Antipersonenminen: CDU-Politiker Kiesewetter will Verbot aufheben

Exklusiv

Austritt aus Ottawa-Abkommen:Kiesewetter fordert Rückkehr zu Antipersonenminen

von Julia Klaus und Nils Metzger
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Antipersonenminen sind in Deutschland verboten. Der Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter fordert nun wegen der Bedrohung aus Russland einen Ausstieg aus dem Ottawa-Abkommen.

Warnschild mit Schrift "Danger Mines"
"Achtung Minengefahr" - ein Schild in Butscha in der Ukraine. Das Land ist eines der am stärksten verminten Gebiete weltweit.
Quelle: ddp

Antipersonenminen sind umstrittene Waffen und in den meisten Ländern weltweit verboten. Festgehalten ist das im sogenannten Ottawa-Abkommen. Der Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) fordert nun einen Austritt Deutschlands aus diesem Abkommen. ZDF frontal sagte er:

Ich bin dafür, zeitlich befristet aus dem Ottawa-Abkommen auszutreten. Befristet, bis Russland das Existenzrecht seiner Nachbarstaaten anerkennt.

Roderich Kiesewetter, CDU-Verteidigungspolitiker

Minensucher mit Gerät
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Was ist der Grund für die Forderung nach einem Austritt?

Mehrere Nato-Mitglieder, darunter die baltischen Staaten, Finnland und Polen hatten zuletzt ihren Austritt aus dem Ottawa-Abkommen eingeleitet.
Kiesewetter, der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss ist, begründet seine Forderung mit Putins Angriffskrieg, in dem Russland auch breitflächig Antipersonenminen einsetzt: "Die bereits ausgetretenen Länder fühlen sich vom brutalen Vorgehen Russlands bedroht. Diese Munition ist auch deshalb durch das Ottawa-Abkommen geächtet, weil man damit sehr rasch massive militärische Erfolge erzielen kann. Wir tun gut daran, das Sicherheitsempfinden dieser Länder zu akzeptieren und zu verstehen."
Zwar habe Deutschland anders als die aktuell austretenden Nato-Verbündeten keine Grenze mit Russland oder Belarus. Doch Kiesewetter sieht die dauerhaft in Litauen stationierte deutsche Panzerbrigade als gefährdet:

Deutschland muss sich fragen, ob wir uns in Litauen nicht gerade dadurch als Zielscheibe präsentieren und mangels Abschreckung verwundbar machen.

Roderich Kiesewetter, CDU-Verteidigungspolitiker

Der Botschafter Finnlands, Kai Sauer, begründet den Austritt seines Landes so: "Finnland sieht sich derzeit zwar nicht mit einer unmittelbaren militärischen Bedrohung konfrontiert. Der Ausstieg aus der Ottawa-Konvention ermöglicht es uns jedoch, uns vielseitiger auf die veränderte Sicherheitslage in Europa vorzubereiten."
Antipersonenminen sind international geächtet, kommen in vielen Konflikten aber immer noch zum Einsatz. Zurückgelassen und versteckt oder vergraben gefährden sie Zivilisten oft noch nach Jahrzehnten. Diese Infografik erklärt Details: Reichweite: Splitter fliegen zum Beispiel bis zu 100 Metern.

Was sind die Regeln des Ottawa-Abkommens?

Im Ottawa-Abkommen, das 1999 in Kraft trat, sind über 160 Staaten Vertragspartner, darunter auch Deutschland. Während des Kalten Krieges hatten auch die beiden deutschen Staaten große Bestände an Antipersonenminen hergestellt.
Das Abkommen verbietet nicht nur den Einsatz von Antipersonenminen, sondern auch Lagerung, Herstellung und Handel. Andere Formen von Landminen, etwa solche gegen Fahrzeuge, sind nicht verboten und werden auch von Deutschland weiter genutzt.
Neben Russland gehören auch die USA und Südkorea zu den Staaten, die dem Vertrag nicht beigetreten sind. Dort sitzen die derzeit wichtigsten Hersteller. Eine eigene Fertigung in Europa müssten die ausgetretenen Staaten erst aufbauen. Polnische Medienberichte verwiesen auf Pläne des staatlichen Rüstungskonzerns Polska Grupa Zbrojeniowa. Die litauische Botschaft teilte ZDF frontal mit:

Nach dem Austritt wird Litauen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, um Antipersonenminen zu beschaffen oder zu produzieren, wobei wir lokale Hersteller priorisieren wollen.

Litauische Botschaft

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Wie läuft ein Austritt aus dem Ottawa-Abkommen ab?

Ein Austritt aus dem Ottawa-Abkommen braucht Vorlaufzeit. Er müsste von der Bundesregierung offiziell bei den Vereinten Nationen eingereicht werden. Danach beginnt eine sechsmonatige Wartefrist, bis der Vertrag seine Gültigkeit verliert.
Eine Zustimmung des Bundestags sei bei der Kündigung von völkerrechtlichen Verträgen nicht zwingend erforderlich. "Die Kündigung fällt in die Kompetenz der Bundesregierung", schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages.
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Was sagt die Bundesregierung zu der Forderung?

Ein Austritt wäre eine drastische Umkehr der bisherigen deutschen Haltung. Das Auswärtige Amt teilte ZDF frontal mit, es gebe derzeit keine Pläne oder Überlegungen zu einem Austritt:

Deutschland ist Vertragsstaat des Übereinkommens über das Verbot von Antipersonenminen, hält sich in vollem Umfang an die Verpflichtungen des Übereinkommens und hat keinerlei Austrittspläne.

Auswärtiges Amt

Was ist das Problem bei Antipersonenminen?

Ähnlich wie Streumunition sind auch Antipersonenminen wegen der hohen Gefährdung für Zivilisten umstritten. Blindgänger können große Gebiete über Jahrzehnte beeinträchtigen und die Räumung ist aufwändig.
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Kiesewetter verweist darauf, dass sich die Munition in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt habe. Es gebe deshalb "deutlich weniger Blindgänger, die dann die Zivilbevölkerung gefährden können", so Kiesewetter, der Oberst bei der Bundeswehr war.
Die Hilfsorganisation Handicap International, die sich gegen Landminen einsetzt, kritisiert auf Anfrage von ZDF frontal:

Die Rückkehr zu Antipersonenminen darf keine Antwort auf die gestiegene Sicherheitsbedrohung in Europa sein, denn diese Waffen aus dem letzten Jahrtausend bieten in Wirklichkeit keinen Schutz für die Bevölkerung.

Handicap International

Die Hilfsorganisation bezweifelt, dass Minenfelder tatsächlich effektiven Schutz gegen moderne Streitkräfte bieten. "Sie verwandeln jedoch Grenzen in Todesfallen für die Zivilbevölkerung und gefährden sie über Generationen hinweg."

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