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Tat, Motiv, Opfer:Was wir über den Amoklauf in Graz wissen
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Ein 21-Jähriger tötet an seiner ehemaligen Schule in Graz zehn Menschen und sich selbst. Was wir bislang über die Amoktat wissen.
Ein 21-Jähriger hat bei einem Amoklauf an seiner ehemaligen Schule in Graz zehn Menschen erschossen und anschließend Suizid begangen. Was wir wissen und was noch Gegenstand der Ermittlungen ist - ein Überblick.
Was in Graz passiert ist
Der 21-jährige Österreicher lief am Dienstagvormittag an seiner ehemaligen Schule, dem Bundesoberstufenrealgymnasium (BORG) Dreierschützengasse in Graz, Amok. Mit zwei Schusswaffen tötete er insgesamt zehn Menschen und anschließend sich selbst. Elf weitere Personen wurden teils schwer verletzt.
Nach Polizeiangaben gingen die ersten Notrufe gegen 10 Uhr morgens ein. Innerhalb von Minuten seien Spezialeinheiten vor Ort gewesen, hätten das Gebäude gesichert und dann evakuiert. Laut Behörden waren 300 Polizeikräfte im Einsatz.
Quelle: ZDF
Was wir zu den Opfern wissen
Wie ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur dpa sagte, waren neun der Todesopfer zwischen 14 und 17 Jahre alt. Sie erlagen ihren Verletzungen vor Ort. Eine schwer verletzte Lehrerin starb demnach im Krankenhaus. Die Polizei bestätigte sieben weibliche und drei männliche Opfer.
Ganz Österreich gedachte der Toten um 10 Uhr in einer Schweigeminute. Auf dem zentralen Platz in Graz versammelten sich Hunderte Menschen. In Wien hielten Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse für eine Minute.
Der Krankenhausbetreiber Kages teilte am Mittwoch mit, dass alle elf Verletzten in einem stabilen Zustand seien. Neun der Verletzten würden noch auf Intensivstationen in mehreren Krankenhäusern betreut.
Was wir zum Täter und seinem Motiv wissen
Der 21-Jährige Österreicher wohnte im Großraum Graz. Er besuchte die Schule früher selbst, habe sie aber nicht abgeschlossen, sagte Innenminister Gerhard Karner. Laut Polizei habe er keine Vorstrafen gehabt und galt als unauffällig.
Bei seiner Tat war er nach Polizeiangaben mit einer Schrotflinte und einer Faustfeuerwaffe bewaffnet, die er legal besessen habe. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler zudem eine nicht funktionsfähige Rohrbombe. Daneben seien auch Pläne für einen Sprengstoffanschlag gefunden worden. Diese Pläne seien offenbar verworfen worden, teilte die österreichische Polizei mit.
Im österreichischen Waffenrecht gehören Schrotflinten und Faustfeuerwaffen zur Kategorie B. Für Waffen dieser Kategorie braucht es eine behördliche Genehmigung. Für eine solche Waffenbesitzkarte wiederum müsse man unter anderem ein psychologisches Gutachten vorlegen und die sichere Handhabung nachweisen, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, dem ORF. "Offenbar hat er die Voraussetzungen besessen, sonst wäre er nicht legal an diese Schusswaffe gelangt", sagte Ruf.
Die Zahl der waffenrechtlichen Dokumente ist in Österreich zuletzt deutlich gestiegen. Gab es 2014 davon noch etwas mehr als 225.000, waren es 2022 bereits fast 309.000, wie aus dem aktuellen Sicherheitsbericht des Bundesinnenministeriums hervorgeht. Der ORF berichtet unter Berufung auf das Innenministerium sogar von 370.000 erfassten Personen, die im April 2025 etwa 1,5 Millionen Schusswaffen besessen haben.
Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) forderte nach der Tat im ORF: "Ich finde, dass Waffenscheine zu schnell vergeben werden." Sie plädierte für ein Waffenverbot. "Waffen sollte nur unsere Exekutive tragen und keine Privatpersonen."
Ebenfalls im ORF sagte der Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Paul Plener, dass das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren - ein Test und ein Gespräch - grundsätzlich ein "valides" sei. Allerdings lasse sich darüber diskutieren, ob es beim Test "nicht einfach ist, hier gewünschte Antworten zu geben". Zudem sei der Test bei Nichtbestehen wiederholbar. "Für Leute, die an Waffen kommen wollen, ist es auch machbar", sagte Plener. Insgesamt sei das Waffenrecht zu liberal.
Auch Sicherheits-Generaldirektor Franz Ruf sprach sich im ORF für eine Debatte über die Waffengesetze aus. "Natürlich müssen wir uns gerade nach solchen Ereignissen ansehen, ob das Gesetz Lücken hat und nachgeschärft werden muss."
Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) forderte nach der Tat im ORF: "Ich finde, dass Waffenscheine zu schnell vergeben werden." Sie plädierte für ein Waffenverbot. "Waffen sollte nur unsere Exekutive tragen und keine Privatpersonen."
Ebenfalls im ORF sagte der Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Paul Plener, dass das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren - ein Test und ein Gespräch - grundsätzlich ein "valides" sei. Allerdings lasse sich darüber diskutieren, ob es beim Test "nicht einfach ist, hier gewünschte Antworten zu geben". Zudem sei der Test bei Nichtbestehen wiederholbar. "Für Leute, die an Waffen kommen wollen, ist es auch machbar", sagte Plener. Insgesamt sei das Waffenrecht zu liberal.
Auch Sicherheits-Generaldirektor Franz Ruf sprach sich im ORF für eine Debatte über die Waffengesetze aus. "Natürlich müssen wir uns gerade nach solchen Ereignissen ansehen, ob das Gesetz Lücken hat und nachgeschärft werden muss."
Über das Motiv kann derzeit nur spekuliert werden. Der Täter hinterließ zwar Abschiedsbrief und -video. "Es kann aber aus dem Abschiedsbrief kein Motiv entnommen werden. Das ist Gegenstand der Ermittlungen", sagte Ruf. Mehrere österreichische Medien berichten darüber, dass der 21-Jährige früher gemobbt worden sein soll. Dafür gibt es bislang keine Bestätigung der Behörden.
Wie sich Experten zur Tat äußern
Der Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Paul Plener, sagte dem ORF, dass Amokläufer in Schulen fast immer männlich seien. "Es sind oft auch Personen, die verschiedene Kränkungserlebnisse hatten, die vielleicht von außen gesehen gar nicht so groß gewichtet wurden", sagte Plener.
Im Gespräch mit ZDFheute live verwies der Kriminologe Manuel Heinemann darauf, dass Amok "nicht von jetzt auf gleich" passiere. Täter zeigten oft verschiedene Warnsignale, etwa sozialer Rückzug oder Isolierung vom Umfeld. "Das hat damit zu tun, dass Personen, die sich in Richtung Amok entwickeln, oftmals keine anderen Gesprächsthemen mehr kennen als den Missstand, der sie in den Amok treibt." Der Amok diene letztendlich als "Lösungsstrategie", ordnete Heinemann ein.
Wie es an der Schule weitergeht
Das BORG Dreierschützengasse bleibt für den Rest der Woche geschlossen, schreibt das österreichische Bildungsministerium auf seiner Webseite. Der Schulbetrieb solle am 16. Juni weitergehen. Wer mehr Zeit für die Verarbeitung der Ereignisse brauche, gelte aber automatisch als entschuldigt. An den ersten Schultagen soll laut Ministerium die Trauma- und Krisenbewältigung im Vordergrund stehen.
Das BORG Dreierschützengasse ist eine weiterführende Schule für Teenager und junge Erwachsene. Etwa 400 Schülerinnen und Schüler sind eingeschrieben, es gibt 40 Lehrkräfte.
Quelle: mit Material von AP und dpa
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