Verfassungsgericht: Auslieferung von Maja T. rechtswidrig

Bundesverfassungsgericht:Auslieferung von Maja T. war rechtswidrig

von Wilhelm Terporten und Franca Rexeis
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Das Bundesverfassungsgericht hat im rechtspolitisch hochbrisanten Fall entschieden, dass die Auslieferung der mutmaßlich linkextremistischen Maja T. rechtswidrig war.

Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht, aufgenommen vor dem Gericht.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall der Auslieferung von Maja T. nach Ungarn geurteilt.
Quelle: dpa

Maja T. hätte nicht ausgeliefert werden dürfen - die Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung war erfolgreich. Die Auslieferung der non-binären Person verstößt gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
T. hatte Verfassungsbeschwerde erhoben, nachdem es im Sommer 2024 zu einer Überstellung nach Ungarn kam. T. hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit der Auslieferung sitzt T. - in linken Kreisen als "Maja" bekannt - in ungarischer Untersuchungshaft. Dort drohen T. wegen eines Angriffs auf vermutete Rechtsextremisten bis zu 24 Jahre Haft.

Gericht: Grundrechtsverletzung und fehlende Aufklärung

Zuständig für die Überprüfung der Auslieferung war das Kammergericht Berlin. Dieses sei, so das Verfassungsgericht, seiner Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht hinreichend gerecht geworden. Dadurch sei Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, das Recht auf Verbot vor Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung, verletzt worden.
Das Kammergericht habe Haftbedingungen für Maja T. nicht hinreichend aufgeklärt. Dabei habe es hinsichtlich der Haftumstände in Ungarn hinlängliche Anhaltspunkte durch ehemalige Häftlinge und Menschenrechtsorganisationen für systemische oder allgemeine Mängel gehabt.
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Die Ausführungen der ungarischen Behörden zur allgemeinen Rechtslage seien nicht ausreichend gewesen, stellte die Erste Kammer des Zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichtes fest.

Diskriminierung möglich

Zudem sei eine Diskriminierung der non-binären Person nicht ausgeschlossen. Ungarn hatte zwar eine Garantieübernahme hinsichtlich des besonderen Risikos von T. als non-binäre Person abgegeben. Darauf hätte sich das Kammergericht nicht allein verlassen dürfen, da Zahlen von körperlichen Übergriffen auf queere Menschen nicht erhoben würden, ein Register über die Geschlechtsidentität der Gefangenen werde nicht geführt.
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Da es aber an Erhebungen für Angriffe aus Gründen der Geschlechtsidentität fehle, sei ein gezieltes Vorgehen gegen derartige Diskriminierungen jedoch kaum möglich.

Auslieferung kam vor Eilentscheidung

Der Fall ist rechtspolitisch hochbrisant: Maja T. wird von den ungarischen Behörden vorgeworfen, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein und im Februar 2023 in Budapest mehrere Rechtsextremisten angegriffen und verletzt zu haben. Gegen T. wurde ein europäischer Haftbefehl erlassen, woraufhin es im Dezember 2023 in Berlin zur Festnahme kam.
Noch vor der Auslieferung entschied das Bundesverfassungsgericht über einen Eilantrag, der eine Übergabe nach Ungarn verhindern sollte. Die gerichtliche Untersagung des Bundesverfassungsgerichts kam jedoch zu spät. Die Übergabe an die ausländischen Behörden erfolgte am 28.06.2024, nur wenige Stunden vor dem Erlass des Auslieferungsverbots durch das Verfassungsgericht.

Signalwirkungen für andere Verfahren?

Ob Deutschland nun die Rücküberstellung von Maja T. beantragt, blieb zunächst unklar.
Der Beschluss könnte jedoch auch Auswirkungen auf andere Verfahren gegen mutmaßliche Linksextremisten haben, die in Zusammenhang zu Maja T. stehen. Ihnen wird vorgeworfen, die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen zu haben. Gegen sieben weitere Beschuldigte laufen bereits Verfahren.
Nachdem die Tatverdächtigen zunächst untergetaucht waren, stellten sich sieben von ihnen im Januar den deutschen Behörden. Inwieweit der Beschluss deren Auslieferung beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.
Die Autoren arbeiten in der Redaktion Recht und Justiz.

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Quelle: dpa

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