Zwischen Migration und "Mettwoch":Leben im Kiez: die Dortmunder Nordstadt
von Leo Spors
Hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität, neue Zuwanderung und Migranten, die seit Generationen hier leben. Eine ZDF.reportage zeigt die harte Realität in der Dortmunder Nordstadt.
Ein Viertel voller Widersprüche: Kriminalität, Migration, Freundschaft - das Leben in Dortmunds Nordstadt.
06.11.2025 | 29:45 minDie Dortmunder Nordstadt hat Probleme, darin sind sich alle einig: Schmutz, Kriminalität, Drogen. Eine ZDF.reportage gibt Einblicke in den Alltag der Menschen, die dort leben.
Metzger mit abwandernder Kundschaft
Wolfgang Zimmermann, genannt der "Bulle vom Borsig", betreibt die letzte alteingesessene Metzgerei im Viertel. "Die meisten kennen mich meist als ziemlich ruhig, wie so ein Bulle auf der Weide steht. Nur wenn ich irgendwann mal rot sehe, dann hält mich, glaube ich, auch nichts mehr." Seine Kundschaft komme kaum noch aus der Nordstadt. "Die Leute, die hier um uns herum wohnen, sind nicht mehr unsere typischen Stammkunden."
Brennpunkt anders: Der Aschenberg in Fulda galt früher als Problemviertel. Heute prägen die Menschen und ihr Engagement den Stadtteil.
02.09.2020 | 29:02 minVormittags kommen sie noch, die Malocher, die das Frühstück für die Kollegen holen. Ein Bahnmitarbeiter holt eine große Menge Schweinemett. "Mettwoch heißt das bei uns" erzählt er, das sei so eine Tradition.
Pfefferspray zur Sicherheit
Devrim, Samo und Samir wohnen im selben Hochhaus. "Unsere Mütter kannten sich, waren hier, als wir klein waren, die haben uns zugeguckt beim Spielen. Früher waren da nur wir, unser Kindergarten, jetzt sind da Drogendealer!", sagt Devrim, der seit seiner Geburt hier lebt.
Mit der BVB-Stiftung “Nordstadtliga” und Dortmunds Jugendamt bietet Profiboxerin Julia Symmanek Training an für benachteiligte junge Muslima.
28.02.2024 | 2:14 minDie jungen Männer tragen nachts oft Pfefferspray mit sich, nur zur Sicherheit, erzählen sie. "Nicht die Gegend ist ekelhaft, sondern die Menschen. Und das ist das Problem." Besonders der offene Drogenverkauf und -konsum stört die Jungs.
Überwachungskameras überall
Mariya Ferad betreibt einen bulgarischen Supermarkt am Nordmarkt. "Ich hab jahrelang immer festgestellt: Es sind viele Diebe bei mir." Der Laden ist deswegen mit Überwachungskameras bis in den letzten Winkel einsehbar.
Die Kosten für Miete, Steuern und Wareneinkauf drücken, und trotzdem: Mariya Ferad will nicht aufgeben. "Ich hab hier meine Seele gelassen, viel Zeit investiert, viel Arbeit!". Sie ärgert sich über Zuwanderer aus Rumänien. Die würden nur von Sozialhilfe und Kindergeld leben und nicht arbeiten.
Rund 60.000 Menschen leben in der Nordstadt; sie ist damit einer der am dichtesten besiedelten Stadtteile Dortmunds. Etwa 80 Prozent der Einwohner haben einen Migrationshintergrund.
Die Arbeitslosenquote liegt in Dortmund bei 11,9 Prozent - in der Nordstadt deutlich darüber mit geschätzten 20 Prozent.
Gewalt- und Straßenkriminalität sind laut Polizei hoch; besonders der Einsatz von Messern bereitet Sorgen. Die Aufklärungsquote liegt bei über 54 Prozent, und viele Bewohnerinnen und Bewohner engagieren sich für ihr Viertel.
Messertrageverbot im Brennpunkt
Die Polizei will Präsenz zeigen: ein junger Mann wird zuhause besucht, er hatte ein Messer dabeigehabt und wurde erwischt.
Seit Mai 2024 herrscht in der Nordstadt ein sogenanntes Messertrageverbot. Wer dennoch mit einer Stichwaffe erwischt wird, muss mit einer Anzeige und einem Anhörungsbogen rechnen. "Der junge Mann ist jetzt vorgewarnt", sagt Bezirksbeamtin Bianka Kralj. Wird er noch mal erwischt, gibt es Geldstrafen.
Benachteiligten Jugendlichen in Brennpunkten eine Perspektive geben, ist das Ziel von Polizist Robert Schumann. Mit seinem Verein "Talentschmiede" unterstützt er junge Menschen auf ihrem Lebensweg.
29.05.2024 | 1:57 minFührerschein als Hoffnung
Emanuel aus Ghana will raus aus der Nordstadt; ein Führerschein soll helfen. Er möchte den Führerschein mit Blick auf seine Familie - um in die Schule zu kommen und für die Arbeit. Sein Chef zahlt die Fahrstunden, der Tiefbauunternehmer möchte, dass sein ghanaischer Mitarbeiter zukünftig den Transporter fahren kann.
Doch bei der Prüfung hat Emanuel einen Aussetzer. Nach zwei Minuten endet die Fahrt. Er biegt ohne zu schauen ab, das war's! Der Prüfer lässt rechts ranfahren. "Scheiße, scheiße! Ein schlechter Tag für mich!"
In Hamburgs Kiez sind Ehrenamtliche unterwegs, um zu helfen. Manchmal sind Monika und ihr Team auch Lebensretter.
05.04.2024 | 23:09 minRap aus dem Tunnel
Am "Schweinetunnel" drehen die Jungs ein Musikvideo. "Ich rap einfach das, was in der Nordstadt passiert, und wie die Menschen hier leben", sagt Devrim. "Die Lehrer meinten immer, sagt, ihr kommt aus der 'Innenstadt Nord' und nicht aus der Nordstadt. So. Haben wir dann auch so gemacht. Aber mittlerweile - ich komme aus der Nordstadt und ich bin auch stolz drauf!"
Lange wird die Clique wohl nicht mehr zusammenbleiben. Die meisten haben Pläne, für die sie ihr Viertel verlassen müssen. Aber "ihrer" Nordstadt werden sie wohl immer verbunden bleiben.
Sehen Sie die Reihe "Mein Kiez" der ZDF.reportage am 8., 15. und 22. November jeweils um 17:35 Uhr im ZDF. Oder jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.
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