Über 13.000 Gutachten haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung 2017 bundesweit erstellt. Jeder vierte Verdacht hat sich bestätigt. Wie repräsentativ sind diese Zahlen?
Menschen machen Fehler. Doch manche Fehler können schwer wiegende Folgende haben, vor allem dann, wenn sie Ärzten unterlaufen. Am 5. Juni 2018 veröffentlichte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) seine neusten Zahlen zur Behandlungsfehler-Begutachtung 2017. Das Ergebnis: In knapp jedem vierten Fall wurde der Fehler bestätigt. Genauer noch: in jedem fünften Fall stellten sie fest, dass die Schädigung des Patienten durch den Fehler verursacht wurde.
Patienten haben Anspruch auf eine ärztliche, zahnärztliche und pflegerische Behandlung, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin gegen die Verpflichtung, die hieraus erwächst, verstößt, d.h. die Behandlung nicht angemessen, sorgfältig, richtig oder zeitgerecht durchführt, dann ist dies ein Behandlungsfehler. Der Begriff umfasst unterschiedliche Arten von ärztlichem Fehlverhalten. So kann ein Behandlungsfehler unter anderem vorliegen, wenn eine Behandlung nicht den aktuellen medizinischen Standards entspricht, wenn eine eigentlich gebotene medizinische Behandlung unterlassen, eine unnötige durchgeführt oder wenn eine Diagnose trotz eindeutiger Hinweise nicht gestellt wird. (Quelle: MDK)
Weiterhin lässt sich die Anzahl der Gutachten von 13.519 in die verschiedenen medizinischen Bereiche aufteilen. Die meisten Fälle kommen mit einem Anteil von 31 Prozent aus der Orthopädie und Unfallchirurgie:
Verteilung der Behandlungsfehlervorwürfe auf Fachgebiete
Fachgebiet
Anzahl der Fälle
Festgestellte Fehler
Orthopädie und Unfallchirurgie
4.250 (31 %)
26,2 %
Innere Medizin und Allgemeinmedizin
1.746 (13 %)
23,8 %
Allgemein- und Viszeralchirurgie
1.203 (9 %)
25,2 %
Zahnmedizin
1.150 (8 %)
35,2 %
Frauenheilkunde und Geburtshilfe
1.041 (8 %)
27 %
Pflege
663 (5 %)
49,8 %
27 weitere Fachgebiete
3.466 (26 %)
26,8 %
In der aktuellen Begutachtungsstatistik der MDK-Gemeinschaft betrafen zwei Drittel der Vorwürfe Behandlungen im Krankenhaus. Ein Drittel der Vorwürfe bezog sich auf Behandlungen durch eine ärztliche Behandlung in einer Praxis.
Wie hoch ist die Dunkelziffer?
Es handelt sich bei der Erhebung der MDK lediglich um die Fälle, die auch bei Krankenkassen gemeldet wurden. Daten von Krankenhäusern, Ärzten, Haftpflichtversicherungen und Gerichten sind hierbei nicht berücksichtigt. Daher ist die Statistik nur als Ansatz zu sehen.
Die in Deutschland verfügbaren Daten zu Behandlungsfehlern sind nicht repräsentativ für das Fehlergeschehen und erlauben daher kaum Rückschlüsse auf die Patientensicherheit.
„
Dr. Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen)
Eine Dunkelziffer von nicht erfassten Behandlungsfehlern ist daher wahrscheinlich. Erst, wenn alle Behandlungsfehler bundesweit systematisch erfasst werden, lassen sich echte Schlüsse ziehen, die zur Fehlervermeidung beitragen können.
Eine scheinbar positive Tendenz: Die Anzahl jährlich begutachteter Fälle ist seit 2016 um rund 1.500 zurückgegangen, waren es bei der letzten Erhebung noch 15.094 Fälle, die bei den Krankenkassen gemeldet wurden. Wie beruhigend diese Nachricht allerdings wirklich ist, bleibt vorerst unklar, solange es keine repräsentativere Statistik gibt.
Krankenkassen sind durch das Patientenrechtegesetz (in Kraft seit 2013) zur Unterstützung der Versicherten verpflichtet. Daher werden Vorwürfe von Behandlungsfehlern im Auftrag der Krankenkassen durch Gutachterteams des MDK analysiert. Den Versicherten entstehen durch so ein Gutachten keine Kosten. Die Gutachter prüfen, ob die Behandlung nach anerkannten medizinischen Standards erfolgt ist. Liegt ein Behandlungsfehler vor, wird weiterhin geprüft, ob der Schaden, den der Patient erlitten hat, durch diesen Fehler verursacht worden ist. Schadensersatzforderungen sind nur aussichtsreich, wenn eine solche Kausalitätskette vorliegt. Auf der Basis des Gutachtens kann der Patient entscheiden, welche weiteren Schritte er unternimmt.
Verdacht auf Behandlungsfehler?
Hat man selbst den Verdacht, Opfer eines Behandlungsfehlers zu sein, kann man sich an folgende Stellen wenden:
- Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland bietet neutrale Beratung für Patienten an - Gesetzliche Krankenkassen - Ärztliche Schlichtungsstellen bei den Landesärztekammern - Fachanwälte für Medizinrecht - Verbraucherzentrale