Susann E. vor OLG Dresden:Prozess gegen mutmaßliche NSU-Helferin: Schweigen zum Auftakt
von Christoph Schneider
Der Prozess gegen Susann E. vor dem Oberlandesgericht Dresden hat begonnen - und endete bereits nach 28 Minuten. Die Angeklagte äußerte sich nicht.
Im NSU-Komplex wurden neben Beate Zschäpe 2018 vom Oberlandesgericht München vier Unterstützer verurteilt. Nun muss sich Susann E. verantworten - die Ehefrau eines Verurteilten.
06.11.2025 | 2:30 minDer Andrang vor dem schmucklosen Prozessgebäude Hammerweg im Dresdner Stadtteil Klotzsche ist schon anderthalb Stunden vor Prozessbeginn durchaus groß. Viel Polizei und Sicherheitskräfte, viel Presse, aber auch viele Interessierte sind vor das Gerichtsgebäude gekommen, ganz nahe beim Gefängnis.
Gut 50 Menschen unterschiedlichster Initiativen halten Plakate wie "Das Problem heißt immer noch Rassismus" und "Naziterror bekämpfen und Betroffene entschädigen", in die Höhe, fordern weitere Aufklärung, wollen wissen, warum es unter anderem ausgerechnet die zehn Mordopfer getroffen hat.
Warum die Brandanschläge, die Raubüberfälle - man will Antworten. Sie beklagen auch, dass bei diesem Prozess, anders als noch in München, keine Nebenkläger zugelassen worden sind.
Die Bundesanwaltschaft hat gegen eine mutmaßliche Unterstützerin der NSU Anklage beim Oberlandesgericht Dresden erhoben.
28.02.2024 | 2:21 minSusann E. umgeben von zwei Pflichtverteidigern
Im Zuschauerraum, der mit Glasscheiben vom Sitzungssaal getrennt ist, herrscht eine ruhige Atmosphäre. Längst sind nicht alle Plätze besetzt. Durch die Sonnenstrahlen und den starken Lichteinfall spiegeln sich die Beteiligten im Glas, sind schlecht zu erkennen.
Im Sitzungssaal sitzt die Angeklagte Susann E. zwischen ihren beiden bestellten Pflichtverteidigern, Uwe Schadt und Hendrik König. Die 44-Jährige trägt einen modischen Schal um den Hals, eine orangegelbe Strickjacke, eine moderne Brille und große auffällige helle Ohrringe. Den Dreien auf der rechten Seite des Saals stehen zufälligerweise auch drei Vertreter der Bundesanwaltschaft auf der linken Seite gegenüber.
Susann E. als Pflegekraft tätig
Pünktlich um 10 Uhr betritt die Vorsitzende Richterin des 5. Strafsenats des OLG Dresden, Simone Herberger, mit ihren vier Berufskolleginnen und Kollegen den Saal, eröffnet das Verfahren.
Dann werden die Personalien festgestellt. E. gibt ihren vollständigen Namen mit klarer Stimme an, Beruf, Wohnort, Ausbildung. Die Öffentlichkeit erfährt: Die gelernte Hauswirtschafterin ist verheiratet, aktuell als Pflegekraft tätig, lebt in der Nähe von Zwickau.
Das erste NSU-Dokumentationszentrum öffnet in Chemnitz – einer Stadt, die eng mit den NSU-Morden verbunden ist und nun für Aufklärung und Erinnerung steht.
25.05.2025 | 3:02 minAngeklagte soll von Taten des NSU-Trios gewusst haben
Um 10:07 Uhr beginnt der Oberstaatsanwalt von der Bundesanwaltschaft Wolfgang Barrot mit der Verlesung der Anklage. Die Angeklagte Susann E. habe mit Beate Zschäpe ab 2006 eine "intensive und vertrauensvolle Freundschaft" mit gemeinsamen Aktivitäten und Ausflügen geführt, so Barrot.
E. habe spätestens ab 2007 gewusst, dass das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrere rassistische Morde, Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge begangen habe. Trotz allem "entschied sie sich, ihre Freundin Zschäpe und das Trio in der Illegalität weiter zu unterstützen", so der Anklagevertreter.
Susann E. soll NSU-Trio geholfen haben
Mindestens fünfmal habe E. ihre Krankenkassenkarte für Zahnarztbehandlungen von Beate Zschäpe überlassen. Auch soll sie dem NSU-Trio ihre Personalien zur Beschaffung von Bahncards zur Verfügung gestellt haben. Schon André E., der Ehemann der Angeklagten, der vom OLG München im großen NSU-Verfahren 2018 als Unterstützer verurteilt wurde, gab seine Personalien einst für das Trio her.
Zum Dank habe die Familie E. eine Musikanlage "der Marke JVC" geschenkt bekommen und eine Reise ins Disneyland Paris erhalten, die E.'s Ende Juli 2011 angetreten haben, sagt Anklagevertreter Barrot.
Und bei der Anmietung eines Wohnmobils Ende Oktober 2011 soll E. außerdem Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt mit ihren privaten Pkw zu einem Abholtermin nach Eisenach gefahren haben. Das Wohnmobil nutzten Böhnhardt und Mundlos für ihren letzten Raubüberfall in Eisenach am 4. November 2011. Und damit schließt Barrot um 10:23 Uhr seinen Vortrag.
Der Tod von Enver Şimşek war erst der Anfang. Bis 2007 ermordete die rechtsextreme Terrorgruppe NSU neun weitere Menschen. Betroffene laden zu einer Gedenkveranstaltung ein.
09.09.2025 | 2:45 minAngeklagte äußert sich nicht
Die Vorsitzende Richterin Herberger fragt, ob sich Frau E. äußern möchte. Nein, will sie nicht, für E. antwortet Rechtsanwalt Uwe Schadt: "Frau E. wird sich vorerst nicht zur Anklage äußern."
"Dann treten wir in die Beweisaufnahme ein", fährt die Vorsitzende Richterin fort, skizziert den nächsten Prozesstag morgen und die geplanten Vernehmungen verschiedener Kriminalbeamter zum Komplex Krankenkassenkarte.
"Dann ist das Verfahren für heute beendet, wir setzen morgen fort", schließt die Vorsitzende Richterin die Sitzung um 10:28 Uhr. So endet ein Prozessauftakt nach großem Auftrieb davor am Ende ziemlich unspektakulär. Fortsetzung folgt.
Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.
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