Verwahrlosung im Ruhrgebiet: Was passiert mit Schrottimmobilien?

Verfall im Ruhrgebiet:Wie Städte gegen Schrottimmobilien kämpfen

von Alexander Roettig
|

Müll und Verfall, dazu teils lebensgefährliche Baumängel. Im Ruhrgebiet sind viele alte Mietskasernen heruntergekommen - und trotzdem bewohnt. Die Städte suchen nach Lösungen.

Ansicht eines Hochhaus an der Ottostraße in Duisburg.
Im Ruhrgebiet sind viele Mietwohnungen trotz erheblicher Mängel bewohnt, darunter auch der "Weiße Riese" in Duisburg.
Quelle: dpa

Schuttberge, zertrümmerte Scheiben, in den Ecken Fäkalien - mitten in der Essener Innenstadt steht eine verwahrloste Schrottimmobilie: Das ehemalige Hauptquartier des Roten Kreuzes ist heute ein Albtraum für die Nachbarn.
Die Eingangstür: Nur mit einer Sperrholz-Platte "gesichert". Die hat jemand eingetreten. Im Inneren sitzen Männer auf alten Bürostühlen - sprechen möchten sie nicht. Anwohner berichten, dass auch viele Heroinabhängige das Bürohaus als Schlafplatz nutzen.
Grossbaustelle Wohnungsbau
Schafft die neue Koalition es, den Wohnungsbau aus der Krise zu holen? Die Baubranche reagiert positiv auf den Koalitionsvertrag. Doch es werden Konkretisierungen gefordert. 10.04.2025 | 2:50 min

Nachbarschaft: Angst um die Sicherheit

Nathalie Nikolaus arbeitet gleich nebenan - in einem schicken Design-Hotel. Sie hat Angst um die Sicherheit, denn es hat hier schon drei Mal gebrannt. Mehrfach rückten hier Polizei und Feuerwehr an.

Da kam schon mal ein Mann rausgerannt und der wurde von der Polizei verfolgt. Wir haben schon öfter in den letzten Wochen Brände gehabt.

Nathalie Nikolaus, Anwohnerin

Manche Fälle seien weniger schlimm gewesen - wegen anderen seien ganze Straßenzüge abgesperrt worden, so Nikolaus.
Altbau-Mietshäuser von außen
Die Mietpreisbremse soll seit 2015 verhindern, dass die Mieten zu stark ansteigen. Die schwarz-rote Koalition hat sie nun mit Stimmen der Grünen verlängert.26.06.2025 | 1:32 min

Verwahrloste Häuser: Müll zieht Ungeziefer an

Duisburg-Rheinhausen - hier stehen die sogenannten "Weißen Riesen", Hochhäuser aus den Siebzigern. Eines ist noch bewohnt. Im Garten liegt Müll, der offenbar aus den Fenstern geworfen wurde. Manuela Spitzwieser lebt seit zwölf Jahren hier. Die Situation sei schlimm, sagt sie.

Zum einen sind die Ratten da. Momentan ist die Stadt sehr bemüht, ständig hier aufzuräumen - das verringert natürlich etwas das Rattenproblem.

Manuela Spitzwieser, Anwohnerin

Aber das andere sei natürlich der Schädlingsbefall innerhalb des Hauses - da seien Kakerlaken und Bettwanzen.
In 320 Wohnungen sind viele Geflüchtete aus Bulgarien und Rumänien untergekommen. Die wehren sich nicht gegen Vermieter, gegen üble Wohnverhältnisse, sagen Anwohner. Und fügen hinzu: Viele seien außerdem mitverantwortlich für das Müllproblem.
Auf dem Bild sind Wohnhäuser zu sehen.
Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft, viele haben kaum eine Chance auf Wohnraum. Die Caritas versucht mit ihrer Initiative "Türöffner" etwas dagegen zu tun: Sie mietet Wohnungen an, die sie dann Bedürftigen als Untermieter zur Verfügung stellt. 23.11.2023 | 2:06 min

Hagen kauft Schrottimmobilien

Die Stadt Hagen hat in der Wehringhauser Straße ähnliche Probleme. Zwischen verwahrlosten Häusern treffen sich Trinker und Junkies. Viele Hagener sind frustriert - so wie Katja Mautz: "Weil es wirklich so vermüllt ist. Die Leute, die spucken auf die Straße, schmeißen ihre Verpackungen dahin… ."
Doch die Stadt kämpft für Fortschritte: Sie hat zahlreiche Schrottimmobilien aufgekauft und renoviert sie. Patrick Bensch von der Hagener Entwicklungsgesellschaft HEG führt durch einen Gründerzeitbau, der völlig heruntergekommen war. Jetzt sieht man überall Handwerker, sie bauen auch den Dachstuhl aus. "Der Aufwand ist schon immens", sagt Bensch:

Das ist immer ein Spagat zwischen dem wirtschaftlich Machbaren, dem sozial Verträglichen. Wir wollen auch den Mietspiegel im Auge behalten.

Patrick Bensch, Hagener Entwicklungsgesellschaft HEG

Neben verwahrlosten Schrottimmobilien stehen in Wehringhausen inzwischen top restaurierte Gründerzeit-Perlen. Auch mit neuen Studentenwohnungen: WG-Zimmer für 450 Euro warm.
Für Bensch geht es darum, ein ganzes Viertel wiederzubeleben.

Mit der Schaffung von neuem modernen Wohnraum, mit Wohnraumförderung wollen wir das Ganze auch für normale Familien attraktiv gestalten.

Patrick Bensch, Hagener Entwicklungsgesellschaft HEG

Altbauhaus mit Mietwohnungen von außen
Wenig Wohnraum und hohe Mieten sind in vielen Unistädten eine große Belastung für die Studierenden. Doch die Lage ist nicht überall gleich: Unterschiede gibt es etwa zwischen Ost und West.01.04.2025 | 1:32 min

Essens Oberbürgermeister: Städte erpressbar

Auch in Essen geht die Stadt inzwischen denselben Weg: Schrottimmobilien aufkaufen und sanieren - oder abreißen und neu bauen. Jahrelang war eine Häuserzeile in der Zinkstraße ein sozialer Brennpunkt - und so beschloss die Stadt, die Wohnungen einzeln aufzukaufen. Das dauerte Jahre. Auch weil Eigentümer die Lage ausnutzten, die Preise nach oben schraubten.
Die Städte seien erpressbar, sagt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU):

Viele Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Kavallerie kommt. Dass man beschlagnahmt oder sich das Gebäude aneignet - doch so einfach ist das nicht.

Thomas Kufen CDU, Oberbürgermeister Stadt Essen

Enteignung sei ein sehr, sehr langer Weg, so Kufen. Das wünsche man sich gelegentlich bei Problemimmobilien - aber man müsse da wirklich mit dem Eigentümer zusammenwirken.
Das funktioniert nicht immer: Die Eigentümer der verlassenen Essener Rotkreuz-Zentrale scheitern offensichtlich beim Versuch, das Haus gegen Vandalismus zu sichern. Mahnungen der Stadt haben bislang nichts gebracht.

Reparaturen in der Mietwohnung
:Wann die Kleinreparaturklausel greift

Das Licht im Keller funktioniert nicht mehr und aus dem Wasserhahn tropft es ohne Ende? Warum das meist Vermietersache ist und wann Mieter für die Kosten aufkommen müssen.
von Kim Lea Hoffmeyer
Mann hält Zange an ein Heizungsrohr
mit Video

Mehr zum Thema Wohnungsnot