Sexualstrafverfahren: Schlussplädoyers im Weinstein-Prozess
Sexualstrafverfahren vor Urteil:Schlussplädoyers im Weinstein-Prozess
von Celine Kebben
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Der Prozess gegen den ehemaligen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein neigt sich dem Ende zu: Im Wiederaufnahmeverfahren haben am Dienstag die Schlussplädoyers begonnen.
Bei Verurteilung drohen Weinstein wegen Sexualverbrechen bis zu 29 Jahre zusätzliche Haft.
Quelle: epa
Der Gerichtsaal im 13. Stock des Strafgerichts in Manhattan war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Stimmung war spürbar aufgeladen.
Als Harvey Weinstein im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben wird, sieht er blass und kraftlos aus. Sein starrer Blick wanderte über die voll besetzten Reihen, mit einem leichten Nicken in Richtung des Publikums.
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Schlussplädoyers nach sechs Wochen Prozess
Seit Mitte April hatte die Staatsanwaltschaft den Ex-Filmmogul als Mann präsentiert, der seine Macht in Hollywood systematisch missbrauchte. Ihm wird vorgeworfen, die aufstrebende Schauspielerin Jessica Mann im Jahr 2013 vergewaltigt und Miriam Haley und Kaja Sokola in den Jahren 2006 und 2002 sexuell missbraucht zu haben.
Weinsteins Anwalt: "Das ist kein Casting-Couch-Fall"
Weinsteins Anwalt Arthur Aidala nutzte sein Schlussplädoyer für eine theatrale Inszenierung. Er schmeichelte der Jury, brachte sie mit persönlichen Anekdoten zum Lachen.
Er zeichnete ein Bild von den Frauen mit "gebrochenen Träumen", die keine Opfer gewesen seien, sondern einvernehmliche Beziehungen mit Weinstein gehabt und ihn als Karrieresprungbrett missbraucht hätten.
Die Schilderungen der Taten seien völlig unglaubwürdig: "Das ist kein Casting-Couch-Fall. Harvey war derjenige, der von den Frauen benutzt wurde", sagte Aidala und spielte damit auf das Machtverhältnis zwischen Weinstein und den Klägerinnen an. Der Fall sei "all about sex" - aber eben einvernehmlicher Sex.
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Weinstein schweigt - Urteil in Kürze
Im Gegensatz zur emotionalen und persönlichen Argumentation der Verteidigung blieb die Staatsanwaltschaft sachlich zur Beweislage. Sie erinnerte die Jury daran, dass es nicht um Harvey Weinsteins Prominenz gehe, sondern um Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch.
Staatsanwältin Nicole Blumberg betonte, Weinstein sei mächtig und einflussreich in der Filmbranche gewesen. "Aber er nutzte dieselbe Macht und denselben Einfluss auch, um Frauen zu isolieren, sie an Orte zu bringen, an denen er allein mit ihnen war, und sie zu misshandeln", so Blumberg.
Alle drei Frauen hätten nach dem Missbrauch weiter Kontakt gehalten - aus Angst. Sie schämten sich nicht für ihre Aussagen, sondern für das, was Weinstein ihnen angetan habe. Weinstein lächelte gelegentlich während des Plädoyers seines Anwalts - und reagierte auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft mit Kopfschütteln.
Strafverteidigerin Jacqueline Goodman beobachtet eine Weiterentwicklung: "Diese Verteidigung war nicht weniger durchsetzungsstark, aber sie ging chirurgischer vor", schrieb sie auf ZDF-Anfrage. Im ersten Verfahren hatten aggressive Angriffe auf die Opfer Kritik ausgelöst. Der 73-jährige Angeklagte selbst trat - wie schon im ersten Verfahren - nicht in den Zeugenstand.
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Bedeutung für #MeToo und rechtliche Konsequenzen
Für die #MeToo-Bewegung hat der Prozess über den Einzelfall hinaus Symbolkraft. "Eine Verurteilung würde keine neue Rechtsgrundlage schaffen, aber sie würde weitere Opfer ermutigen, über sexuelle Gewalt und Belästigung zu sprechen", so Goodman.
Gleichzeitig warnt sie:
In Strafprozessen ist das ein Nullsummenspiel. Mehr Schutz für mutmaßliche Opfer bedeutet zwangsläufig weniger Schutz vor Fehlurteilen.
„
Jacqueline Goodman, Strafverteidigerin
Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Weinstein hat sich laut Goodman einiges verändert: "Die Industrie ist vorsichtiger geworden, es gibt strengere Schutzmechanismen." Gleichzeitig warnt sie vor Schnellverurteilungen, die Karrieren allein aufgrund eines Vorwurfs zerstören könnten.
Weinstein droht zusätzliche Höchststrafe
Nach den Schlussplädoyers liegt es nun an den zwölf Geschworenen, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Im Fall einer Verurteilung droht Harvey Weinstein in New York eine zusätzliche Höchststrafe von bis zu 29 Jahren.
Der Ex-Produzent sitzt jedoch bereits wegen einer 2022 verhängten 16-jährigen Haftstrafe in Kalifornien im Gefängnis - und wird wahrscheinlich den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.
Quelle: dpa
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