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Plötzlich Royal:Wie Bürgerliche Europas Monarchien verändern
von Lisa Wolff
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Früher undenkbar, heute Standard im europäischen Hochadel: Bürgerliche heiraten in Königshäuser ein. Wie Kate Middleton und Co. die europäischen Monarchien verändern.
Der 29. April 2011 ging in die Geschichtsbücher ein. In der Westminster Abbey heiratet die Bürgerliche Catherine Elizabeth Middleton den britischen Thronfolger Prinz William. Eine Hochzeit wie aus dem Märchenbuch. "Heiratet aus Liebe!" Das habe Diana ihren Söhnen William und Harry immer wieder eingebläut, erklärt die britische Royal-Expertin Katie Nicholls.
Kate Middleton: Eine Bürgerliche im britischen Königshaus
William ließ sich mit der Entscheidung Zeit, wer die zukünftige Königin an seiner Seite sein sollte. Neun Jahre lang waren er und Kate Middleton ein Paar. Sie hatten sich an der Uni kennengelernt. Catherine stammt aus einer Millionärsfamilie, ihre Eltern hatten mit einem Versandhandel für Partyartikel viel Geld verdient und konnten Catherine den Besuch einer Privatschule ermöglichen. Catherine verkehrte also bereits in exklusiven Kreisen. Dennoch: Sie war eine Bürgerliche.
Die britische Presse stürzte sich auf ihre "Middleclass"-Herkunft und veranstaltete eine regelrechte Hetzjagd auf die junge Frau. An ihrem 25. Geburtstag lauern rund 20 Paparazzi und fünf Kamerateams vor Kates Haus, verfolgen die junge Frau bis zu ihrem Auto.
Mit gesenktem Blick hetzt Kate die Straße entlang, die Fotografen in einer dichten Traube um sie herum. Der Vorfall löste damals landesweit große Empörung aus. Und der Palast veröffentlicht ein Statement:
Prinz William wünscht sich nichts sehnlicher, als dass die Paparazzi aufhören, seine Freundin zu belästigen.
Statement des Palastes
Mette-Marit: Keine klassische Disney-Prinzessin
Noch schlimmer ging die Öffentlichkeit mit einer jungen Norwegerin ins Gericht: Mette-Marit Tjessem Høiby, die als Kellnerin jobbte und für ihr exzessives Partyleben bekannt war, lernte Kronprinz Haakon von Norwegen bei einem Musikfestival in Kristiansand im Jahr 1999 kennen.
Die damals 25-Jährige hatte da bereits einen unehelichen, dreijährigen Sohn, Marius. Von dem Vater des Jungen, Morten Borg, hatte sich Mette-Marit noch vor der Geburt getrennt. Auch Morten Borg war im Osloer Nachtleben bekannt und bereits wegen Kokainbesitzes verurteilt worden. "Mette-Marit war also alles andere als eine klassische Disney-Prinzessin", sagt die norwegische Journalistin Ingeborg Senneset.
Die norwegischen Medien benahmen sich wie Aasgeier
Ingeborg Senneset, norwegische Journalistin
Es habe keinen Unterschied gemacht, ob die Klatschpresse oder seriöse Zeitungen über Mette-Marit berichtet hätten, betont Senneset. "Der Druck kam von allen Seiten. Sie wurden ständig von Paparazzi verfolgt. Und die Klatschpresse kontaktierte Mette-Marits Freunde und ihre Familie, um Informationen über sie zu bekommen."
Folgen für Beliebtheit des norwegischen Königshauses
Als Mette-Marit und Kronprinz Haakon am 1. Dezember 2000 vor die Presse treten, um ihre Verlobung zu verkünden, reagieren die anwesenden Journalisten verhalten. Ob die Vergangenheit Mette-Marits nicht eine Belastung für die norwegische Krone darstelle, fragt eine Pressevertreterin.
Mette-Marit antwortet schlicht, man möge sie doch bitte als Mensch wahrnehmen, der zwar Fehler gemacht habe, nun aber nach vorne blicken müsse, um einen guten Job machen zu können. Der öffentliche Druck lässt trotzdem nicht nach, sodass sich Mette-Marit und Haakon kurz vor der Hochzeit dazu gezwungen sehen, erneut eine Pressekonferenz einzuberufen, in der Mette-Marit noch einmal öffentlich um Vergebung für ihre bewegte Vergangenheit bittet.
Beliebtheitswerte von Norwegens Monarchie rauschen ab
Dennoch fällt die Zustimmung für die norwegische Monarchie von rund 90 Prozent auf unter 65 Prozent. Ein Rekordtief. Der dänische Royal-Experte Jakob Steen Olsen bringt es auf den Punkt.
"Royals wandeln auf einem sehr schmalen Grat. Die Monarchie muss moderner werden, sonst können sich die Menschen irgendwann nicht mehr mit ihr identifizieren. Aber kann sie auch 'zu normal' werden? Wenn das Volk irgendwann Fragen stellt, warum man für diese Menschen noch bezahlen soll, wenn sie doch gar nicht besser sind als man selbst?"
Quelle: privat
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Marius Borg war sogar einmal in Haft
In diesem Spannungsfeld bewegen sich Europas Königshäuser - immer wieder rütteln Affären und Skandale an der blitzsauberen Fassade. Auch Mette-Marit wird aktuell von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Ihrem ältesten Sohn Marius Borg, den sie immer aus der Öffentlichkeit heraushalten wollte, werden gravierende Straftaten vorgeworfen. Zeitweise befand sich der 28-Jährige in Untersuchungshaft.
Eine Monarchie beruht auf der Akzeptanz seiner Bürger
"Wenn Royals Bürgerliche heiraten, hilft das einerseits, die Verbindung zwischen Monarchie und Volk zu bewahren", erklärt die Historikerin Ellie Woodacre.
Und gleichzeitig beruhe eine Monarchie immer auch auf der Zustimmung des Volkes, betont die britische Historikerin Anna Whitelock.
Negative Schlagzeilen über Mitglieder des Königshauses mögen auf den ersten Blick banal erscheinen - doch sie bergen das Risiko, eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft der Monarchie auszulösen.
Anna Whitelock, britische Historikerin
Für Prinzessinnen gibt es "kein Handbuch"
Prinzessin Catherine, die sich aktuell von ihrer Krebserkrankung erholt, gilt mittlerweile als absolute Vorzeige-Royal. Sie hatte neun Jahre lang Zeit, um sich auf das Leben am Hof vorzubereiten. "Schon vor der Hochzeit kannte Kate die ganze Familie, war schon in allen Palästen, verstand sich gut mit Prinz Charles - und sie kannte die Queen. All die nervenaufreibenden ersten Begegnungen hatte sie da schon hinter sich", erklärt die britische Journalistin Katie Nicholls. Und dennoch: "Es gibt kein Handbuch, wie man eine Prinzessin wird", so Nicholls. "Man lernt mit der Zeit. Und William war Catherines Mentor. Er war eng an ihrer Seite."
Jetzt gilt Kate als eines der beliebtesten Mitglieder der Royal Family. Ihre Rolle als Prinzessin hat sie perfektioniert. Das scheinbar märchenhafte Leben hat aber auch seine Schattenseiten.
Catherines Krebserkrankung wurde medial ausgeschlachtet
Catherines simple Bitte, ihre Krebserkrankung im Privaten bewältigen zu können, wurde von der Öffentlichkeit gänzlich ignoriert. Die Klatschpresse stürzt sich auf jedes Detail, ihre Gesundheit wird zur Staatsangelegenheit. "Es ist eine Rolle fürs Leben, vor der man nicht weglaufen kann", erklärt Steen Olsen. "Eine Rolle, in der man dauernd beobachtet und bewertet wird - von einer ganzen Nation."
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