E-Mobilität in Norwegen: Woher der E-Auto-Boom kommt

Elektro-Vorzeigeland Norwegen:Wie sich Oslo von Verbrennern verabschiedet

von Henner Hebestreit und Sigrid Harms
|

Norwegen wollte ab 2025 nur noch elektrisch betriebene Neuwagen zulassen - das ist fast erreicht. Dank einiger Anreize, die sich nicht alle auf Deutschland übertragen lassen.

E-Autos Deutschland
Nach dem Wegfall der staatlichen Kaufprämie ist die Zulassung von E-Autos eingebrochen. Das Gegenteil ist in Norwegen passiert, hier sind Benziner und Dieselfahrzeuge unbeliebt.13.01.2025 | 1:42 min
Der Winter hat Anfang Januar die norwegische Hauptstadt Oslo fest im Griff. Menschen wurden aufgerufen, lieber im Homeoffice zu arbeiten. Trotzdem strömen Pendler in langen Blechlawinen in die Stadt.
Auffällig viele Autokennzeichen beginnen mit einem "E", was für elektrischen Antrieb steht. Der Winter scheint diesen Autos nichts anhaben zu können.

Norwegen: Musterland der Elektromobilität

Ausgerechnet Norwegen mit seinen großen Öl- und Gasvorräten hat sich zum Musterland der Elektromobilität entwickelt: Binnen weniger Jahre ist es dort gelungen, dass neu zugelassene Autos fast nur noch elektrisch unterwegs sind: 2024 lag der Anteil reiner Elektroautos bei den Neuzulassungen bei knapp 90 Prozent, konventionelle Diesel und Benziner machten gerade noch 4 Prozent der Neuzulassungen aus.
Sebastian Dehne, gebürtiger Dresdner, lebt schon lange in Norwegen, seit Jahren fährt er Elektroautos. "Im Winter," erzählt er, "hat das Elektroauto einige Vorteile".

Du steigst immer in ein warmes Auto, der Schnee rutscht vom vorgeheizten Wagen und mit Winterreifen und Allradantrieb, der bei vielen E-Mobilen Standard ist, funktioniert das echt super.

Sebastian Dehne

Mitarbeiter montiert Fahrersitz im Werk von Volkswagen in Zwickau
Die Automobilindustrie befindet sich im Wandel und Deutschland hinkt hinterher. "Softwaredefinierte" Autos sind die Zukunft, dafür fehlt es hier an Ausbildung und Kompetenz.02.12.2024 | 2:43 min

Fast jedes zweite Auto elektrisch

Das zieht zwar reichlich Strom aus der Batterie, doch gibt es in Oslo ausreichend Möglichkeiten, das Auto schnell wieder aufzuladen: "1.000 Schnelladesäulen hat die Stadt gemeinsam mit privaten Investoren aufgestellt, dazu kommen 2.500 konventionelle Ladestationen und die 80.000 Ladepunkte auf Privatgrundstücken", erklärt Sture Portvik, Mitarbeiter in Oslos Stadtverwaltung und zuständig für die Ladeinfrastruktur.
Beinahe jedes zweite Auto ist in Oslo mittlerweile elektrisch unterwegs. Politiker wie Cecilie Kniber Kroglund, Staatssekretärin im Verkehrsministerium, wollen die Verbrenner nach und nach ganz von den Straßen verbannen:

Der Transportsektor hat einen großen Anteil an CO2-Emissionen, deshalb wollen wir insbesondere die Abgase von Privatkraftwagen senken.

Cecilie Kniber Kroglund, Staatssekretärin im Verkehrsministerium

Elektroauto an einer Ladestelle
Aus für Verbrenner, freie Fahrt für Elektroautos. Die Politik ist sich selten so einig. Im Netz ernten Kritiker Shitstorms. Doch ein Blick auf die Fakten bringt Ernüchterung.12.09.2021 | 28:56 min

Anreize ebnen Verbrenner-Aus

Norwegens Parlament hatte 2017 das ambitionierte Ziel formuliert, ab 2025 nur noch elektrisch betriebene Neuwagen zuzulassen, das ist jetzt fast erreicht. Ein System unterschiedlicher Anreize hat dazu beigetragen - und die lassen sich nicht alle auf Deutschland übertragen.
Wer in Norwegen ein Auto kauft, muss sich für Modelle ausländischer Produzenten entscheiden, es gibt keine eigene Automobilindustrie. Bei jedem Autokauf werden bis zu 30 Prozent Steuern fällig. Norwegens Politik hatte also reichlich Gestaltungsspielraum bei der Förderung der Elektromobilität und nutzte ihn.
Wagen mit Elektroantrieb wurden zweitweise ganz von diesen Steuern befreit, Verbrenner dafür stärker besteuert - ein Tesla kostete zeitweise nicht mehr als ein klassischer VW-Golf. Solch krasse Lenkungsmöglichkeiten gibt es in Deutschland, wo man Rücksicht nehmen muss auf eine eigene Automobilindustrie, nicht.
Weitere Maßnahmen sorgten in Norwegen für zusätzliche Anreize:

Wir hatten lange Zeit keine Mautgebühren für E-Mobile, sie durften auf den Busspuren am morgendlichen Stau vorbeifahren, kostenlos parken und die Fähren gratis nutzen.

Christina Bu, Vorsitzende des Norwegischen Elektroauto-Vereins

SGS Barrett
ZDF-Börsenexpertin Stephanie Barrett erklärt, warum trotz günstiger Ladekosten für E-Autos diese kaum gekauft werden. Besonders deutsche Hersteller haben damit zu kämpfen.10.01.2025 | 1:09 min

Norwegen als Testmarkt für E-Autos

Das hat die Nachfrage nach Elektromobilen im Land massiv unterstützt. Autobauer weltweit haben Norwegen als Testmarkt für ihre Modelle entdeckt. Autos europäischer Hersteller konkurrieren mit amerikanischen, koreanischen und zunehmend chinesischen Produzenten.
Europas Autoproduzenten ächzen bereits unter der wachsenden Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Christina Bu sieht die Politik im Zugzwang:

Wenn Europas Autobauer und die europäischen Politiker die notwendige Umstellung, die sie jetzt schaffen müssen, nicht hinbekommen, dann ist es einfach vorbei für Europas Autoindustrie.

Christina Bu, Vorsitzende des Norwegischen Elektroauto-Vereins

Henner Hebestreit ist Leiter des ZDF-Landesstudio Schleswig-Holstein und Korrespondent für Nordeuropa.

Icon von whatsapp
Quelle: dpa

Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

Mehr zum Thema E-Mobilität

Weitere Politik-Themen aus dem Ausland