Polizeischüsse: Rassismusvorwürfe nach Tod von 21-Jährigem
Debatte nach Polizeischüssen:Rassismusvorwürfe nach Tod von 21-Jährigem
von Oliver Deuker
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In Oldenburg wird ein Schwarzer durch Schüsse eines Polizisten getötet. Es folgen Vorwürfe des Rassismus und der Polizeigewalt. Die Ermittlungen laufen noch.
Nach dem Tod eines 21-Jährigen bei einem Polizeieinsatz in Oldenburg wächst die Kritik. Bei Kundgebungen stellt das Bündnis „Gerechtigkeit für Lorenz“ Fragen, auch nach möglichem Rassismus.25.04.2025 | 1:55 min
Drei von vier Schüssen trafen Lorenz von hinten, abgefeuert von einem 27-jährigen Polizisten aus seiner Dienstwaffe. Laut Polizeiangaben "ging er bedrohlich auf die Polizisten zu" und sprühte mit Reizgas.Der 21-jährige Mann starb im Krankenhaus an den Folgen der Schüsse. Lorenz spielte Fußball, war beliebt und in Oldenburg bekannt, erzählen seine Freunde. Lorenz war Deutscher, hatte schwarze Haut.
Schüsse in den Rücken
Ostersonntag. Türsteher der Diskothek Pablo verwehren Lorenz den Eintritt. Der Grund sei seine Kleidung, Lorenz trug eine Jogginghose. Zeugen berichten, Lorenz habe dann Reizgas Richtung Einlasspersonal gesprüht. Dann flüchtet er. Die Türsteher nehmen die Verfolgung auf. Als sie ihn erreichen, soll er mit einem Messer gedroht haben, da lassen sie von ihm ab. Auch vor einer alarmierten Polizeistreife läuft Lorenz weg.
Am Tatort erinnern Fotos, Blumen und Kerzen an Lorenz, der durch Polizeischüsse tödlich verletzt wurde.
Quelle: dpa
2:40 Uhr. In einer anderen Straße trifft er auf die Besatzung eines weiteren Streifenwagens. "Dort ging er bedrohlich auf die Polizisten zu und sprühte dabei Reizstoff in ihre Richtung. Ein 27-jähriger Beamter habe daraufhin nach seiner Dienstwaffe gegriffen, mehrfach auf den Mann geschossen", heißt es in der Pressemitteilung der Polizei.
Zwei Tage nach dem Tod des Mannes veröffentlicht die Staatsanwaltschaft Oldenburg das Obduktionsergebnis. Ein Schuss streifte den Oberschenkel des 21-Jährigen, drei weitere trafen ihn an der Hüfte, am Oberkörper, am Kopf - und von hinten, ist darin zu lesen.
2024 stieg die Zahl tödlicher Schusswaffeneinsätze der Polizei. Wie kommt es zu dieser Entwicklung und wann darf ein Polizist seine Waffe gebrauchen?
von Jan Henrich
Analyse
Ermittlungen zum Fall laufen
Warum von hinten, also in den Rücken geschossen? Es ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die aus Neutralitätsgründen die Polizei in Delmenhorst zusammen mit der Staatsanwaltschaft Oldenburg klären muss. Neben vielen weiteren Fragen: Setzte der Getötete bei den Polizisten wirklich Reizgas ein? Hatte er überhaupt ein Messer und bedrohte er damit den oder die anderen Polizisten? War die Streifenwagenbesatzung in einer Notlage, bestand Notwehr? Hat der 27-jährige Polizist überreagiert, die Nerven verloren?
Antworten darauf müssen die Ermittlungen geben. "Viele wünschen sich Antworten auf die noch ungeklärten Fragen. Das ist emotional verständlich, jedoch müssen zunächst - nach den Prinzipien eines funktionierenden Rechtsstaates - die Hintergründe dieses tragischen Ereignisses lückenlos aufgearbeitet werden", sagt der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn.
Doch in den sozialen Medien kreisen längst schon Vorverurteilungen. Es ist die Rede von Polizeigewalt und weil Lorenz schwarze Haut hatte, werden Rassismusvorwürfe laut. "Wir stehen geschlossen gegen Rassismus, der auch bei der Polizei strukturell ist", heißt es beispielsweise in einem Facebook-Post der Organisation Unitedagainstracism.
Im März erschoss die Polizei in Herne einen mutmaßlichen Messerangreifer. Der 51-Jährige soll im Hausflur eines Mehrfamilienhauses mit einem Messer auf die Beamten losgegangen sein.17.03.2025 | 1:26 min
Polizeigewerkschaft reagiert auf Vorwürfe
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) äußerte sich "betroffen". "Die Obduktionsergebnisse werfen schwerwiegende Fragen und verheerende Vorwürfe auf, die in weiteren Ermittlungen schonungslos beantwortet und aufgeklärt werden müssen." Eigentlich müsste das nicht ausdrücklich betont werden, doch das Vertrauen in den Rechtsstaat, die Wahrheit ans Licht zu bringen, ist bei einigen offenbar gering.
Die Frage, ob die Situation auch eskaliert wäre, wenn Lorenz weiße Haut gehabt hätte, darf gestellt werden. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Patrick Seegers dazu: "Grundsätzlich geht es beim polizeilichen Handeln nicht darum, ob jemand Person of Colour ist oder weiß und deutsch." Dies sei nicht die Bewertungsgrundlage für polizeiliches Handeln, sondern die konkrete Einsatzsituation. Unter dem Motto "Gerechtigkeit für Lorenz!" ist für Freitag eine Demonstration geplant.
Oliver Deuker ist Reporter und Redakteur im ZDF-Landesstudio Niedersachsen.
Quelle: dpa
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