Amnesty International:Höchste Zahl an Hinrichtungen seit 2015
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Die Zahl der vollstreckten Todesurteile ist weltweit auf einem Zehn-Jahres-Hoch. Vor allem im Nahen Osten sind laut Amnesty International 2024 mehr Menschen hingerichtet worden.
In 2024 sind weltweit nahezu genauso viele Menschen hingerichtet worden, wie es zuletzt 2015 mit 1.634 Hinrichtungen der Fall war. Das geht aus dem jährlichen Bericht "Death Sentences and Executions 2024" der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hervor. Mindestens 1.518 Menschen wurden 2024 hingerichtet; ein Großteil davon im Nahen Osten. 2023 waren es noch 1.153.
Gleichzeitig vermerkte Amnesty, dass die Zahl der Länder, in denen die Todesstrafe noch vollstreckt wird, mit 15 auf einem historisch niedrigen Niveau geblieben ist. In wenigen Ländern fand hingegen eine massive Zunahme an Exekutionen statt. Die fünf Länder mit den meisten Hinrichtungen 2024 waren China, Iran, Saudi-Arabien, Irak und Jemen.
Welche Daten Amnesty ermittelt:
Die Volksrepublik China ist Schätzungen zufolge das Land mit den meisten Hinrichtungen. Jedoch veröffentlich das Land keine Daten hierzu. Die vollstreckten Todesurteile werden als Staatsgeheimnis eingestuft. In den Amnesty International vorliegenden Gesamtzahlen konnten daher die tausenden Menschen, die vermutlich jährlich hingerichtet werden, nicht erfasst werden. Seit 2009 veröffentlicht Amnesty International daher keine Hinrichtungszahlen mehr zu China.
Ebenfalls können für Vietnam und Nordkorea die Anzahl an Hinrichtungen nur geschätzt werden. Auch hier geht Amnesty International davon aus, dass die Todesstrafe in großem Umfang Anwendung findet.
Ebenfalls können für Vietnam und Nordkorea die Anzahl an Hinrichtungen nur geschätzt werden. Auch hier geht Amnesty International davon aus, dass die Todesstrafe in großem Umfang Anwendung findet.
In 2024 wurden Todesurteile durch Enthaupten, Erhängen, tödliche Injektionen, Erschießen und Ersticken mittels Stickstoff vollstreckt.
Ende 2024 hatten 113 Länder die Todesstrafe vollständig abgeschafft. Insgesamt 145 Länder hatten die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. Simbabwe hat die Todesstrafe 2024 für einfache Straftaten abgeschafft, Sambia hat die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert.
Zum ersten Mal stimmten 2024 mehr als zwei Drittel aller UN-Mitgliedsstaaten zugunsten einer Resolution der UN-Generalversammlung für ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe. Hierunter versteht sich ein Versuch, alle Staaten der Welt dazu zu bringen, die Todesstrafe zu ächten und sie nicht mehr als Teil in der nationalen Gesetzgebung zu haben. Grundsätzlich habe solch eine Resolution laut Amnesty International aber nur Signalwirkung.
64 Prozent aller Exekutionen im Iran
Der Anstieg lasse sich laut Amnesty vor allem auf den Anstieg der vollstreckten Todesstrafen in Iran, Irak und Saudi-Arabien zurückführen. In diesen drei Staaten sind in 2024 mindestens 1.380 Todesurteile vollstreckt worden.
- Allein der Irak vervierfachte seine Exekutionen innerhalb des Jahres - von mindestens 16 auf mindestens 63.
- Saudi-Arabien verdoppelte die Zahl der Hinrichtungen von 172 auf mindestens 345.
- Und im Iran sind 119 Personen mehr als im Vorjahr hingerichtet worden - von mindestens 853 auf mindestens 972.
Somit lag der Anteil Irans an allen weltweit bekannt gewordenen Exekutionen bei 64 Prozent, so Amnesty weiter. Mehr als 40 Prozent der Hinrichtungen weltweit erfolgte in Zusammenhang mit Drogendelikten.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, erklärt:
Iran, Irak und Saudi-Arabien tragen die Verantwortung für den drastischen Anstieg der Hinrichtungen im vergangenen Jahr: Allein diese drei Länder haben mehr als 90 Prozent der uns bekannten Todesurteile weltweit vollstreckt.
Julia Duchrow, Amnesty International in Deutschland
Insbesondere im Iran und in Saudi-Arabien werde laut Duchrow die Todesstrafe eingesetzt, "um all jene mundtot zu machen, die mutig genug sind, ihre Meinung zu sagen".
Protestierende, Oppositionelle und ethnische Minderheiten werden zum Schweigen gebracht
Gerade in einigen Ländern im Nahen Osten wurden laut Amnesty Todesurteile erlassen, um Menschenrechtsverteidiger, Dissidenten, Protestierende, Oppositionelle und ethnische Minderheiten zum Schweigen zu bringen.
Unter anderem in Iran hatten die Behörden 2024 auf die Todesstrafe zurückgegriffen, um Personen hinzurichten, die das System der Islamischen Republik mit der "Frau, Leben, Freiheit"-Bewegung in Frage gestellt hatten, so die Menschenrechtsorganisation weiter. Mindestens zwei Personen, darunter ein Jugendlicher mit einer psychischen Erkrankung wurden in Zusammenhang mit der Bewegung hingerichtet. Weitere zehn Personen der Bewegung wurden 2024 zum Tode verurteilt und seien laut Amnesty unmittelbar von der Hinrichtung bedroht.
Die saudischen Behörden setzten ebenfalls laut Bericht die Todesstrafe ein, um politisch Andersdenkende zum Schweigen zu bringen.
USA vollstrecken seit Ende der Pandemie jährlich mehr Todesurteile
Weiterhin prangerte Amnesty an, dass Staats- und Regierungschefs im vergangenen Jahr die Todesstrafe instrumentalisiert hätten, um vermeintlich die öffentliche Sicherheit zu erhöhen oder die Bevölkerung einzuschüchtern.
Beispielhaft werden die USA angeführt, die seit Ende der Corona-Pandemie jährlich mehr Todesurteile vollstrecken. Während im Jahr 2023 24 Menschen hingerichtet wurden, waren es in 2024 bereits 25. US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Todesstrafe als Instrument, um Menschen vor "brutalen Vergewaltigern, Mördern und Monstern" zu schützen.
Amnesty erklärt, dass die Haltung Trumps, die Todesstrafe würde Menschen besonders davor abschrecken Straftaten zu begehen, falsch sei.
Die Todesstrafe verhindert keine Verbrechen. Das ist wissenschaftlich gut belegt.
Es gebe keine Argumente für die Todesstrafe - "sie verstößt gegen das Menschenrecht auf Leben. Sie ist, unter allen Umständen und unabhängig von der Tat, menschenverachtend", so Duchrow.
Quelle: dpa
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