Handball-Bundesliga: Füchse gegen Melsungen

Die Tränen waren schnell getrocknet. Nach dem verlorenen Halbfinale in der European League am Samstag gegen Flensburg (34:35 nach Verlängerung) hatte die MT Melsungen schon am Sonntag wieder in den Modus Bundesliga geschaltet.

"Unser Fokus liegt voll auf Donnerstag", sagte MT-Aushilfstorwart Carsten Lichtlein. Wird doch heute in der Partie Füchse Berlin gegen Melsungen mit einiger Wahrscheinlichkeit über den deutschen Meister der Serie 2024/25 entschieden. Beide Teams führen die Tabelle derzeit mit 50:10-Punkten an, mit nur einem Minuspunkt dahinter lauert Titelverteidiger SC Magdeburg.

"Das ist kein Endspiel", beharrte Melsungens Kapitän Timo Kastening in Hamburg zwar. Dafür sei die Bundesliga zu ausgeglichen, jedes Spiel ein harter Kampf. Aber nur der Sieger dieser Partie hat es danach in eigener Hand, etwas Historisches zu schaffen: Beide Klubs waren noch nie Deutscher Meister.

Es ist das Duell des torgefährlichsten Teams (Füchse) gegen Abwehrbeton (Melsungen). Zwar besagt eine Weisheit des Mannschaftssports, dass die Defensive Meisterschaften gewinne. Aber die Füchse haben im aktuellen Welthandballer Mathias Gidsel den überragenden Offensivspieler in ihren Reihen. "Was Gidsel in dieser Saison spielt, ist unglaublich", lobt etwa Bundestrainer Alfred Gislason.

Linkshänder Gidsel scheint mit seinem Tempo und einem sensationellen Gefühl für die Situation nahezu durch die Abwehrreihen zu schweben. 234 Tore hat der 1,90 Meter lange Däne bereits in dieser Serie erzielt, bei einer sagenhaften Wurfquote von über 77 Prozent. Er sei nur dann halbwegs in den Griff zu bekommen, wenn man die Füchse durch schnellen Rückzug in das Positionsspiel zwinge, glaubt MT-Torwart Lichtlein: "Das wird unser Ziel sein."

Aber die Füchse verfügen nicht nur über Künstler wie Gidsel, sondern auch über Männer, die mit großer Leidenschaft im Deckungszentrum ackern. Einer von ihnen ist Mijajlo Marsenic.

Und diese Arbeiter würden zum Erfolg ebenso beitragen "wie alle anderen", betonte der hünenhafte serbische Kreisläufer. Auch dieser Mannschaftsteil muss jedenfalls funktionieren.

Soweit die mannschaftstaktischen Aspekte. Aber heute und wohl auch an den verbleibenden drei Spieltagen wird es insbesondere auf die Psyche ankommen. Bekanntlich sind im Angesicht eines großen Ziels die letzten Siege die schwersten. Dessen bewusst, hat MT-Kapitän Kastening den Füchsen schon mal die Rolle des Topfavoriten zugeschoben: "Wir haben in Berlin nichts zu verlieren."

Tatsächlich sind die Hauptstädter, die am Wochenende spielfrei waren, deutlich ausgeruhter als die Nordhessen. Die beiden dänischen Weltmeister Gidsel und Lasse Andersson sind auch großen Druck gewohnt. Aber wie kommen die jungen deutschen Profis, Mittelmann Nils Lichtlein oder Linksaußen Tim Freihöfer, mit den hohen Erwartungen zurecht? "Irgendwann werden die ins Nachdenken kommen", sagt Kastening und lächelt.

Bemerkenswerterweise sind die Töne aus Berlin in diesen Tagen recht leise. Von Geschäftsführer Bob Hanning, der sonst für Schlagzeilen garantiert, ist wenig zu hören. "Natürlich wächst die Anspannung mit jedem weiteren Sieg oder Spiel, weil es für uns um etwas geht und wir wirklich etwas gewinnen können", sagte Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar.