Trump verknüpft Paracetamol mit Autismus - Experten widersprechen

Faktencheck

Ärztin ordnet Trump-Aussagen ein:Autismus und Paracetamol: Kein Grund zur Panik

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von Nils Metzger
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Donald Trump bringt das Schmerzmittel Paracetamol mit Autismus in Verbindung. Eine Expertin warnt vor falschen Schlüssen. Was steckt dahinter und was sollten Schwangere beachten?

Donald Trump schaut kritisch aus dem Hintergrund zu Mehmet Oz

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte der US-Präsident bereits angekündigt, Autismus ins Visier zu nehmen.

Quelle: AFP

US-Präsident Donald Trump hatte einen medizinischen Durchbruch angekündigt; Klarheit, was Autismus auslöst und Gewissheit, wie man die Entwicklungsstörung künftig verhindern könne. Was am Montag bei seiner Ansprache im Weißen Haus folgte, waren unwissenschaftliche Mutmaßungen, Halbwahrheiten und das Befördern von Impfskepsis.

Ohne Belege dafür zu nennen, warnte Trump vor dem Schmerzmittel Paracetamol (in den USA als Tylenol bekannt). Der Gebrauch in der Schwangerschaft habe ein "erhöhtes Risiko für Autismus", die Einnahme von Tylenol sei "nicht gut".

Er wies die Arzneimittelbehörde FDA an, alle Ärzte in den USA über diese Gefahr hinzuweisen. Mit Blick auf die Bevölkerungsgruppe der Amischen wiederholte Trump eine seit Jahren immer wieder kursierende Falschbehauptung.

Da waren bestimmte Personengruppen, die sich nicht impfen und gar keine Pillen nehmen, die gar keine [Fälle von] Autismus haben. Was sagt euch das?

Donald Trump, US-Präsident

Als Autismus werden eine Reihe an angeborenen Störungen der Gehirnentwicklung bezeichnet, die sich ab frühester Kindheit in ganz verschiedenen Bereichen ausdrücken können. Das kann von Einschränkungen bei sozialer Interaktion, über Verhaltensweisen bis zur Wahrnehmung von Sinnesreizen reichen.

Im von der Weltgesundheitsorganisation verantworteten Krankheits-Register ICD gibt es seit den 1970er Jahren einen eigenen Eintrag, der seitdem mehrfach an neue Erkenntnisse angepasst und ausgebaut wurde.

Um die große Bandbreite an verschiedenen Ausprägungen und deren häufige Überschneidung zu betonen, sprechen Experten und Betroffene häufig von einem „Spektrum“. Die Bezeichnung „neurodivers“ versucht den Fokus zudem weniger auf die Behinderung zu legen.


Kann Paracetamol Autismus auslösen?

Einen so simplen kausalen Zusammenhang zwischen Paracetamol und Autismus, wie ihn Trump und sein Gesundheitsminister Robert F. Kennedy am Montag suggerierten, gibt es nach übereinstimmendem Expertenkonsens nicht - insbesondere nicht bei einer korrekten und mit Ärzten abgestimmten Dosierung von Paracetamol während der Schwangerschaft.

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"Die Risikofaktoren für Autismus sind durch die Forschung schon gut aufgeklärt. Im Zentrum stehen genetische Risikofaktoren", betont Christine Freitag, Professorin für Kinder und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Sie leitet die Fachklinik mit Fokus auf Autismus am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

"Toxische Substanzen während der Schwangerschaft können in Interaktion mit der individuellen Genetik das Risiko etwas weiter erhöhen. Dieses Risiko ist bei verschiedenen Medikamenten durch Studien belegt, nun womöglich auch für Paracetamol. Das gilt nicht nur für Autismus, sondern für neuronale Entwicklungsstörungen insgesamt - von Sprachstörung über ADHS bis Intelligenzminderung. Aber auch das ist nichts grundlegend Neues", erklärt Freitag mit Blick auf die aktuelle Studienlage gegenüber ZDFheute.

Das sind rein statistische Aussagen. Was man nicht sagen kann: Das Kind bekommt Autismus, wenn XYZ passiert. 'Von einer Tablette bekommt mein Kind sicher Autismus' - so eine Aussage löst Panik aus und ist eindeutig falsch.

Christine Freitag, Universitätsklinikum Frankfurt am Main

Der amerikanische Gynäkologen-Fachverband bezeichnete Trumps Warnungen als "verantwortungslos". Diese sendeten eine schädliche und verwirrende Botschaft an Schwangere. Die Society for Maternal-Fetal Medicine erklärte, dass unbehandelte Fieber in der Schwangerschaft, insbesondere im ersten Trimester, das Risiko für Fehlgeburten, Frühgeburten und andere Komplikationen erhöhen. Der Hersteller von Tylenol erklärte am Montag, dass er den Aussagen von Trump "entschieden widerspricht".






Präsident Donald Trump (links) steht neben Erika Kirk am Ende einer Gedenkfeier für ihren Ehemann, den konservativen Aktivisten Charlie Kirk, am Sonntag, 21. September 2025, im State Farm Stadium in Glendale, Arizona. (AP Photo/Julia Demaree Nikhinson)

Bei der Traumerfeier von Charlie Kirk hatte Trump eine große Ankündigung in Sachen Autismus angekündigt.

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Was sollte man bei der Einnahme von Paracetamol beachten?

Paracetamol ist in den USA wie in Deutschland ein seit Jahrzehnten zugelassenes und weit verbreitetes Medikament gegen Schmerzen und zur Fiebersenkung. In der aktuellen Diskussion geht es ausschließlich um die Einnahme während einer Schwangerschaft, Verwendungen in anderen Situationen sind nicht betroffen.

Neben dem klassischen Beipackzettel gibt es in Deutschland mehrere öffentlich zugängliche Datenbanken, über die sich Ärzte oder Apotheker über Wirkungen von Medikamenten informieren können. Je nach Tragweite der neuen Erkenntnisse kann es einige Zeit dauern, bis einzelne Studien dort einfließen, oder sich ein neuer Expertenkonsens bildet.

Die von der Charité gepflegte Datenbank Embryotox zu Medikamentenwirkung während Schwangerschaften stuft Paracetamol als "grün" ein, also "kein nennenswertes embryo- oder fetotoxisches Potential". Dennoch sollte ein Einsatz sorgfältig abgewogen werden und der Eintrag verweist auch auf in Fachkreisen kontrovers diskutierte "heterogene Ergebnisse" zu Auswirkungen auf Ungeborene.

Entwicklungsstörungen, wie Autismus und ADHS, wurden in Studien im Zusammenhang mit Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft diskutiert, aber ein kausaler Zusammenhang ist unklar und die Studienergebnisse sind umstritten.

Arzneimitteldatenbank "Gelbe Liste"

Das ebenfalls weitverbreitete Schmerzmittel Ibuprofen erhält bei Embryotox eine schlechtere Bewertung und sollte wegen bekannter Nebenwirkungen ab einem bestimmten Punkt der Schwangerschaft gar nicht eingesetzt werden.

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Wie die meisten Medikamente ist auch Paracetamol beim unsachgemäßen Einsatz nicht gänzlich ungefährlich. Das zeigt sich etwa beim jüngsten Trend gefährlicher Paracetamol-Internetchallenges. Hier können schwere Leberschäden die Folge sein. Christiane Freitag vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main rät:

Es ist grundsätzlich ein guter Ratschlag an Schwangere, nicht zu viele Schmerzmittel zu nehmen - auch wegen der Folgen für den eigenen Körper.

Christine Freitag, Universitätsklinikum Frankfurt am Main

Insgesamt könne sie beim Umgang mit Schmerzmitteln in der Schwangerschaft in Deutschland kaum ein Problem erkennen, sagt Klinikleiterin Freitag. "In Folge des Contergan-Skandals ist man da sehr vorsichtig. Alkohol in der Schwangerschaft ist ein viel größeres Problem."

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Warum gibt es gerade jetzt diese Meldungen aus den USA?

Bereits kurz nach Amtsantritt hatte US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy als Teil seiner "Make America Healthy Again"-Kampagne eine Untersuchung zu Autismus angekündigt.

Bis September werden wir wissen, was die Autismus-Epidemie verursacht hat. Und wir werden in der Lage sein, diese Gefahren zu eliminieren.

US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy im April

Seit Jahren bezeichnet Kennedy Autismus in den USA als "Epidemie" und machte neben Impfungen auch verschiedene Umwelteinflüsse als Ursache aus. Dabei stützte er sich teils auf wissenschaftlich wenig belastbare Quellen und umstrittene Aktivistenmeinungen. Als Gesundheitsminister wies er staatliche Einrichtungen wie die Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) an, innerhalb kürzester Zeit neue Erkenntnisse rund um Autismus aufzuzeigen.

Andere Bereiche der staatlichen Gesundheitsbehörden erleben seit Monaten drastische Kürzungen und eingestellte Forschungsprojekte. Gesundheitsexperten warnen deshalb davor, dass der Fokus auf Krankheitsbilder wie Autismus nicht nur Gutes, sondern auch Rückschritte in anderen Gesundheitsfragen bewirken könnte, etwa eine steigende Impfablehnung. Da Autismus primär genetisch bedingt ist und es eine ganze Reihe sekundärer Risikofaktoren gibt, ist unwahrscheinlich, dass der Fokus auf ein einzelnes Präparat die Zahl der Diagnosen nun deutlich senken kann.

"Neben Medikamenten gehören auch Umweltchemikalien oder Feinstaub etwa aus dem Autoverkehr dazu. Kleine Partikel wie die vom Reifenabrieb sind auch plazentagängig und erhöhen das Risiko für verschiedenste Entwicklungsstörungen", sagt Freitag. "Und während Trump nun so auf Paracetamol abhebt, hebelt er zeitgleich Umweltgesetze aus, die Umweltgifte begrenzen sollen."

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Nehmen Autismus-Fallzahlen tatsächlich zu?

Trump wie Kennedy sind von einer drastischen Zunahme der Fallzahlen überzeugt und stützen sich dabei auch auf Zahlen der US-Gesundheitsbehörde CDC. "Seit dem Jahr 2000 sind die Autismus-Raten um mehr als 400 Prozent gestiegen", sagte Trump am Montag. "Es waren mal eines von 20.000 [Kindern], dann eines von 10.000 und nun eines von 31."

Historische Vergleiche sind bei einem relativ jungen Krankheitsbild mit großen Veränderungen in den Diagnosekriterien schwierig. Expertin Freitag mahnt bei solchen Zahlen auch aus anderen Gründen zu Vorsicht:

Die internationale Studienlage zeigt, dass es keine Zunahme von Autismus gibt. Der Anteil bleibt recht stabil bei rund einem Prozent der Bevölkerung.

Christine Freitag, Universitätsklinikum Frankfurt am Main

"Dass die Diagnoseraten in den USA so steigen, liegt auch daran, dass Betroffene mit einer Autismus-Diagnose eine deutlich bessere Versorgung erhalten", sagt Freitag. "Es gibt einen starken materiellen Anreiz, die Diagnose zu stellen. Das erleben wir auch in Deutschland zunehmend."

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Welche Folgen könnten die Trump-Aussagen haben?

In den sozialen Medien nimmt Neurodiversität inzwischen viel Raum ein. Was für viele Betroffene eine wichtige Unterstützung im Umgang mit ihrer Erkrankung und Hilfe gegen Stigmatisierung ist, hat für behandelnde Ärzte teils auch problematische Folgen.

"In unserer Klinik erleben wir immer mehr Mädchen, die sich mit einer vermeintlichen Autismus-Diagnose aus dem Internet vorstellen", berichtet Freitag. "Teils stecken dahinter andere Krankheitsbilder wie Angststörungen oder Computerspiel- bzw. Mediensucht - die Bewältigung dieser Erkrankungen ist allerdings anstrengend und wird gerne vermieden.

Eltern suchen teils die Diagnose Autismus, wo eigentlich eine reine Intelligenzminderung vorliegt.

Christine Freitag, Universitätsklinikum Frankfurt am Main

In diese komplexe Gemengelage stoßen nun Trump und sein Minister Kennedy mit alarmistischen Aussagen zum Schmerzmittel Paracetamol. Statt Gewissheit könnten sie damit noch mehr Unsicherheit schaffen. Freitag warnt: "Wir haben ein großes Problem damit, dass sich Kinder wie Eltern verrückt machen lassen durch Informationen, die sie nicht richtig einordnen können."

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