Wohnungsnot in Spanien: Wenn die Miete das Gehalt auffrisst
Wohnungsnot in Spanien:Wenn die Miete das Gehalt auffrisst
von Brigitte Müller, Madrid
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In den vergangenen zehn Jahren sind die Mieten in Spanien um fast 80 Prozent gestiegen, Wohnungen sind knapp. Bei Umfragen ist Wohnraum die größte Sorge der Spanier.
In Spanien sind Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen die dort herrschende Wohnungsnot zu demonstrieren.05.04.2025 | 1:33 min
"Mieten Ja! Wucher nein" steht auf den Transparenten, die durch Spaniens Großstädte getragen werden. Vor allem junge Leute demonstrieren für mehr bezahlbaren Wohnraum. Eine von ihnen ist Sofía T. aus Madrid. Mit 27 Jahren und einem festen Job lebt sie noch bei ihren Eltern, sie sagt:
Ich arbeite 43 Stunden die Woche und kann mir keine eigene Wohnung leisten.
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Sofía T. aus Madrid
Die Mieten im Land explodieren seit Jahren, allein 2024 stiegen sie in Madrid, Barcelona, Sevilla und anderen Städten um mehr als 13 Prozent. Die Nachfrage wächst ständig, laut der Spanischen Nationalbank fehlten im vergangenen Jahr etwa 600.000 Wohnungen, Tendenz steigend.
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Problem in Spanien: Mietverträge sind zeitlich begrenzt
Warum auch Familien, die seit Jahren in derselben Wohnung leben, von den hohen Preisen betroffen sind, liegt an einer Eigenheit spanischer Mietverträge. Denn dort wird festgelegt, dass die Mieten jährlich um die Inflationsrate erhöht werden, sie steigen also mit den Lebenshaltungskosten.
Unbefristete Mietverträge gibt es so gut wie keine, sie haben eine Laufzeit von fünf und sieben Jahren. Danach kann der Vermieter ohne Grund kündigen und einen neuen Vertrag zu deutlich mehr Geld anbieten. Kein Wunder also, dass Wohnraum bei den Umfragen des Instituts für Soziologische Forschung bei den Sorgen der Spanier an erster Stelle steht.
Trotz der hohen Preise kommen auf die Wohnungsangebote mehrere Dutzend Interessenten, heißt es beim größten Immobilienportal Idealista. Darunter auch viele Gutverdiener, die sich jedoch eine der teuren Eigentumswohnungen nicht leisten können.
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Wohngemeinschaften wider Willen
Menschen, bei denen es nicht mehr für die Miete reicht, rücken zusammen oder ziehen in Außenbezirke, wo das Angebot ebenfalls knapp ist. Wer wenig verdient, muss mit einem Zimmer in unfreiwilligen Wohngemeinschaften vorliebnehmen. Bei sozial Schwachen springen nämlich nicht etwa die Gemeinden ein, öffentliche Unterstützung in Form von Wohngeld gibt es nicht, Sozialwohnungen gibt es nur wenige.
Für die Soziologin Laura Barrio vom Mieternetzwerk Habitat 24 ist klar, von einem Einkommen allein könnten Wohnungen nicht bezahlt werden: "Man braucht ein Plus, einen Zuschuss von den Eltern, wenn deren Wohnung abbezahlt ist, Ersparnisse oder ein Erbe". Soziale Ungleichheit zwischen Wohnungseigentümern und Mietern werde so weiter verschärft.
Kurzzeitmieten als Schlupfloch gegen Preismaßnahmen
Lokale und staatliche Behörden versuchen, dem entgegenzuwirken, mit mäßigem Erfolg. In Barcelona etwa sind die Mieten bei neuen Verträgen gedeckelt, dürfen nur um einen bestimmten Prozentsatz erhöht werden. Die Preisspirale wurde dadurch zwar gedrosselt, allerdings ging das Angebot zurück. Immobilienfonds etwa nutzen ein Schlupfloch und vermieten für weniger als ein Jahr, Kurzzeitmieten sind von der Verordnung ausgeschlossen.
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Dazu kommen eine unüberschaubare Anzahl an Touristenwohnungen, die über Airbnb und andere Plattformen angeboten werden und nicht mehr für Langzeitmieten zur Verfügung stehen. Versuche, das Angebot besser zu kontrollieren, haben nur begrenzt Erfolg. Barcelona will in der Zukunft für das Stadtzentrum einen radikalen Weg gehen:
Ab 2028 wird es in Barcelona keine Touristenwohnungen mehr geben.
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Jordi Valls, Stadtrat für Tourismus und Wirtschaft in Barcelona
Madrid will gegen Ferienwohnungen vorgehen
In Madrid sollen Ferienwohnungen in der Innenstadt künftig nur noch in separaten Gebäuden möglich sein. Nachbarschaftsvereinigungen beobachten jedoch, dass Immobilienfonds verstärkt ganze Miethäuser aufkaufen und umwandeln.
Für sehr viele Menschen bleibt Wohnen ein Luxus. "Ich weiß nicht, ob ich mir jemals eine Wohnung leisten kann. Wir gehen auf die Straße, damit sich etwas ändert", sagt Sofía T. und verschwindet im Strom der Demonstranten.
Quelle: dpa
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