PFAS: Ewigkeitschemikalien gelangen durchs Essen in den Körper

Interview

Kozentration nimmt zu:PFAS: Wie gefährlich die Chemikalien für Menschen sind

Eine Frau mit braunen Haaren lächelt in die Kamera.

von Lara Wiedeking, Brüssel

|

PFAS, robuste "Ewigkeitschemikalien": Für die Industrie ein wichtiger Faktor, für unsere Gesundheit eine potenzielle Bedrohung. Ein Interview mit der Europäischen Umweltbehörde.

Eine Hand mit blauem Plastik-Handschuh, die mit einem Glaskolben Wasser aus einem Gewässer entnimmt.

Sie sind in Pfannen, Regenjacken oder Verpackungen, und letztlich auch im Wasser: Sogenannte gesundheitsschädliche Ewigkeitschemikalien. In Belgien ist das Problem besonders groß.

15.10.2025 | 5:51 min

PFAS, das steht für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen - ein sperriger Begriff, aber was machen diese Substanzen eigentlich genau? Wie gelangen sie in unsere Umwelt? Und was weiß man über die Folgen für Mensch und Tier?

Magnus Løfstedt ist der Experte für Chemikalien bei der Europäischen Umweltbehörde, einer EU-Behörde mit Sitz in Kopenhagen. Seit Jahren untersucht er Daten und Erhebungen zu PFAS. In der EU wird über ein flächendeckendes Verbot debattiert. Angestoßen unter anderem von Deutschland.

ZDFheute: Herr Løfstedt , wie groß ist das Problem von PFAS, von den Ewigkeitschemikalien, in der Europäischen Union? Wie weit verbreitet sind sie?

Magnus Løfstedt: Alle Daten, die wir bei der Europäischen Umweltbehörde vorliegen haben, zeigen ganz klar, dass es ein hohes Level an Kontaminierung gibt. Unsere Daten umfassen dabei allerdings nur einige bestimmte Verbindungen.

Bei einer Studie wurden Jugendliche in neun EU-Mitgliedsstaaten auf vier verschiedene PFAS-Verbindungen getestet. Dabei kam heraus, dass im Schnitt 14 Prozent der getesteten Personen zu hohe PFAS-Werte im Blut hatten. Für Deutschland lag der Wert sogar bei 18 Prozent.

Niederlande: Deutsche verschmutzen Rhein

Niederländische Wasserversorgungsunternehmen fordern Grenzwerte für die Einleitung von Ewigkeitschemikalien in den Rhein. Deutschland hält sich bislang nicht an Vereinbarungen.

10.09.2024 | 2:18 min

ZDFheute: Warum ist es so schwer zu sagen, wie gefährlich die verschiedenen PFAS-Verbindungen sind, die es gibt?

Løfstedt: Es ist eine große Gruppe an Substanzen, wir reden hier über 10.000 verschiedene Verbindungen, die zur PFAS-Familie gehören. Über einige wissen wir schon viel, und dass sie gefährlich sind. Dass sie für Menschen und die Umwelt giftig sind. Über andere wissen wir deutlich weniger. Was aber auf alle Verbindungen zutrifft: Sie sind extrem widerstandsfähig und bleiben, einmal in der Umwelt, für viele Jahre dort.

ZDFheute: Was weiß man denn darüber, was PFAS nicht nur im Menschen, sondern auch in der Umwelt für Folgen haben, also in den Tieren, aber auch im Wasser oder im Boden?

"Umwelt Crime - Der Fall Rastatt - PFAS Chemikalien im Trinkwasser": Aus einem Hahn kommt mit Chemikalien belastetes Wasser. Im Hintergrund steht schemenhaft eine Person.

Mittelbaden 2012: Eine riesige Fläche wird mit PFAS kontaminiert. Die Chemikalie gelangt ins Trinkwasser und auch ins Blut der Menschen. Ein Umweltverbrechen mit Folgen bis heute.

26.05.2024 | 28:20 min

Løfstedt: Bei einigen PFAS-Verbindungen wissen wir, dass eine erhöhte Konzentration im Menschen bestimmte Folgen hat: Das Immunsystem wird schwächer, oder entwickelt sich nicht so gut. Die Leber kann geschädigt oder das endokrine System gestört werden.

Einige PFAS-Verbindungen sammeln sich an. Dann steigt die Konzentration in lebenden Organismen. Das ist vor allem für Raubtiere ein Problem, am oberen Ende der Nahrungskette - aber auch für Menschen.

Magnus Løfstedt, Europäische Umweltbehörde

ZDFheute: Also, ganz simpel gesagt: Der größere Fisch isst den kleineren Fisch. Wir essen den größeren Fisch - und so sammeln sich PFAS in unserem Körper?

Løfstedt: Genau, auf jeder Stufe der Nahrungskette nimmt die Konzentration zu. Klar, wir Menschen sind PFAS auch durch die Produkte ausgesetzt, die wir benutzen. Aber das ist nicht die größte Sorge.

Das Wasser aus dem Hahn im Elsass ist gefährlich, da es durch PFAS aus Flughafen-Löschmitteln kontaminiert wurde. Seit Mai 2025 besteht Trinkverbot für Risikogruppen.

Wegen giftiger Chemikalien aus Löschmitteln dürfen Risikogruppen im Elsass kein Wasser mehr aus dem Hahn trinken. Wer ist verantwortlich für diese Verunreinigung?

28.08.2025 | 27:14 min

Die meisten von uns nehmen den Großteil PFAS durch unser Essen auf. Oder durchs Trinkwasser. Manche PFAS sind sehr mobil, und gelangen vom Boden ins Grundwasser.

Magnus Løfstedt, Europäische Umweltbehörde

ZDFheute: Aber wie gelangen PFAS in die Natur?

Løfstedt: Manche durch alltägliche Produkte, die wir nutzen: Es werden viele PFAS in Textilien verarbeitet, weil sie schmutz- und wasserabweisend sind. Wenn wir diese Textilien waschen, können sich PFAS lösen und ins Wasser gelangen, in die Klärwerke und, weil sie so robust sind, in die Umwelt. Aber das ist nur ein Beispiel.

BELGIUM-HEALTH-ENVIRONMENT-POLITICS

Viele Bereiche der Industrie und Wissenschaft setzten Ewigkeitssubstanzen wie PFAS ein. Diese gelangen in die Umwelt und gelten als gesundheitsschädlich. Eine Kommune in Belgien ist besonders betroffen.

27.08.2025 | 1:55 min

Manche Produkte, die PFAS enthalten, landen in Müllverbrennungsanlagen - um PFAS komplett zu zerstören braucht man allerdings sehr hohe Temperaturen. Wenn die nicht erreicht werden, können PFAS über die Luft in die Umwelt gelangen.

Chemieskandal in den Niederlanden

Im Februar 2024 wird klar: Der Chemiekonzern Chemours produziert seit den 1960er Jahren PFAS in seinem Werk in Sliedrecht und verunreinigt damit die Umgebung und das Grundwasser.

05.02.2024 | 2:23 min

ZDFheute: Welche Rolle spielen dabei die Unternehmen, die PFAS produzieren?

Løfstedt: Unsere Schwesteragentur, die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) in Helsinki, arbeitet derzeit an einem Vorschlag, wie man die Nutzung von PFAS einschränken kann. Sie schauen jeden Sektor an: wie viel PFAS dort genutzt werden, wie viel in die Umwelt gelangt.

Magnus Lofstedt
Quelle: privat

... ist bei der Europäischen Umweltbehörde (EEA) Experte für Chemikalien und den Einfluss auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Die EEA ist eine EU-Behörde mit Sitz in Kopenhagen, Dänemark.


Das ist natürlich sehr unterschiedlich, weil es in fast allen Produkten am Markt genutzt wird. Hoffentlich haben wir dann mit dem Bericht einen guten Überblick, wo genau PFAS genutzt werden, und wo sie in die Umwelt gelangen.



Bisher wurden nur einzelne PFAS-Verbindungen verboten, nachdem ihre Schädlichkeit nachgewiesen werden konnte. Die Einzelprüfung bei über 10.000 Stoffen würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, kritisieren Umwelt- und Verbraucherschützer, sowie EU-Politiker*innen. So fordert die Grünen-Europaabgeordnete und Pharmazeutin Jutta Paulus ein PFAS-Verbot vor allem in Alltagsgegenständen, wie Pfannen, Pizzakartons oder Pappbechern.

2023 haben Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden bei der Europäischen Chemikalienagentur einen Vorschlag eingereicht, die über 10.000 PFAS-Verbindungen flächendeckend zu verbieten. Der weitreichende Vorschlag aus dem Jahr 2023 sah eine Übergangsfrist von bis zu 13 Jahren vor, um der Industrie zu ermöglichen, alternative Stoffe zu finden. Für einige, sehr spezielle Produkte, sollte es Ausnahmen geben. Gemeinsam mit den Ländern, die den Vorschlag eingebracht haben, arbeitet die Europäischen Chemikalienbehörde seit 2023 an dem Beschränkungsverfahren. Bis Ende 2025 wird mit einem Vorschlag der ECHA gerechnet, wie die EU-Chemikalienverordnung "REACH" überarbeitet werden sollte, um PFAS zu beschränken. Erst vor wenigen Wochen erklärte die deutsche Bundesregierung, man wolle auf keinen Fall ein pauschales Verbot von PFAS.

Quellen: ECHA, Umweltbundesamt, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Jutta Paulus





Ewigkeits-Chemikalien eindämmen
:USA gehen gegen PFAS in Trinkwasser vor

100 Millionen Menschen vor PFAS schützen und Zehntausende schwerer Krankheiten verhindern: Das möchte die US-Umweltschutzbehörde mit ihren neuen Regelungen erreichen.
von Yasmin Becker
Ein Wasserhahn auf einem weißen Waschbecken mit Fließen im Hintergrund
Analyse

Mehr zum Thema Chemikalien

  1. Dr. Julios Kontchou, Ökotoxikologe von Greenpeace, entnimmt auf der norddeutschen Insel Sylt Proben von Meeresschaum, um sie auf PFAS (Per- und Polyfluoralkyl-Stoffe) - die so genannten Ewigkeitschemikalien - untersuchen zu lassen.

  2. Verschiedene Reinigungsmittel nebeneinander aufgereiht

    Multiple Chemikaliensensibilität:Wenn die Umwelt krank macht

    von Thomas Hauer
    mit Video

  3. Konservendosen ohne Etikett stehen auf der Arbeitsfläche einer Küche.

    Besorgniserregender Fund:Stiftung Warentest warnt vor Konserven

    von Christina-Maria Pfersdorf

  4. Niederlande fordern weniger deutsche PFAS-Einleitungen in Rhein

    Trinkwasser:Deutsches Gift belastet Rhein in Niederlanden

    von Ralph Goldmann, Britta Behrendt