Spahn im ZDF: Reformen müssen "nicht schmerzhaft" sein

Interview

Zustand der Koalition:Spahn: Reformen müssen "nicht schmerzhaft" sein

von Stefanie Reulmann
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Unionsfraktionschef Jens Spahn kündigt im ZDF umfangreiche Reformen an. Diese müssten nicht "schmerzhaft" sein, aber wirksam - und wieder für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Unionsfraktionschef Jens Spahn im Berlin-direkt-Interview

Spahn kündigt im ZDF umfangreiche Reformen an, die zu mehr Gerechtigkeit führen sollen, etwa beim Bürgergeld. "Wer arbeiten kann, sollte arbeiten", so der Unionsfraktionschef im Bundestag.

07.09.2025 | 5:03 min

Der Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), es stehe ein "Herbst der Reformen" an, würden in den nächsten Wochen konkrete Taten folgen, kündigt Unionsfraktionschef Jens Spahn in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" an:

Wir haben uns gemeinsam vorgenommen mit Friedrich Merz, in der Union, in der SPD, in dieser Koalition, im Alltag spürbar einen Unterschied zu machen, zum Besseren für die Bürgerinnen und Bürger.

Jens Spahn, Unionsfraktionschef im Bundestag

Große Projekte nach der Sommerpause

Deshalb werde die Koalition mit dem Ende der Sommerpause nächste Woche im Bundestag die parlamentarische Arbeit wieder aufnehmen. Bereits in den nächsten zwei Wochen sollen Investitionen in Infrastruktur wie Verkehr, Schiene und Straße beschlossen werden, die aus dem 500 Milliarden-Euro-Sondervermögen kommen. Dazu stehe der Haushalt für 2025 sowie "die Energiekosten, die wir senken werden" auf dem Programm.

Ganz oben auf der Agenda stehen auch Reformen der Sozialsysteme. Ob Arbeitsmarkt, Rente, Krankenkassen oder Pflege - ohne strukturelle Veränderungen im System können diese dauerhaft nicht leistungsfähig und bezahlbar bleiben. Darüber sind sich Union und SPD einig. Doch auf dem Weg dorthin will keine Partei ihr Klientel vor den Kopf stoßen.

Markus Söder (CSU), Kanzler Friedrich Merz (CDU), Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und Lars Klingbeil (SPD) treten gemeinsam bei einem öffentlichen Termin auf.

Nicht nur der Arbeitsmarkt, auch die Systeme Rente, Gesundheit und Pflege müssen dringend reformiert werden. Doch über die Umsetzung sind sich die Regierungspartner Union und SPD uneins.

07.09.2025 | 4:14 min

Spahn: "Grundlegende Veränderungen" beim Bürgergeld

Konkret heißt das: Die Union fordert deutliche Einschnitte beim Bürgergeld, um die zu erwartenden Lücken im Haushalt zu schließen. Im ZDF kündigt Spahn "grundlegende Veränderungen" beim Bürgergeld an, "das wir in eine neue Grundsicherung überführen werden, nach dem Motto: Wer arbeiten kann, soll arbeiten."

In diesem Punkt seien sich Kanzler Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil übrigens einig, wie Spahn betont. Allerdings ist der Bundeskanzler, was die geplante Höhe der Einsparungen beim Bürgergeld anbelangt, bereits zurückgerudert - aus zehn Milliarden Euro sind mittlerweile fünf Milliarden geworden. Ein Schritt in Richtung SPD?

Wahlplakate verschiedener Kandidaten hängen an einem Laternenpfahl.

Die Kandidaten im Kommunalwahlkampf merken, wie sehr die Bewertung der aktuellen Arbeit der Bundesregierung in den Augen der Bürger eine Rolle spielt.

07.09.2025 | 3:29 min

SPD sieht Einsparungen beim Bürgergeld kritisch

Die Sozialdemokraten wollen größere Vermögen stärker einbeziehen, etwa durch eine Erhöhung der Erbschaftssteuer. Hohe Einsparungen beim Bürgergeld sieht die SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas kritisch, auch, weil die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die Existenzsicherung eingehalten werden müssten.

Die Aussage des Bundeskanzlers, das Land könne sich den Sozialstaat so nicht mehr leisten, hatte Bas kürzlich als "Bullshit" bezeichnet. Die atmosphärischen Störungen konnten dann aber in einem Abendessen mit Aussprache zwischen ihr und dem Kanzler beseitigt werden - erstmal. Doch die Zusammenarbeit in der Koalition bleibt eine Herausforderung, wie Spahn betont:

Wir werden aus Sozialdemokraten keine Christdemokraten machen, auch nicht umgekehrt. Aber wir haben miteinander die Chance, das Mögliche, das, worauf wir uns einigen können, umzusetzen.

Jens Spahn, Unionsfraktionschef im Bundestag

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann

Statt nach "neuen Einnahmequellen", etwa in Form von Steuererhöhungen, zu suchen, müsse Schwarz-Rot endlich dringende Reformen anpacken, fordert CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im ZDF.

07.09.2025 | 0:30 min

Wirtschaft braucht einen "Turbo"

Neben den Sozialreformen müsse die Bundesregierung auch die Wirtschaft stärken, da brauche man "jetzt einen Turbo", sagt Spahn. "Wir sind im dritten Jahr der Rezession", was die Menschen auch spürten. Daher werde die Regierung schnell wirksame Maßnahmen ergreifen:

Deswegen Energiekosten runter, deswegen Bürokratie abbauen, und deswegen beim Bürgergeld genau die richtigen Anreize setzen. Wer arbeiten kann, sollte arbeiten. Das ist ein einfacher Satz, aber der heißt am Ende eben sehr grundlegende Veränderungen beim Thema Bürgergeld.

Jens Spahn, Unionsfraktionschef im Bundestag

Ein Bereich, in dem die Veränderungen bereits spürbar seien, sei die irreguläre Migration. Bürgermeister und Landräte sähen, dass die Zahl der Neuankommenden im Land zurückginge. "Das reicht noch nicht, aber es ist spürbar", sagt der CDU-Politiker.

Reformen sollen für Gerechtigkeit sorgen

In den nächsten Wochen werde die Bundesregierung Weichen stellen, Vorhaben auf den Weg bringen und die neue Grundsicherung einführen. Erst werde das Bürgergeld neu geregelt, dann "im nächsten Halbjahr" stünden Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung an. Bei allen Reformen gehe es darum, für mehr Gerechtigkeit im Land zu sorgen, sagt Spahn:

Es geht doch nicht darum, dass es schmerzhaft wird, es geht darum, dass es wirkt, dass es Wachstum bringt, dass es wieder fairer zugeht im Land.

Jens Spahn, Unionsfraktionschef im Bundestag

Kein sozialer Kahlschlag, aber das Sozialsystem soll spürbar gerechter werden. Es gehe darum, dass "diejenigen, die einen Beitrag leisten können, ihn auch leisten, und die, die Unterstützung wirklich brauchen, Unterstützung kriegen", sagt Spahn.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am 11.07.2025

Die Bundesregierung ringt um eine Reform des Sozialstaats. Während Bundeskanzler Merz Reformen für überfällig hält, bezeichnete Arbeitsministerin Bas die Debatte als "Bullshit".

01.09.2025 | 2:06 min