Aus DDR-Haft freigekauft: Die BRD befreite politische Gefangene

Vor Mauerfall drei Mal in DDR-Gefängnis:Uwe Kaspereit: Von der BRD für 95.000 D-Mark freigekauft

Sven Rieken

von Sven Rieken

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Er war 19, als er einen Ausreiseantrag stellte. Uwe Kaspereit geriet ins Visier der Stasi und landete drei Mal in DDR-Gefängnissen. Dann kaufte die BRD ihn frei für 95.000 D-Mark.

Alltagsgeschäft

Vor 36 Jahren fiel die Berliner Mauer. Uwe Kaspereit erzählt seine Geschichte, wie er nach mehreren Freiheitsstrafen von der Bundesrepublik freigekauft wurde.

07.11.2025 | 2:02 min

"In dem Bus war es totenstill - niemand traute sich, ein Wort zu sagen". So beschreibt Uwe Kaspereit den Moment, als er die DDR verlässt - seine Fahrt in die Freiheit, wie er im Nachhinein sagt. Das war 1981.

Die vier Jahre davor bekam er es mit der vollen Härte der DDR-Staatssicherheit zu tun: Drei Mal kam er in Haft, er musste Auflagen einhalten, die seine Bewegungsfreiheit als junger Mensch drastisch einschränkten. Keine Kultur, keine Musik, keine Kneipe. Irgendwann besuchte er doch ein Konzert und wurde verpfiffen. Die Stasi hatte in seinem Freundeskreis Spitzel eingeschleust.

Ich wurde vor Gericht gestellt und zu vier Wochen Haft verurteilt, weil ich unerlaubt an der Veranstaltung teilgenommen hatte und nicht einsichtig war.

Uwe Kaspereit, politischer Gefangener in der DDR

Zwei junge Punks stehen gemeinsam mit einer älteren Dame auf einem Platz draußen um einen runden Tisch und trinken Bier.

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Das Urteil, so liest Kaspereit später in seiner Stasi-Akte, hatte der für ihn zuständige Oberleutnant dem Gericht bereits vorgegeben, bevor die Verhandlung begann.

Dabei hatte er als 19-Jähriger lediglich einen Ausreiseantrag gestellt. Er wollte, so erzählt er ZDFheute, seine Rechte auf Freiheit und Demokratie nutzen, die angeblich in der DDR gelten. "Wer hat das Recht, überhaupt zu bestimmen, wie ich mein Leben zu gestalten habe - das möchte ich selbst bestimmen", erläutert er seine Gedanken damals.

Montage: Ein Soldat und zwei Frauen sind mit dem Staatswappen der DDR abgebildet. Hinter ihnen befinden sich Hammer und Zirkel, vor ihnen der Ährenkranz samt schwarz-rot-goldenem Band. Im Hintergrund befindet sich ein Panzer, ein Mann wirft etwas in dessen Richtung.

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Der Antrag wurde sofort abgelehnt und er bekam zum ersten Mal Besuch von den "Herren in den Anzügen". Direkt am Arbeitsplatz. Es folgte eine Belehrung - mehr noch nicht.

Im DDR-Gefängnis erfuhr Kaspereit von Freikaufprogramm

Erst als Uwe Kaspereit und sein Freund Flugblätter im Ort verteilten, nahm ihn die Stasi mit. "Dabei standen auf den Zetteln nur DDR-Parolen", erzählt Kaspereit. Die wollte nur niemand hören. Die Stasi legte ihm die Flugblatt-Aktion als illegalen Druck auf Staatsorgane aus und verfügte die erste Haftstrafe.

Mehrere junge Menschen sitzen und stehen in einem Raum, dessen Wände mit Parolen bemalt sind.

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Im Gefängnis lernte Uwe Kaspereit dann andere politische Gefangene kennen und hörte zum ersten Mal vom "Freikaufprogramm" zwischen den deutschen Staaten. Genannt wurde diese humanitäre Vereinbarung so nicht, aber im Grunde - das bestätigen viele Zeitzeugen - war sie ein Devisenbeschaffungsprogramm. Ob Uwe Kaspereit deshalb so vehement verfolgt, überwacht und insgesamt drei Mal inhaftiert wurde, konnte der Wahl-Hamburger nicht herausbekommen.

Uwe Kaspereit besucht ehemalige Stasi-Spitzel

Er besuchte Jahre später einige in seiner Akte benannten Spitzel und Stasi-Mitarbeiter. Uwe Kaspereit wollte ihnen in die Augen blicken - ohne Vorwurf, nur die Beweggründe verstehen. Ein ehemaliger Freund konnte mit dieser Schuld nicht umgehen. "Er hatte Stasi-Berichte über mich geschrieben", erzählt Uwe Kaspereit, "und geweint und immer wieder gefragt: Nimmst Du mir das übel?" Zwei Jahre später hat sich der Mann das Leben genommen.

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Uwe Kaspereit erzählt diese Geschichten. Vor Schulklassen auf geschichtlichen Veranstaltungen. Er möchte, dass diese dunkle Seite der DDR nicht verdreht, nicht verharmlost wird.

Wenn wir nicht mehr darüber sprechen, dann vergessen die Leute, was passiert ist - und dann passiert so etwas wieder.

Uwe Kaspereit, politischer Gefangener in der DDR

Neun Jahre vor Mauerfall: Ausreise aus DDR

Am Tag seiner Ausreise wurde er gut eingekleidet. Bereits in den Wochen zuvor gab es "normales" Essen und keine Gefängnis-Portionen mehr. Er sollte wohl gut aussehen, bei der Ausreise. In dem Bus in die Freiheit wurden er und andere von einem West-Deutschen Anwalt begrüßt, besser gesagt ermahnt. Keine Handzeichen nach draußen, keine unflätigen oder abfälligen Bemerkungen, keine Parolen.

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"Sie können jederzeit aus dem Bus geholt werden", erinnert sich Uwe Kaspereit an die Ansprache. Zum Beleg fuhren drei Beamte der Staatssicherheit mit - mit Maschinenpistolen. Das war der letzte DDR-Tag von Uwe Kaspereit - neun Jahre vor dem Fall der Mauer.

Sein Leben heute ist ein Happy End. Mit seiner Frau führt er einen Haushaltswarenladen mitten in Hamburg. Das Geschäft ist sozialer Treffpunkt im Stadtteil. Viele Kunden kennen seine Geschichte. Die Geschichte eines jungen Mannes aus der DDR, den der Staat am Ende an den Westen verkaufte. Wie mehr als 33.700 andere Bürger.

Sven Rieken berichtet aus dem ZDF-Studio in Hamburg.

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