Füchse und SCM domineren: Wie der THW Kiel seinen Nimbus verlor
Füchse und SCM kämpfen um Titel:Wie der THW Kiel seinen Nimbus verlor
von Erik Eggers
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Wenn am Sonntag Berlin und Magdeburg um die Meisterschaft kämpfen, unterstreicht das die neuen Machtverhältnisse im Handball: Kiel hat seine langjährige Vorherrschaft verloren.
Mitte April verliert der THW Kiel das Top-Spiel gegen die Füchse Berlin. Kiels Kreisläufer Patrick Wiencek verzweifelt.
Quelle: firo Sportphoto | Jürgen Fromme
Die Erleichterung war Bennet Wiegert anzusehen. "Jeder in der Liga weiß, was die Champions League-Teilnahme bedeutet", sagte der Trainer des SC Magdeburg, nachdem sein Team am Mittwoch mit dem 35:28-Heimsieg gegen Flensburg den Einzug in die Königsklasse perfekt gemacht hatte.
Auf ein weiteres Jahr in der Champions League dürfen sich auch die Füchse Berlin freuen, die vor dem Bundesliga-Saisonfinale am Sonntag mit 56:10-Punkten einen Punkt vor Magdeburg die Tabelle anführen. Da sie über die bessere Tordifferenz verfügen, genügt ein Remis im Auswärtsspiel bei den Löwen für den ersten Meistertitel (der SCM tritt in Bietigheim an).
Die Champions League als Finanzquelle
Wer auch immer zu Meisterehren kommt: Finanziell bedeutender ist die Qualifikation für den wichtigsten europäischen Wettbewerb, da damit insbesondere durch Ticketing-Erlöse in Höhe von minimal einer Million Euro verbunden sind.
Notfalls könne man für ein Jahr auf einen Meistertitel verzichten, meinte einst Alfred Gislason, als er noch als Coach des THW Kiel amtierte. Aber eben nicht auf die Zusatzeinahmen aus der Königsklasse.
Mit dem 45:35 gegen Gummersbach sind die Füchse Berlin nur noch einen Sieg vom Gewinn der Meisterschaft entfernt. Gefeiert wurde aber schon am Donnerstag: Das Karriereende von Paul Drux.06.06.2025 | 1:18 min
Nun verpassten die "Zebras", die sich in den vergangenen 30 Jahren zum Branchenführer aufschwangen und durch eine lange Meisterserie das Image vom FC Bayern München des Handballs aufbauten, den Einzug in die Champions League aber schon zum zweiten Mal in Folge.
Während die Klubs in der Handball-Bundesliga seit 2018 ihre Umsätze um circa 50 Prozent steigerten, wuchs der Etat des THW Kiel bis 2022/23 (14,35 Millionen Euro) um weniger als sieben Prozent. "Die Liga ist deutlich zusammengerückt", sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann:
Bei einigen Klubs gibt es eine dynamische Entwicklung. Bei anderen stagniert sie.
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HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann
Neben dem SC Magdeburg, der ungewöhnlich viele Sponsoren anlockt, und den Füchsen Berlin kann auch die MT Melsungen längst mit dem THW Kiel mithalten. Auch der VfL Gummersbach und vor allem die TSV Hannover-Burgdorf, die mit über 9.100 Fans einen Zuschauerrekord feierten, können inzwischen mit den Kielern konkurrieren. Kein Zufall, dass ein begehrter Spieler wie Justus Fischer in Hannover bleibt.
Die Füchse Berlin haben beim THW Kiel ihre Meisterschaftsambitionen in der Handball-Bundesliga untermauert. Die Hauptstädter setzten sich beim Rekordmeister nach großem Kampf mit 36:34 durch.17.04.2025 | 0:52 min
Hannover feiert Zuschauerrekord
Wie sehr sich die Machtverhältnisse in der Bundesliga verschoben haben, erlebt auch die SG Flensburg-Handewitt, die sich in der Zeit nach dem Jahr 2000 mit Kiel ein heißes Duell lieferte. Der Etat der Flensburger gibt es zwar her, Stars wie Weltmeister Simon Pytlick zu finanzieren. Doch im Wettbieten um den deutschen Nationalmannschaftskapitän Johannes Golla unterlag die SG den Melsungern, für die Golla ab der Saison 2026/27 spielen wird.
Wie heikel sich die Lage für den langjährigen Branchenprimus THW Kiel darstellt, unterstreicht die Tatsache, dass der Klub seine Gesellschafterversammlung in diesem Jahr auf Anfang April vorzog. Das gezeichnete Kapital der KG, ursprünglich rund vier Millionen, war da fast aufgebraucht.
Eine Currywurst inmitten der Fans. Handshake mit dem Kapitän. Autogramme für jeden. Beim Handball-Bundesligisten MT Melsungen ist in den vergangenen Jahren etwas zusammengewachsen.20.05.2025 | 2:01 min
Kapitalerhöhung in Kiel
Abgepuffert wurde die Krise dadurch, dass die Betreiber der THW-Spielstätte auf einen Teil der Miete verzichteten. Auch schossen Gesellschafter knapp eine Million Euro nach und stimmten für eine Kapitalerhöhung um drei Millionen Euro.
Zuvor hatte THW-Sportgeschäftsführer Viktor Szilagyi schon eingeräumt, im Sommer 2024 mit der Verpflichtung von Star-Torwart Andreas Wolff "über Budget" investiert zu haben. Mit Wolff im Tor sei das Team viel stärker, glaubte Szilagyi im September.
Das war eine Fehleinschätzung. Tatsächlich ist das neuerliche Verpassen der Champions League ein weiteres Indiz dafür, dass die Alleinherrschaft der Kieler beendet ist.