Balkan: Wie Vucic, Orbán und Dodik den Frieden belasten

Vucic, Orbán und Dodik:Ein Trio, das den Frieden auf dem Balkan belastet

von Christian von Rechenberg
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Sie gelten als die größten Unruhestifter auf dem Balkan: Aleksandar Vucic, Viktor Orbán und Milorad Dodik. Ihre Allianz macht sie stark, doch ihre Gegner werden stärker.

Viktor Orban, Aleksandar Vucic und Milorad Dodik
Viktor Orbán, Aleksandar Vucic und Milorad Dodik (v.l.): eine politische Allianz mit Einfluss auf den Westbalkan. In Bosnien sorgt die Lage rund um die Republika Srpska wieder für Spannungen.16.04.2025 | 2:04 min
Wer wissen wollte, wie es derzeit um die Macht und die Autorität von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic bestellt ist, der erhielt am vergangenen Samstag mehrere Einblicke. Nur mit Mühe konnte Vucic seine Getreuen in Belgrad versammeln, um seine lange angekündigte politische Gegenbewegung ins Leben zu rufen. Um ein Haar entging er dabei der Totalblamage, sagen Beobachter. Denn statt der erhofften 200.000 Menschen kam gerade mal ein Viertel, herbeigekarrt offenbar auch aus benachbarten Ländern, in denen Serben leben. Macht sieht anders aus.

Gegenveranstaltung der Studentenbewegung in Serbien

Gleichzeitig setzte die immer stärker werdende Studentenbewegung im kleinen serbischen Ort Novi Pazar ein stilles, aber turmhohes Ausrufezeichen. Sie übten den Schulterschluss mit der dort lebenden bosniakischen Minderheit.
Ein "Fest der Hoffnung", sagt der Politikwissenschaftler Vedran Dzihic, während in Belgrad Vucics Anhänger einen "Boss auf der Verlierer-Straße" erlebt hätten.
Ein Fahrrad mit einer serbischen Flagge am Lenkeer steht in Straßburg.
80 Studenten aus Serbien sind in Straßburg angekommen. Mit ihrer 1.000 Kilometer langen Fahrrad-Demonstration wollten sie bei der EU gegen Präsident Vucic protestieren.16.04.2025 | 0:19 min

Vucic, Orbán, Dodik: Allianz der Nationalisten

Rückhalt, auch das konnte man am Samstag sehen, hat Vucic nur bei zwei Gesinnungsgenossen. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, per Videobotschaft präsent, und dem bosnischen Serbenführer Milorad Dodik - letzterer provokativ höchstpersönlich auf der Bühne, obwohl ihn die Justiz von Bosnien und Herzegowina per internationalem Haftbefehl sucht.
Die Botschaft der drei: Der Westen versuche, den echten Serben und Ungarn vorzuschreiben, wie sie leben sollen, sie gar zu vernichten.

Das ist eine Allianz von sehr nationalistisch orientierten, autoritär denkenden, reaktionär agierenden Politikern.

Vedran Dzihic, Politikwissenschaftler Universität Wien

Soldaten auf Pferden zu Fuß. Politiker im Vordergrund mit großem auslandsjournal Logo
Europa war für Ungarn, Slowenen, Tschechen und Slowaken das Versprechen von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Was ist daraus geworden, was hat sich in 20 Jahren EU verändert?25.04.2024 | 44:15 min

Dodik: Autokrat mit serbischer Rückendeckung

Hinter dieser Allianz stecken handfeste politische, aber auch persönliche wirtschaftliche Interessen. Milorad Dodik ist Präsident der kleinen und bettelarmen Republika Srpska, einer teilweise selbständigen Region von Bosnien und Herzegowina, überwiegend von serbischen Bosniern bewohnt.
Dodik, knallharter Autokrat und Nationalist, will sich Serbien anschließen. Er ignoriert die Zentral-Regierung in Sarajewo, setzt deren Anordnungen außer Kraft, wurde verurteilt und ist nun per Haftbefehl gesucht. Dass er sich noch immer frei bewegen kann, verdankt er seinem Freund Vucic.
Anhänger des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic versammeln sich vor einer Kundgebung in Belgrad.
Serbiens Präsident Vucic hat eine Großkundgebung organisiert, nachdem wochenlang gegen seine Regierung protestiert wurde. Er behauptete, die Proteste seien aus dem Ausland gesteuert.13.04.2025 | 0:18 min

Vucic und Dodik - zwei mit einem Ziel: "Serbenschaft"

Serbiens Präsident Vucic stützt Dodik, denn dieser dient ihm auf zweierlei Art. Vucic will sich als Übervater aller Serben auf dem Balkan gerieren, träumt im Stile eines Groß-Serbiens davon, auch in den Nachbarländern die Geschicke seiner Landsleute zu steuern. Dodik ist seine Tür nach Bosnien und Herzegowina. Er hat für Vucic aber auch eine zweite wichtige Funktion: denn Vucic steht seit Monaten unter gewaltigem Druck.

Das könne Vucic motivieren, in Bosnien Dodik den Rücken zu stärken, um dort über Unruhen von der eigenen innenpolitischen Krise abzulenken.

Florian Bieber, Politikwissenschaftler Universität Graz

Beide sind beste Freunde, Dodik ist bei praktisch allen Staatsveranstaltungen in Serbien anwesend, er und seine Familie betreiben dort lukrative Geschäfte, er besitzt die serbische Staatsbürgerschaft und setzt sich dafür ein, dass auch alle Bürger der Republika Srpska diese automatisch erhalten. Dodiks Ziele gehen also Hand in Hand mit Vucics Zielen - die "Serbenschaft" als Plattform für den Machterhalt.
Hungary Revolution Anniversary
Korruption, kaum Ärzte, Abwanderung: All das trieb wieder zehntausende Anhänger Peter Magyars auf die Straße - sein Kontrahent Viktor Orban gerät damit ordentlich unter Druck. 25.10.2024 | 2:42 min

Orbán Idee von der EU-Erweiterung

Bliebe Viktor Orbán. Ungarn ist in den Augen Biebers "sehr wichtig für beide geworden, allein aus dem Grund, dass Ungarn als EU-Mitglied viele Entscheidungen blockieren kann, die möglicherweise für die beiden eng werden würden". Davon machte Orbán in letzter Zeit reichlich Gebrauch.
Orbán weiß um die schlechte Figur, die die EU derzeit auf dem Balkan macht. Sie setzt auf Stabilität, legt trotzdem die Beitrittsprozesse Serbiens oder Bosnien und Herzegowinas auf Eis. Die Bevölkerung ist zunehmend frustriert, wendet sich von der EU ab. Brüssel-Kritiker Orbán spielt das in die Karten.

Offiziell unterstützt Orbán zwar die EU-Erweiterung, aber nach seinen Vorgaben, mit der Idee: je mehr Orbans, desto besser in der EU.

Florian Bieber, Politikwissenschaftler Universität Graz

Ungarns Premierminister Viktor Orban
Viktor Orban steht politisch unter Druck. Der ungarische Ministerpräsident will mit Geldsegen für Dorfkneipen punkten. 15.04.2025 | 2:19 min

Gegenwind für alle drei Autokraten

Drei Männer, ein starkes Bündnis? Nicht ganz, sagt Experte Dzihic. Ihre vermeintliche Stärke stehe "derzeit unter den Rahmenbedingungen einer doch ziemlich unter Druck geratenen Troika". Denn alle drei haben die Mehrheit in der Bevölkerung verloren. Orbán droht nächstes Jahr eine krachende Wahlniederlage, trotz auf ihn maßgeschneiderten Wahlrechts, Dodik hat seine Karten in Bosnien und Herzegovina endgültig überreizt, und Vucic bekommt die Proteste der Studierenden nicht mehr in den Griff.

Wir stehen sicherlich vor einer Zäsur, vor einem Umbruch.

Vedran Dzihic, Politikwissenschaftler Universität Wien

Und so eint die drei Autokraten am Ende vielmehr eines. Sie setzen entweder auf Gewalt, wonach es in Serbien zunehmend aussieht, oder sie geben auf. Dafür sehen die Experten noch keine Anzeichen. Aber, so Politikwissenschaftler Dzihic, jede Autokratie habe ein Ablaufdatum.
Christian Rechenberg ist Korrespondent im ZDF-Studio Wien. Er berichtet von dort aus den Ländern Südosteuropas.

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