Olympia-Effekt in Nordafrika:Wie sich Mädchen in Algerien durchboxen
Die Olympischen Spiele 2024 haben viel bewegt in Algerien. Inspiriert von der Boxerin Imane Khelif steigen immer mehr Mädchen in den Ring und brechen so mit Tabus.
Nach Olympia 2024 wurde Imane Khelif zum Vorbild für junge Boxerinnen. So kontern junge Boxerinnen traditionellen Rollenbildern.
Quelle: APDer Boden staubt, es hat lange nicht geregnet in Azazga, einer Kleinstadt in den Bergen von Algerien. Cerine Kessal und ihre Freundinnen sind auf dem Weg zum Training - trotz der Hitze. Ein ehemaliger Schlachthof dient ihnen als Boxhalle. Vier bis fünfmal in der Woche treffen sie sich hier.
Bilgenur Aras erlebte in ihrer Kindheit viel Gewalt und musste im Heim aufwachsen. Das Boxen gab ihr Halt. Nun möchte sie mit ihrer Leidenschaft jungen Frauen Hoffnung geben.
16.03.2025 | 1:10 minAlgerierinnen boxen gegen traditionelle Rollenbilder
Cerine Kessal war sieben Jahre alt, als sie zum ersten Mal in den Ring stieg. In dem konservativen Land, das von traditionellen Rollenbildern geprägt ist, war das etwas Besonderes.
Als ich mit dem Boxen anfing, da war ich schon ein bisschen nervös und hatte auch etwas Angst. Aber inzwischen kann ich es kaum erwarten, herzukommen.
Cerine Kessal, algerische Boxerin
Heute ist sie 15 und Boxen gehört zu den beliebtesten Sportarten unter Mädchen, berichtet sie.
Mit der BVB-Stiftung “Nordstadtliga” und Dortmunds Jugendamt bietet Profiboxerin Julia Symmanek Training an - für benachteiligte junge Muslima aus Brennpunkt-Familien.
28.02.2024 | 2:14 minMaßgeblich liegt das an der algerischen Boxerin Imane Khelif, die sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgeboxt hat, bis zum olympischen Gold vergangenen Sommer in Paris. "Das hat einen richtigen Enthusiasmus ausgelöst", berichtet ihr Trainer Nassim Touami.
Viele Mütter haben daraufhin ihre Töchter ermutigt, mit dem Boxen anzufangen.
Nassim Touami, Trainer
Mit einem Mal sei alle Skepsis verflogen gewesen.
Für Olympiasieg bejubelt, online gemobbt
Rückblick: Vor ziemlich genau einem Jahr, im August 2024, wird die Olympiasiegerin Imane Khelif in ihrer Heimat mit großem Jubel empfangen. In einem offenen Bus fährt sie durch die Straßen von Algier, strahlt, winkt den Fans zu. Hier spricht niemand über die Geschlechter-Debatte, die auf internationaler Ebene bis heute um sie geführt wird, bis hin zu Anfeindungen im Netz.
Zweifel am Geschlecht von Khelif
Es ist ein Fall, bei dem Vieles unklar ist. Khelif wird von einigen Verbänden unterstellt, sie sei biologisch ein Mann. Mal geht es um Chromosomen, mal um Hormone, die ihr im Sport eine Überlegenheit verschafft und zudem ihre Gegnerinnen in Gefahr gebracht hätten. Imane Khelif sagt, sie sei eine Frau. Seit Paris hat Khelif nicht mehr an internationalen Wettkämpfen teilgenommen.
"Gleiche Wettbewerbsbedingungen":Box-Weltverband führt Geschlechtertests ein
Dennoch hat sich in Algerien seitdem etwas verändert: Die Olympischen Spiele haben viele Mädchen inspiriert. Wie Cerine Kessal, die Anfang des Jahres ihren Titel als Juniorenmeisterin in der Gewichtsklasse bis 54 Kilo verteidigt hat.
Aliya will Profiboxerin in Pakistan werden. Mit diesem Ziel kämpft sie gegen das traditionelle Frauenbild in ihrem Land. Es ist aber auch ein Weg aus der Armut.
19.02.2024 | 1:13 minBoxen für mehr Selbstbewusstsein
Unterstützt wird Cerine Kessal von ihrer Familie. Und dabei geht es nicht nur um die Punktsiege im Sport. Cerines Onkel Nacer Boukersi beobachtet eine enorme Veränderung bei den Mädchen, seitdem sie boxen.
Sie haben viel mehr Selbstvertrauen, sei es in der Schule oder auch sonst im Alltag.
Nacer Boukersi
An Selbstbewusstsein mangelt es Cerine Kessal in der Tat nicht: "Mein Ziel sind die Olympischen Spiele, inshallah. Und deshalb muss ich jetzt übrigens noch ein bisschen weitertrainieren", erklärt sie und steigt zurück in den Ring.
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