. In manchen Fällen kann auch ein stationärer Aufenthalt notwendig werden.