Sexuelle Gewalt im Iran:Irans vorsichtige MeToo-Bewegung: Der Fall Dschamschidi
Eine junge Iranerin beschuldigt einen bekannten Schauspieler der Vergewaltigung. Der Mann erfährt viel Solidarität - sie weniger.
Mit dem Slogan "Frauen, Leben, Freiheit" kämpfen Frauen im Iran für mehr Rechte (Symbolbild).
Quelle: AFPWer im Iran sexuelle Gewalt anprangert, muss mit Gegenwind rechnen. Vielleicht entscheidet sich auch deshalb eine junge Frau für eine anonyme Anzeige, in der sie Pejman Dschamschidi, einen der erfolgreichsten Schauspieler des Landes, sexueller Übergriffe beschuldigt.
Doch statt Empathie für das mutmaßliche Opfer zeigen viele Solidarität mit dem Prominenten. Von Rufmord ist die Rede, von Neid, von Verschwörung. Unter der Oberfläche aber brodelt es.
Junge Frau spricht in Interview über mutmaßliche Vergewaltigung
Seit zwei Wochen dominiert der Fall die Schlagzeilen, nachdem der TV-Star vorübergehend festgenommen worden war. Zunächst war offen, welche Resonanz folgen würde - bis die Enthüllungsjournalistin Elaheh Mohammadi ein Interview mit der Klägerin und ihrer Mutter veröffentlicht.
Musikerinnen und Filmemacher kämpfen gegen die strengen Sittenvorschriften im Iran. Und riskieren viel: Immer wieder greift das Regime durch.
11.09.2024 | 6:22 minDarin berichtet die junge Frau von der mutmaßlichen Vergewaltigung in Dschamschidis Wohnung. Und sie erklärt, man habe ihr viel Geld geboten, sollte sie die Anzeige zurücknehmen. Als Dschamschidi auf Kaution freikommt, verlässt er das Land, offiziell aus familiären Gründen.
In einer emotionalen Stellungnahme wendet sich der 48-Jährige schließlich an die Öffentlichkeit und weist die Vorwürfe entschieden zurück. Er spricht von "schmutziger Verleumdung", von "Lügen und Erfindungen", verteidigt seine Ausreise und kündigt an, in den Iran zurückzukehren.
Fall reiht sich in MeToo-Debatte ein
Die Kinowelt reagiert gespalten. Unter vorgehaltener Hand solidarisieren sich Regisseure mit dem TV-Star, der früher auch Fußballprofi war. "Ganz unschuldig ist er nicht", sagt ein Filmemacher in Teheran. Vergewaltigung könne er sich aber nicht vorstellen.
Wer sich in Deutschland kritisch gegenüber dem Mullah-Regime in Teheran äußert, lebt gefährlich. Der iranische Geheimdienst ist auch bei uns aktiv.
23.07.2025 | 2:44 minDer Fall reiht sich ein in eine globale Debatte, die mit dem Fall Harvey Weinstein im Herbst 2017 begann und seither in vielen Ländern die Strukturen von Macht und Schweigen infrage stellt.
Auch im Iran gibt es seit einigen Jahren eine vorsichtige MeToo-Bewegung. Doch der öffentliche Umgang mit sexueller Gewalt ist geprägt von Misstrauen, Tabus und rechtlichen Hürden. Seit den landesweiten Protesten unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" vor drei Jahren aber hat sich etwas verschoben.
Jina Mahsa Amini wird wegen ihres Kopftuches in Teheran verhaftet und stirbt. Ihr Tod entfacht eine Protestwelle im Iran. Wo steht das Land heute?
20.04.2023 | 29:11 minPsychologin: Mann wird als Opfer dargestellt
Eine Psychologin aus der Hauptstadt Teheran, die ihren Namen nicht nennen möchte, sieht im Umgang mit dem Fall ein Muster vergangener Debatten.
Der übergriffige Mann wird so dargestellt, als wäre er selbst das wahre Opfer - jemand, der durch Neid und Intrigen seiner Rivalen oder durch weibliche Verführung zu Fall gebracht wurde.
Iranische Psychologin
In der iranischen Gesellschaft sei es vielmehr bei den Frauen so, dass sie einen "Ruf zu verlieren" haben. Im Zuge der Frauenrechte werde aber viel offener über Ungleichheit diskutiert. Dschamschidis Fans hingegen sprechen von Rufmord und sehen den Schauspieler als Opfer einer Kampagne.
Öffentliche Musik-Auftritte sind iranischen Frauen nur unter strengen Regeln erlaubt. Sima und Sara trotzen dem Regime.
15.09.2024 | 1:26 minSolidarität mit Anklägerin kommt von Schauspielerin
Nur vereinzelt unterstützen Prominente die Klägerin. Eine von ihnen ist die Schauspielerin Mariam Chodarahmi. In einer Instagram-Story schreibt sie:
In einer frauenfeindlichen Gesellschaft wird das Sprechen über Schmerz als Verbrechen betrachtet.
Mariam Chodarahmi, Schauspielerin
"Schweigen", fügt sie hinzu, sei der "einzige sichere Weg". Auch die staatlichen Stellen setzen Grenzen: Kurz nach Veröffentlichung des Interviews wird die Website der Zeitung "Hammihan", für die die Journalistin Mohammadi arbeitet, blockiert.
Wann Dschamschidi in den Iran zurückkehrt, ist noch unbekannt. Inzwischen hat sogar eine weitere Iranerin, die in Frankreich lebt, Vorwürfe gegen den Superstar erhoben.
In Extremfällen sieht das islamische Recht im Iran sogar die Todesstrafe für Vergewaltiger vor - allerdings kann das Opfer dem Beschuldigten im Falle einer Verurteilung auch verzeihen. Das Land blickt nun gespannt auf die Justiz. Und auf die Frage, ob Anklage erhoben wird.
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