Interview
Frankreich nach Olympia:Warum Macron rasch neuen Premier finden muss
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Keine Regierung in Sicht, auch kein Premier: Umso lieber stürzte sich Frankreich erst mal in Olympia. Die Pause ist vorbei. Nun muss Präsident Macron schnell eine Lösung finden.
Pattsituation in Frankreich: Nach der vorgezogenen Parlamentswahl hat kein Lager eine Regierungsmehrheit. Noch immer ist unklar, wie es in dem Land weitergeht. Alle Augen richten sich auf einen Mann.
Präsident Emmanuel Macron spielt auf Zeit und wollte erst einmal die Olympischen Spiele abwarten. Die sind nun zu Ende. Zumindest der Druck auf Macron dürfte aus allen Richtungen wachsen, um Frankreich vor politischem Stillstand zu bewahren.
Bekommt Frankreich nun einen neuen Regierungschef?
Aber noch einmal von vorn: Anders als erwartet hatte bei der Neuwahl der französischen Nationalversammlung Anfang Juli nicht das rechtsnationale Rassemblement um Marine Le Pen, sondern das Linksbündnis Nouveau Front Populaire den Sieg eingefahren. Macrons Mitte-Kräfte landeten auf Platz zwei. Keines der Lager verfügt über eine absolute Mehrheit.
Sitzverteilung in Frankreich
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Für Frankreich, das größere Kompromisse und Koalitionen in der Politik nicht gewohnt ist, ist das eine verzwickte Situation. Hinzu kommt, dass die Lesarten des Wahlergebnisses erheblich auseinandergehen. Im linken Lager sieht man einen klaren Regierungsauftrag und echauffiert sich über Staatschef Macron, der die vorgeschlagene Premierministerin Lucie Castets nicht ins Amt hebt.
Der Präsident hingegen deutet, dass die Wählerschaft eine Zusammenarbeit über politische Lagergrenzen hinweg will - und somit auch seine Mitte-Kräfte Teil der Regierungstruppe sein sollten.
Kommt eine große Koalition?
Ist Macron, der die vorgezogene Parlamentswahl ohne wirkliche Not angezettelt und krachend verloren hat, einfach nur ein schlechter Verlierer, der keine Macht abgeben will? Oder ist er Realist? Sucht er - im Gegensatz zu französischen Konventionen - nach einer möglichen großen Koalition, um aus der politischen Sackgasse zu kommen?
Aus Macrons Lager mehren sich jedenfalls die Stimmen, die erklären, wo es Überschneidungen mit den Konservativen sowie den Sozialisten, Grünen und Kommunisten gibt, die man aus ihrem Bündnis mit der Linkspartei La France Insoumise herauszulösen versucht.
Zeit für Regierungsfindung drängt
Auch wenn Macron betont, dass es nicht um einen einzelnen Namen geht, dürfte die Frage, wer die Regierung anführt, in den Gesprächen durchaus eine zentrale Rolle spielen. Neben der von den Linken eingebrachten Castets werden etwa der konservative Regionalpräsident Xavier Bertrand, der ehemalige Premier Bernard Cazeneuve und der frühere französische Außenminister und spätere EU-Kommissar Michel Barnier als potenzieller Premier gehandelt.
Doch wie schon zuletzt beim noch geschäftsführenden Regierungschef Gabriel Attal könnte Macron auch einen Überraschungskandidaten aus dem Hut zaubern.
So schwierig es auch sein mag, auszuhandeln, wer in Frankreich künftig mit welcher Mannschaft regiert, die Zeit drängt. Denn für das kommende Jahr muss ein Haushalt verabschiedet werden. Eigentlich würden die Beratungen dazu im Parlament bereits im Herbst beginnen.
Die neue Regierung wird vorher mit Sicherheit noch einmal Hand an den Entwurf der aktuellen geschäftsführenden Truppe von Attal anlegen wollen. Nicht zuletzt droht eine langwierige Regierungsfindung auch, als Verzögerungstaktik Macrons verstanden zu werden und den Frust und den Vertrauensverlust in der Bevölkerung wachsen zu lassen. Viel Zeit bleibt dem Präsidenten also nicht, um einen neuen Premier zu finden.
Quelle: dpa
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Quelle: Von Rachel Boßmeyer, dpa
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