Kopftuchverbot im Sport: Kommt es bald in Frankreich?

Debatte in Frankreich:Kommt bald das Kopftuchverbot im Sport?

Luis Jachmann
von Luis Jachmann, Paris
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Religiöse Zeichen sollen im französischen Sport flächendeckend verschwinden. Doch es gibt viel Kritik am Vorhaben der Regierung.

Spielerinnen der Marseille Panthers bei einer Besprechung mit ihrem Trainer.
Frankreich führt die nächste Debatte über das Tragen des Kopftuchs: Es geht um einen Gesetzesvorschlag zum Verbot von Kopftüchern bei allen Sportwettbewerben. 25.04.2025 | 2:03 min
Viele Jahre konnte Sabria mit Basketball nur wenig anfangen. Die Studentin spielte lieber Volleyball an Marseilles Stränden - bis eine zufällige Begegnung ihr Interesse weckte: "Ich habe Nadji Nehari (Anm. d. Red.: Sportmanager) kennengelernt. Er hat mir von seinem neuen Verein erzählt, der gezielt Frauen im Sport fördert. Vor allem im Straßensport, der von Männern dominiert wird. Darunter Basketball", sagt Sabria.
Seit drei Jahren geht sie zum Training der Marseille Panthers. Die 20-jährige Muslima ist eine von mehreren jungen Frauen, die im Mixed-Training mit Kopftuch auf dem Platz stehen. Im Verein kein Problem. Bei Wettkämpfen in Frankreich verboten.

Kopftuch beim Basketball: Bei Turnieren verboten

Seit 2022 untersagt der französische Basketballverband das Tragen religiöser Zeichen bei offiziellen Spielen. Sabria nimmt seitdem nicht mehr an Turnieren teil. Andere Sportverbände sind da toleranter. Die Handball- und Judoverbände etwa erlauben bis heute das Tragen von Kopftuch, Kreuz und anderen religiösen Symbolen.
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Französische Regierung will allgemeines Verbot

Die französische Regierung möchte diese individuelle Auslegungssache beenden und ein allgemeines Verbot im Sport erlassen, ein entsprechendes Gesetz soll verabschiedet werden. Für Sabria ist die Signalwirkung dieser Debatte verheerend: "Die meisten Frauen tragen das Kopftuch aus voller Überzeugung. Im Falle eines Verbotes entscheiden wir uns eher für das Kopftuch als dafür, den Sport weiter auszuüben", sagt sie.

Das ist total schade. Ich finde es unnötig, Frauen so aus der Gesellschaft auszuschließen.

Sabria, Basketballspielerin Marseille Panthers

Frankreich: Kopftuch schon in Schulen untersagt

Stéphane Piednoir wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Der konservative Senator hat den Gesetzestext mit ausgearbeitet. Piednoir bringt im Gespräch mit ZDFheute ein kontroverses Argument vor: Er weist auf Sportlerinnen und Sportler anderer Konfessionen hin, die sich durch das Kopftuch gestört fühlen können.
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Und der Senator beruft sich auf ein Verbot aus der jüngeren Gegenwart: Seit 2004 sind religiöse Zeichen bereits aus Frankreichs Klassenräumen verbannt. Diese Praxis im Zeichen der Trennung von Staat und Kirche habe sich bewährt. Eine Ausweitung des Verbots auf sportliche Wettbewerbe könne die Neutralitätspflicht im laizistischen Frankreich stärken, so Piednoir.

Auf dem Sportplatz sollte es kein anderes sichtbares Zeichen geben als die Trikots.

Stéphane Piednoir, Senator der Partei Les Républicains

Mit den Trikots verteidige man die Farben seiner Mannschaft, seiner Gemeinde, seiner Region und seines Landes, meint Piednoir.
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Bruno Retailleau: "Kopftuch ist kein Symbol der Freiheit"

Im Senat hat der Gesetzesentwurf eine Mehrheit gefunden. In den nächsten Wochen steht die Abstimmung in der zweiten Parlamentskammer - in der Assemblée Nationale - an. Offen ist, ob sich auch dort eine Mehrheit findet.
Die französische Regierung wirbt schonmal für das Verbot, allen voran der Innenminister: "Das Kopftuch ist kein Symbol der Freiheit, es ist ein Symbol der Unterwerfung. Es stellt die Gleichheit zwischen Männern und Frauen radikal infrage", sagt Bruno Retailleau. Der Innenminister sieht eine Querverbindung zwischen radikalem Islamismus und Kopftuch.

Sorge vor Ausgrenzung muslimischer Frauen

Für Menschenrechtsorganisationen ist dies ein unzulässiger Rückschluss. Johanna Wagman von Amnesty International kritisiert die Aussagen des Innenministers: "Diesen Frauen wird abgesprochen, dass sie eine individuelle Entscheidung treffen. Das ist rassistische Annahme, die davon ausgeht, dass die Frauen alle zwangsläufig einer Ideologie unterworfen sind, die im Widerspruch zu den französischen Werten stehen."
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Kopftuchträgerinnen fürchten Ausschluss

Wagman merkt an, dass Muslima bei der Ausarbeitung des Gesetzes nicht angehört worden sind. Dabei seien sie die ersten Betroffenen eines Verbots religiöser Zeichen im Sport.
Sabria aus Marseille glaubt, dass der Ausschluss von Kopftuchträgerinnen die Gesellschaft weiter spalten könnte: "Das wird zu noch mehr Problemen in der Gesellschaft führen. Ich denke nicht, dass das Verbot eine Lösung bringt". Ihren Widerstand möchte sie nicht aufgeben. Aber große Aussicht auf Erfolg hat er nicht.

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Quelle: dpa

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