35 Jahre nach Wiedervereinigung:Nach wie vor kaum Ostdeutsche in Top-Jobs
Noch immer kommen Führungspersönlichkeiten vor allem aus dem Westen, selbst im Osten. In manchen Branchen geht die Repräsentanz Ostdeutscher gar zurück. Eine Studie sucht Ursachen.
Laut aktuellem Elitenmonitor sind nur 12,1 Prozent aller Top-Positionen mit Ostdeutschen besetzt. Stark unterrepräsentiert sind sie im Militär, Medien und Wirtschaft. Wir zeigen Erfolgsgeschichten.
19.09.2025 | 2:37 minDie Zahl ostdeutscher Führungskräfte nimmt zu. Es geht allerdings nur sehr langsam voran.
Ein leichter Anstieg
Zwischen 2018 und 2024 stieg der Anteil Ostdeutscher in den obersten Führungsetagen insgesamt von 10,9 auf 12,1 Prozent. Dabei stellen gebürtige Ostdeutsche etwa 19 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Leipziger Elitenmonitor sieht also auch 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung eine deutliche Unterrepräsentanz Ostdeutscher.
Für die Studie, die die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser (CDU), heute in Berlin vorstellt, wurden bundesweit 4.100 Führungskräfte befragt.
Wo Ostdeutsche gar nicht nach oben kommen
Während in Politik, Verwaltung und Wissenschaft der Anteil Ostdeutscher an der Spitze in den vergangenen sechs Jahren zumindest etwas zugenommen hat, geht er in anderen Bereichen sogar zurück.
So sank der Wert in der Wirtschaft seit 2018 von 5,1 Prozent auf vier Prozent und in der Kultur von 9,3 auf 6,8 Prozent. In der Militärführung bleibt der Anteil hartnäckig einfach bei null Prozent.
"Netzwerke spielen eine große Rolle, gerade bei Elitepositionen", diese seien vor allem geprägt von westdeutschen Männern, so Ostdeutschland-Beauftragte Elisabeth Kaiser (SPD).
19.09.2025 | 6:16 minWesten hat weniger Problembewusstsein
Lars Vogel von der Universität Leipzig, einer der Studienleiter, sagt ZDFheute, in der Politik laufe der Elitenaustausch schneller ab, beschleunigt durch Wahlen. Im Militär dauerten dafür die Laufbahnen bis in die Elitenpositionen am längsten.
In der Wirtschaft spielt zudem eine Rolle, dass die Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen dort als weniger wichtig erachtet wird und es kaum Zentralen großer Unternehmen in Ostdeutschland gibt.
Lars Vogel, Universität Leipzig
Der Elitenmonitor hat die Führungskräfte an der Spitze auch selbst befragt und festgestellt: Die Unterrepräsentanz wird in Ost wie West zwar wahrgenommen, aber es stellt sich heraus, "dass die westdeutschen Eliten das Problem als weniger dringlich ansehen und mehrheitlich davon ausgehen, dass es sich von selbst erledigt", so Vogel.
Gemischte Bilanz nach 34 Jahren, trotz angeglichener Renten macht das Erstarken der AfD die Jobs für viele Fachkräfte unattraktiv.
25.09.2024 | 1:33 minMehrheit lehnt Quote ab - auch im Osten
In einer gesetzlichen Quote sehen die Eliten selbst mehrheitlich keine Lösung. Nur drei Prozent im Westen sind dafür, im Osten auch nur zwölf Prozent. In ihren Interviews mit Führungskräften und Recruitern fanden die Forscher heraus: Elitepositionen werden selten offen ausgeschrieben, sondern über Netzwerke und gezielte Ansprache vergeben.
Um gefragt zu werden, muss man solchen Netzwerken angehören. Und da hätten Ostdeutsche die schlechteren Ausgangsbedingungen, so Vogel. Zum einen seien sie tatsächlich etwas zurückhaltender, Netzwerke nach oben - also zu Chefs und Chefinnen - aufzubauen.
Zu wenig Identifikation mit der Nationalhymne, insbesondere im Osten, kritisiert Linken-Politiker Bodo Ramelow. Sein Vorschlag, über eine neue Hymne abzustimmen, stößt auf teils heftige Kritik.
07.09.2025 | 3:58 minOstdeutsche zurückhaltender im Netzwerken
Zum anderen könnten sie weniger auf Netzwerke ihrer Elterngeneration zurückgreifen. Im Osten gebe es weniger große Unternehmen und zentrale Institutionen, in denen Netzwerke in die Eliten beginnen.
Auch sind sie seltener Stipendiaten großer Stiftungen, was typische Netzwerkschmieden sind.
Lars Vogel, Universität Leipzig
An der Spitze der Medien ist der Anteil Ostdeutscher zuletzt von 8,4 auf 10,3 Prozent leicht gestiegen. Das dürfte wichtig sein, damit ostdeutsche Stimmen in der gesellschaftlichen Debatte mehr gehört und Vorbildgeschichten erzählt werden.
So wie die von Gesine Grande, der ersten ostdeutschen Präsidentin einer staatlichen Uni in Deutschland. Eines ihrer Erfolgskriterien sei für sie gewesen, dass sie früh auch im Westen gearbeitet habe.
Das versetzt mich heute in die Situation, dass ich das Ostdeutsche und das Westdeutsche beherrsche. Und das ist jedenfalls kein Nachteil.
Gesine Grande, Präsidentin der Uni BTU Cottbus-Senftenberg
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