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Zurückweisung von Asylsuchenden:Wie weiter an den Grenzen?
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Es ist nur eine Einzelentscheidung, mit der das Verwaltungsgericht Berlin die Zurückweisung dreier Somalier kassiert hat. Aber wie groß ist der grundsätzliche Symbolwert?
Alleine dreimal betont Alexander Dobrindt in seinem eilig angesetzten Statement das Wort "Einzelfallbeschluss". Als könnte er damit das Damoklesschwert, das jetzt endgültig über der neuen Zurückweisungspraxis von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen schwebt, weg argumentieren.
Fast trotzig stellt sich der Bundesinnenminister gegen den Eilbeschluss des Berliner Verwaltungsgerichtes, das die Bundesregierung jetzt im Falle von drei Somaliern verpflichtet, das sogenannte Dublin-Verfahren anzuwenden und dabei zu prüfen, welches Land für den Asylantrag zuständig sei.
Grundsätzlich, so Dobrindt, werde man bei der Praxis der Zurückweisungen bleiben.
Kampagne von Pro Asyl?
Im Verfahren, das die drei Somalier in Berlin angestrengt haben, wurden sie aktiv von Pro Asyl unterstützt. Das teilte die Organisation kurz nach der Verkündung durch das Gericht mit. Pro Asyl lehnt die neue Zurückweisungspraxis grundsätzlich ab, hält sie für rechtswidrig.
Pro Asyl sei "erleichtert, dass das Gericht den Betroffenen zu ihrem Recht verholfen hat", so Geschäftsführer Karl Kopp. Dobrindt habe "mit seinem nationalen Alleingang genug Leid für Schutzsuchende verursacht und außenpolitischen Schaden angerichtet". Pro Asyl sieht sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt, dass die Politik des Bundesinnenministers damit gescheitert ist.
Die drei Somalier, zwei Männer und eine Frau, versuchten laut Dobrindt bereits am 2. und 3. Mai, von Polen aus die deutschen Grenze zu überqueren, wurden aber zurückgewiesen. Das Wort Asyl sei nicht gefallen. Am 9. Mai versuchten die Drei mit einem Zug über Frankfurt/Oder einzureisen. Erst da sei ein Asylgesuch artikuliert worden, so Dobrindt.
Einzelfallentscheidung klingt wie Grundsatzurteil
Tatsächlich liest sich die Eilentscheidung des Gerichtes wie eine Grundsatzentscheidung. Dass andere Verwaltungsgerichte zu anderen Urteilen und Einschätzungen kommen könnten, kommt in der Begründung der 6. Kammer der Berliner Verwaltungsrichter nicht vor.
Kein Hinweis darauf, dass man allein im Falle der drei Somalier geurteilt hat und dass diese Entscheidung weder in einem anderen Fall, noch an an einer anderen deutschen Außengrenze die Bundesregierung jetzt bindet.
Auch die Feststellung des Gerichts, die Eilbeschlüsse seien "unanfechtbar", führt zu Verwirrung. Offenbar auch im Innenministerium. Auffällig betont Dobrindt, dass man nun ein Hauptsacheverfahren anstreben wolle, um auch die Begründung noch "dezidierter" zu unterfüttern. Erstaunlich, dass man in Deutschlands oberster Asylbehörde darauf erst nach der ersten juristischen Niederlage kommt.
Politisch unsichere Lage
Auch wenn Dobrindt ankündigt, dass die Praxis der Zurückweisungen unverändert weitergehen soll, ist durch die Berliner Entscheidung jetzt eine politische und rechtliche Unsicherheitslage insbesondere für die Bundespolizei entstanden. Dürfen sie Handlungen vornehmen, die möglicherweise rechtswidrig sind?
Der Migrationsexperte Gerald Knaus prophezeit im "Stern": "Alle Fälle, die vor Gericht kommen werden, wird die Bundesregierung verlieren, bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof."
Und Daniel Thym, einer der versiertesten Kenner des Asylrechts, sagt im ZDF:
Die Bundesregierung muss jetzt eine Begründung nachliefern, warum die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung in den europäischen Verträgen ihrer Meinung nach vorliegen.
Daniel Thym, Universität Konstanz
Wie sich die SPD verhält
Auch der sozialdemokratische Koalitionspartner ahnt, dass das so nicht einfach durchzuziehen sein wird. Bisher hatte die SPD sich relativ ruhig verhalten. Der Innenpolitiker Lars Castellucci regt gegenüber der Mediengruppe Bayern grenznahe und beschleunigte Prüfverfahren nach den Dublin-Regeln an:
Das scheint mir, zumindest bis zur Einführung des neuen europäischen Asylsystems, der geeignetere Weg.
Lars Castellucci, SPD
Volle Rückendeckung für Dobrindt kommt dagegen vom Bundeskanzler. Friedrich Merz sagt, er werde an Zurückweisungen festhalten: "Wir werden es tun, auch um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Lande zu schützen." Schließlich sind die Zurückweisungen ihr gemeinsames Projekt.
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