Mutmaßliche Unterstützerin angeklagt:NSU-Prozess in Dresden: Was wusste Susann E.?
von Christoph Schneider
Im NSU-Komplex wurden neben Beate Zschäpe 2018 vom Oberlandesgericht München vier Unterstützer verurteilt. Nun muss sich Susann E. verantworten - die Ehefrau eines Verurteilten.
Prozessbeginn in Dresden: Susann E. soll unter anderem die NSU-Terroristin Beate Zschäpe unterstützt haben. (Symbolbild)
Quelle: dpaSieben Jahre nach dem Abschluss des großen NSU-Verfahrens vor dem Oberlandesgericht München, das mit Verurteilungen für alle Angeklagten endete, geht es heute vor dem Oberlandesgericht Dresden erneut um Vorwürfe von damals. Es geht um die Unterstützung der rechtsextremistischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund - kurz NSU.
Angeklagt ist die 44-jährige Susann E., Ehefrau von Andre E., der einst in München als Unterstützer des NSU angeklagt und verurteilt wurde.
Susann E. soll NSU unterstützt haben
Die Bundesanwaltschaft hält Susann E. für hinreichend verdächtig, eine inländische terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Außerdem werfen ihr die Ankläger die Beihilfe zu einer schweren räuberischen Erpressung mit Waffen vor.
Der Tod von Enver Şimşek war erst der Anfang. Bis 2007 ermordete die rechtsextreme Terrorgruppe NSU neun weitere Menschen. Betroffene laden zu einer Gedenkveranstaltung ein.
09.09.2025 | 2:45 minKonkret ist die Bundesanwaltschaft davon überzeugt, dass E. seit Anfang 2007 - entweder über ihren Ehemann oder Beate Zschäpe - gewusst hat, dass das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter falschen Identitäten im Untergrund lebte und seit dem Jahr 2000 mehrere rassistisch motivierte Morde sowie einige Raubüberfälle begangen hatte.
Angeklagte soll Zschäpe Krankenkassenkarte überlassen haben
Ab Herbst 2008 soll E. der mit ihr befreundeten Beate Zschäpe mehrfach ihre Krankenkassenkarte überlassen haben, damit diese unerkannt Arzttermine wahrnehmen konnte. Im Jahr 2009 soll André E. unter seinem und dem Namen seiner Frau zwei Bahncards beschafft haben, wofür Susann E. ihre Personalien zur Verfügung stellte. So konnten die Mitglieder des NSU ohne die Gefahr einer Enttarnung vergünstigt quer durch Deutschland reisen.
E. soll außerdem Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt Ende Oktober 2011 zu einem Abholtermin für ein Wohnmobil in Eisenach gefahren haben. Das Wohnmobil nutzten Böhnhardt und Mundlos für ihren letzten Raubüberfall in Eisenach am 4. November 2011.
Die Bundesanwaltschaft hat gegen eine mutmaßliche Unterstützerin der NSU-Anklage beim Oberlandesgericht Dresden erhoben. Sie ist die Frau des Verurteilten André E. und soll Beihilfe zu einer Erpressung geleistet haben.
28.02.2024 | 2:21 minNSU-Trio verübte zehn Morde und zwei Bombenanschläge
Das NSU-Trio verübte insgesamt zehn Morde, zwei Bombenanschläge und ein gutes Dutzend Überfälle. Beim letzten Überfall, bei dem E. den Fahrdienst geleistet haben soll, wurden Mundlos und Böhnhardt von der Polizei verfolgt. Sie entzogen sich durch Suizid einer drohenden Festnahme. Nach dem Tod der beiden Männer verschickte Beate Zschäpe im November 2011 einige Bekennerschreiben, mit denen sich der NSU selbst enttarnte.
Die Angeklagte Susann E. ist die Frau von André E., der im fünf Jahre dauernden NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München 2018 als Unterstützer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde.
Beate Zschäpe erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe, und das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Neben Zschäpe wurden die anderen Angeklagten NSU-Unterstützer zu Strafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren verurteilt. Alle Verurteilungen sind inzwischen rechtskräftig.
Warum startet der Prozess so spät?
Wieso das Verfahren erst jetzt startet, hat verschiedene Gründe. Zum einen wollte die Bundesanwaltschaft erst die abschließenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen NSU abwarten - das letzte Revisionsverfahren betraf André E., endete im Dezember 2021 und bestätigte seine Verurteilung.
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25.05.2025 | 3:02 minZum anderen wollte nach der Anklageerhebung das Oberlandesgericht Dresden den Prozess gegen Susann E. zunächst nicht zulassen, sah keine hinreichenden Indizien dafür, dass E. auch von den Morden wusste. So ließ es nur einen Teil der Anklage zu, der sich auf die Hilfe bei einem Raubüberfall bezog, wollte das Verfahren vor dem Landgericht Zwickau eröffnen.
Bundesgerichtshof sieht hinreichenden Tatverdacht
Dagegen wandte sich die Bundesanwaltschaft mit einer Beschwerde an den BGH, der die Anklage dann in vollem Umfang zuließ und den Prozess jetzt vor einem anderen Senat des Oberlandesgericht Dresden anordnete. Denn der BGH sieht nach Aktenlage einen hinreichenden Tatverdacht dafür, dass E. den NSU als terroristische Vereinigung unterstützte.
An 44 Verhandlungstagen will das Oberlandesgericht Dresden den Anklagevorwürfen nun nachgehen - es sind Termine bis in den kommenden Juni angesetzt. Und die einstige Freundin Beate Zschäpe soll auch aussagen - voraussichtlich im Dezember und Januar.
Christoph Schneider ist Redakteur im ZDF-Team Recht und Justiz.
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