Messerattacke von Mannheim:Urteil: Lebenslange Haft für Sulaiman A.?
Im Mai 2024 erstach Sulaiman A. den Polizisten Rouven Laur auf dem Mannheimer Marktplatz, fünf weitere Menschen verletzte er teils schwer. Heute fällt das Urteil im Mordprozess.
Polizist Rouven Laur stirbt im Mai 2024 an tödlichen Stichverletzungen. Angeklagt wegen Mordes ist Sulaiman A. Am letzten Prozesstag hat er sich für das verursachte Leid entschuldigt.
16.09.2025 | 2:27 min"Heute muss jemand sterben." So beschrieb der Attentäter Sulaiman A. im Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart seine Motivation, als er auf den Polizisten Rouven Laur einstach.
Am 31. Mai 2024 wollte der afghanische Asylbewerber A. auf dem Mannheimer Marktplatz eigentlich den Islamkritiker Michael Stürzenberger töten. Dieser veranstaltete an dem Tag mit seiner "Bürgerbewegung Pax Europa" eine Kundgebung.
Ein Jahr nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim hat die Stadt des getöteten Polizisten Rouven Laur gedacht.
31.05.2025 | 1:25 minUrteil Oberlandesgericht: Lebenslange Freiheitsstrafe?
A. griff zunächst Stürzenberger und vier weitere Teilnehmer mit einem Jagdmesser an, sie überlebten teils schwer verletzt. Als der Polizeibeamte Rouven Laur zur Hilfe eilte, stach A. von hinten auf ein. Laur erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Kameras haben das gesamte Geschehen aufgezeichnet, die Videos liefen auch über die Wände des Gerichtssaals in Stuttgart-Stammheim.
Der Staatsschutzsenat des OLG wird Sulaiman A. für seine Tat aller Voraussicht nach zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilen. Doch einige Fragen sind vor der heutigen Verkündung noch offen.
Wie radikalisierte sich der Täter?
Die Bundesanwaltschaft wirft A. vor, schon seit 2021 Sympathien für die Terrororganisation "Islamischer Staat" zu hegen und deren Ideologie zu teilen. Sie hat ihn allerdings nicht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt - anders als zum Beispiel Issa al Hasan, den Attentäter von Solingen.
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18.02.2025 | 27:52 minDie Verteidigung spricht hingegen von einer "Turbo-Radikalisierung" des inzwischen 26-jährigen Angeklagten, der vor der Tat unauffällig mit Ehefrau und zwei Kindern im hessischen Heppenheim lebte. Er sei über Telegram massiv von einer Person mit dem Kürzel "O.R." beeinflusst worden. Dieser habe A. die Erlaubnis gegeben, "Ungläubige" zu töten. Die Identität von "O.R." konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.
Der Attentäter selbst sagte im Prozess unter anderem aus, vor allem das Leid muslimischer Frauen und Kinder im Gaza-Krieg habe etwas in ihm verändert. Die Telegram-Chats seien für ihn eine "Anleitung zum Töten" gewesen, den Mordversuch auf Stürzenberger habe er als "religiöse Pflicht" empfunden.
Islamistische Propaganda auf TikTok bedient sich oft popkultureller Phänomene und Ästhetik.
25.09.2024 | 37:59 minReue des Angeklagten: aufrichtig?
In seinem Schlusswort gestern bat A. die Familie Laur um Entschuldigung. Seine Tat bezeichnete er als "verrückt" und sagte, er hätte sich nicht manipulieren lassen dürfen: "Ich werde mir das nie verzeihen können." Nicht jeder im Saal glaubte ihm diese Worte - im Publikum war Raunen zu vernehmen, nach der Sitzung diskutierten Zuschauer noch über die Aussage.
Ob das Gericht die Reue des Angeklagten für aufrichtig hält, könnte sich darauf auswirken, wie genau das Urteil ausfällt. Für Mord sieht das Strafgesetzbuch ausnahmslos lebenslange Freiheitsstrafe vor - insoweit dürfte der Schuldspruch feststehen. Allerdings ist auch bei einer Verurteilung wegen Mordes unter Umständen eine vorzeitige Entlassung nach frühestens 15 Jahren möglich.
Besondere Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung?
Die Bundesanwaltschaft hat jedoch in ihrem Schlussvortrag dafür plädiert, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Sollte das Gericht dieser Forderung folgen, wäre eine vorzeitige Entlassung nahezu ausgeschlossen; jedenfalls würde eine entsprechende Prüfung erst deutlich später stattfinden.
Die besondere Schwere der Schuld ist in § 57a Strafgesetzbuch geregelt. Dieser sieht vor, dass auch bei einer Verurteilung zu lebenslanger Haft unter bestimmten Voraussetzungen nach 15 Jahren eine Bewährung möglich ist. Das ist allerdings ausgeschlossen, wenn "die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet".
Um zu klären, ob die Schuld des Täters besonders schwer wiegt, bezieht das Gericht verschiedene Faktoren ein, unter anderem das Motiv, die Art und Weise der Tatausführung et cetera.
Die Regeln zur Sicherheitsverwahrung finden sich in §§ 66 ff. Strafgesetzbuch. Sie ist keine Strafe, sondern eine präventive Maßnahme. Sie dient dazu, die Bevölkerung vor Tätern zu schützen, die ihre Strafe verbüßt haben, aber weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.
Die Täter bleiben eingesperrt, allerdings nicht im Gefängnis, sondern in besonderen Einrichtungen, in denen es zum Beispiel größere Therapieangebote gibt.
Sicherungsverwahrung beantragte die Bundesanwaltschaft nicht: Es lasse sich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob bei A. auch in Zukunft eine Radikalisierung fortbestehen könnte, so die Ankläger. Die bloße Möglichkeit einer Gefährlichkeit reiche nicht aus.
Die Verteidiger von A. schlossen sich der Forderung nach lebenslanger Haft an. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld oder die Anordnung der Sicherungsverwahrung lehnten sie ab.
Samet Er arbeitet als De-Radikalisierungsberater im Strafvollzug. Sein Ziel ist es, Islamisten Wege aufzeigen, sich aus der Szene zu lösen.
08.09.2025 | 1:29 minWie werden die Nebenkläger reagieren?
In dem Verfahren gibt es zahlreiche Nebenkläger, allen voran die Familie von Rouven Laur. Im Prozess sprach unter anderem Eve Laur, die Schwester des getöteten Polizisten. In emotionalen Worten beschrieb sie, wie schwer es der Familie fällt, den Tod ihres Bruders und die gesamte Zeit danach zu verarbeiten.
Julia Mende, Anwältin der Familie Laur, sagte, die Familie erwarte eine "harte, gerechte Strafe". Sie forderte zusätzlich die Anordnung der Sicherungsverwahrung.
Das Urteil wird um 9 Uhr verkündet.
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