Bauhaus Dessau: Jubiläum mit Kontroversen und neuen Ideen

Interview

100 Jahre Bauhaus Dessau:Streitbar, geliebt, durch Rechte attackiert

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"Das Bauhaus war ein Akteur der Moderne", sagt Stiftungschefin Barbara Steiner, "im Aufbruch der Weimarer Zeit". Damals von Nazis bekämpft, in der Gegenwart von der AfD attackiert.

Fassade des Bauhaus Museums in Dessau. Einige Fenster stehen offen, der Schriftzug "Bauhaus" ist zu sehen.

Vor 100 Jahren zog das Bauhaus von Weimar nach Dessau und erlebte dort seine Blütezeit. Unter dem Motto "An die Substanz" wird dort das Jubiläum gefeiert.

Quelle: dpa

Anfang September 1925 wurde in Dessau der Grundstein für das Schulgebäude gelegt. "Das Sensationelle ist der Werkstattflügel", schwärmt Barbara Steiner, "diese komplette gläserne Ummantelung eines Baukörpers, das war ganz außergewöhnlich." Im Interview erklärt sie zugleich, dass das Bauhaus viel mehr war - und mit seinen Ideen auch auf Widerstand stieß.

Architekten, Künstler, Handwerker haben Funktionalität und Ästhetik in besonderer Form miteinander verbunden - die weltweit Maßstäbe gesetzt hat und bis heute fortwirkt. Ihre Art zu leben und zu arbeiten, wurde und wird immer wieder von rechtskonservativen und völkisch-nationalen Politikern angefeindet.

Jubiläumsprogramm ·Bauhaus Dessau 100·

Das Bauhaus in Dessau steht seit 100 Jahren für Moderne und Zeitlosigkeit. Für die Zukunft will sich die Stiftung Ressourcenbewusstsein und Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben.

03.01.2025 | 2:38 min

ZDFheute: Was ist Bauhaus? Schule, Architektur, Design? Oder eine besondere Form des Lehrens und Forschens?

Barbara Steiner: Das Bauhaus war eine Schule für Gestaltung. Es ist eine Legende, es ist eine Marke, es ist ein Anziehungspunkt für sehr viele Menschen aus der ganzen Welt. Es ist immer auch ein Labor gewesen für ungewöhnliche Ideen, für Experimente. Die Geschichte des Bauhauses hat sich immer wieder verändert, wurde modifiziert und hat ein sehr langes Nachleben bis in die Gegenwart.

16.01.2023, Sachsen-Anhalt, Dessau-Roßlau: Barbara Steiner, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, über die Vorhaben der Stiftung für 2023.
Quelle: dpa

...ist eine österreichische Kunsthistorikerin und Autorin und seit 2021 Direktorin und Vorständin im Bauhaus Dessau. Steiner wurde 1964 in Niederösterreich geboren und studierte Kunstgeschichte und Politikwissenschaften an der Universität Wien. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über die "Ideologie des weißen Ausstellungsraums". Steiner begann in den 1990er Jahren mit ihrer kuratorischen Tätigkeit.

Zuvor hatte sie unter anderem an der Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig sowie am Kunsthaus Graz leitende Aufgaben. Tätig war sie auch an der Kunstuniversität Linz und der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen sowie der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Steiner verfasst auch Biografien und Fachbücher zu Kunst, Architektur und Städtebau. Außerdem ist sie unter anderem Mitglied der Jury zur Vergabe des Architekturpreises der Stadt Leipzig, Mitglied im AK-Wien-Kunstbeirat und Universitätsrätin der Technischen Universität Graz.


ZDFheute: Zum Beispiel?

Steiner: Das Bauhaus war nicht einfach Sender und die anderen Empfänger. Sondern Ideen des Bauhauses wurden weiterentwickelt, haben sich verändert. Es gibt weltweit großartige Interpretationen, die wiederum neue Designs und Architekturen erzeugt haben.

ZDFheute: Wo liegt der Fokus beim Jubiläum - 1925 oder 100 Jahre?

Steiner: Wir feiern nicht nur, dass das Bauhaus vor hundert Jahren nach Dessau kam, sondern wir feiern auch, dass es das Bauhaus nach wie vor gibt - das war nicht selbstverständlich, nachdem es 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen und erst 1976 wiedereröffnet wurde. Das ist auch heute nicht selbstverständlich. Das sehen wir ja an den jüngsten Attacken der AfD.

Debatte um Kulturschule
:Wie die AfD das Bauhaus attackiert

2025 feiert die weltbekannte Kunst- und Architektur-Schule in Dessau ihr 100-jähriges Jubiläum. Einst von Nazis geschlossen, greift heute die AfD das Bauhaus an.
von Hagen Mikulas
Rekonstruierte Fassade des Bauhauses Dessau
mit Video

ZDFheute: Im Herbst 2024 sprach die Landtagsfraktion der AfD vom Bauhaus als "Irrweg der Moderne". Wie bewerten Sie das?

Steiner: Die AfD sucht ein Feindbild - und hat es im Bauhaus gefunden. "Irrweg der Moderne", das klingt sehr nach Paul Schultze-Naumburg. Er war Verfechter des sogenannten "Heimatstils", Nationalsozialist, und bekannt dafür, das Bauhaus heftig zu kritisieren.

Mit dieser Wortwahl schließt die AfD eindeutig an die nationalsozialistische Vergangenheit an. Und das tut sie auch mit dieser Kampagne #deutschdenken; dieser Slogan stammt aus einer Rede von Adolf Hitler.

"Das finde ich einfach verwerflich und völlig ungehörig, in dieser Art und Weise heute am Bauhaus Kritik zu üben. Natürlich darf man das Bauhaus kritisieren. Es stellt sich auch dieser Kritik. Es erfindet sich auch immer wieder neu."

"Das zeigt nur, wie engstirnig die Vertreter der AfD sind. Es fällt Ihnen nichts Neues dazu ein. Aber ich habe den Eindruck, dass Sie da auch nicht mehr diese Resonanz finden. Wenn wir durch die Städte und Dörfer, auch in Sachsen-Anhalt, ja in Deutschland überhaupt, in Europa gehen, finden wir überall Häuser, die sich als bauhausartig verstehen, auch wenn sie nur Funktionselemente des Bauhauses übernommen haben. Wir haben uns daran gewöhnt. Das ist für uns heutzutage selbstverständlich, in solchen Häusern zu leben und nicht in solchen, die vor Zierrat geradezu überquellen."


ZDFheute: Warum arbeiten sich vor allem Rechte am Bauhaus so ab?

Steiner: Die Vorwürfe der AfD sind aus der Mottenkiste einer Moderne-Kritik: Bruch mit Traditionen, Entwurzelung der Menschen, Zerstörung von Bindungen an Grund und Boden usw. Diese Kritik gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Ja, das Bauhaus hat Industrialisierung, Mechanisierung und Technisierung als Gestaltungsvoraussetzung angenommen, damit gearbeitet.

Ziel war es, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern. Etwa mit dem seriellen Bauen. Das steckte Mitte der 1920er Jahre in der Reihenhaussiedlung Dessau-Törten noch in den Kinderschuhen. Und es wurde später Realität - auch mit einer Reihe von Fehlentwicklungen, die wir heute durchaus kritisch ansehen müssen.

Dyck - Ausstellungshoehepunkte 2019 - Bauhaus
Archiv: Architekt Walter Gropius steht am 15.05.1933 in Berlin neben einer Zeichnung des "Chicago Tribune"-Gebäudes
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Rekonstruierte Fassade des Bauhauses Dessau
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Tel Aviv - Wohnhaus Bauhaus Stil
Die Fassade des Bauhaus-Museums in Weimar
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Mehr als Design

In knapp 14 Jahren seines Bestehens revolutionierte das Bauhaus das gestalterische Schaffen.

Quelle: dpa

ZDFheute: Was bedeutet das für die Gegenwart und die Zukunft des Bauhaus?

Steiner: Das Bauhaus hat kühne architektonische Konstruktionen entwickelt, Stahlbeton und Glas gaben neue Möglichkeiten des Bauens. Heute wissen wir, dass der Einsatz dieser Materialien sehr energie- und ressourcenintensiv ist.

In den Werkstätten bei uns im Haus, in Kooperationen mit Hochschulen und auch im Rahmen der EU-Initiative Neues Europäisches Bauhaus widmen wir uns aktiv den Herausforderungen unserer Zeit: Wie geht nachhaltiges Bauen? Wie wollen wir zusammenleben? Und wer wird diese Prozesse (mit-)gestalten? Kurzum: Es geht um Gestaltung im 21. Jahrhundert.

Das Interview führte Annette Pöschel, Redakteurin im Landesstudio Sachsen-Anhalt.

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