Neue Dauerausstellung in Bonn:Geschichte wird gemacht - jeden Tag neu
von Normen Odenthal
Mehr als eine Million Objekte hat das Bonner Haus der Geschichte gesammelt. 3.800 davon sind in der neuen Ausstellung zu sehen. Alles Originale und viele davon zum Anfassen.
"Du bist Teil der Geschichte" ist die neue Dauerausstellung im Bonner Haus der Geschichte. Sie zeigt sieben Jahrzente deutscher Geschichte mit über 3.800 Objekten.
08.12.2025 | 2:43 minDas Versprechen wird gleich zu Beginn eingelöst: "Du bist Teil der Geschichte". Wer die Ausstellungsrunde betritt, findet sich als Silhouette wieder vor wechselnden Hintergründen: in der Nacht des Mauerfalls etwa oder im zerstörten Berlin.
Wir stehen hier mittendrin in den Ruinen am Brandenburger Tor.
Manfred Wichmann, Sammlungsdirektor des Hauses der Geschichte
"Erleben statt nur betrachten", so beschreibt der Sammlungsdirektor des Hauses der Geschichte das Konzept. Was hat das mit mir zu tun? Auf diese Frage sollen Besucher eine schnelle Antwort bekommen. "Was wir hier erzählen, ist die Vorgeschichte unserer Gegenwart."
Geschichte wird hier fortgeschrieben
Und fortlaufend kommen neue Kapitel hinzu: Pandemie, Digitalisierung - Geschichte wird fortgeschrieben. Viele Gegenstände, die gezeigt werden, sind Alltagsobjekte: von der Kinderwiege bis zum Putzeimer. Doch die Ansprüche an die Objekte sind hoch. Sie müssen Geschichte transportieren. Am Eimer klebt der Schlamm aus dem Ahrtal und zeugt damit von den schweren Stunden nach der Flut.
185 Menschen starben, Infrastruktur und Gebäude wurden zerstört: Am vierten Jahrestag der Ahrtal-Flutkatastrophe wurde der Opfer gedacht. Derweil schreitet der Wiederaufbau voran.
14.07.2025 | 2:53 minAnderes bringt eine gewisse Prominenz mit: der Raumfahreranzug, den Sigmund Jähn als erster Deutscher im Weltall getragen hat. Oder ein Stück vom Zaun der Prager Botschaft, in der sich Flüchtende aus der DDR verschanzt hatten. Alles Originale - darauf kommt es Manfred Wichmann an:
Wir haben einen Vertrauensvorschuss. Die Menschen wollen, dass wir ihnen Geschichte vermitteln, verständlich, aber auch unverfälscht.
Manfred Wichmann, Sammlungsdirektor des Hauses der Geschichte
Im August 1989 suchen viele DDR-Bürger Zuflucht in der Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland.
06.10.2011 | 3:42 minObjekte sind Originale: Geschichte zum Anfassen
Rekonstruktionen zu zeigen oder Objekte zu verändern, würde für Wichmann alles in Frage stellen. "Das Vertrauen wäre weg. Und man könnte uns sagen: Wenn Ihr hier was verändert habt, woher weiß ich denn, dass ein Ereignis überhaupt stattgefunden hat?" Glaubwürdigkeit ist also ein hohes Gut.
Doch Geschichte so nahbar zu präsentieren und oftmals eben wörtlich zum Anfassen, hat einen Preis. Wichmann sagt: "Als Sammlungsdirektor schlagen zwei Herzen in meiner Brust, denn ich bin auch dafür zuständig, dass diese Objekte für die nächsten Generationen bewahrt werden." Mancher Verschleiß wäre verschmerzbar, da macht's die Masse. Von den Stühlen des alten Bonner Parlaments hat das Museum so viele eingelagert, dass man auch mal austauschen könnte, wenn das Leder abgewetzt ist.
Möbel aus dem historischen Plenarsaal des früheren Bundestags in Bonn stehen jetzt im Haus der Geschichte.
Quelle: dpaAnderes aber gibt es nur einmal: das Zündapp-Mokick "Sport Combinette", das der Portugiese Armando Rodrigues de Sá am 10. September 1964 geschenkt bekam - als millionster Gastarbeiter in der Bundesrepublik. "Ein Unikat und ein Klassiker", befindet Wichmann, denn es war schon in der alten Dauerausstellung des Hauses zu sehen.
Am 9. November 1938 kommt es zur Reichspogromnacht, 1989 ist es der Tag des Mauerfalls. Steinmeier betonte die Bedeutung beider Ereignisse für die demokratische Erinnerungskultur.
09.11.2025 | 1:31 min"Gedächtnis unserer Zeit"
Das aber gilt nur für wenige Objekte, manches wurde neu beschafft, anderes stammt aus den riesigen Depots des Hauses. Mehr als eine Million Objekte lagern dort. Denn der Auftrag ist für Wichmann klar: "Wir wollen das Gedächtnis unserer Zeit sein." Und es passiert eben viel, jeden Tag aufs Neue. Deshalb brauche es klare Kriterien: "Es muss historisch relevant sein, und zwar mit Blick auf die Zukunft. Was sagt ein Objekt mal in 20, 50, 100 Jahren über die Gegenwart aus, in der wir jetzt leben?"
Manchmal arbeite er wie ein Detektiv, erzählt Wichmann, recherchiere akribisch, bis er das richtige Stück finde. Dann gelte es, das Vertrauen der Besitzer zu gewinnen, denen es nicht immer leicht falle, sich von einem Gegenstand zu trennen. Ein wichtiges Argument für Wichmann:
Alles, was in die Sammlung aufgenommen wird, bleibt dauerhaft Kulturgut der Bundesrepublik. Also, es kommt nichts weg, es wird nichts weggeschmissen, es wird nichts verkauft.
Manfred Wichmann, Sammlungsdirektor des Hauses der Geschichte
Manches wartet dann im Lager nur auf den richtigen Moment, um Teil einer Ausstellung zu werden. So wächst und wächst der Bestand. Und Wichmann beantwortet die Frage nach dem Kostbarsten, was es im Museum gebe, darum ohne Zögern: "Platz."
Normen Odenthal ist Leiter des ZDF-Landesstudios Nordrhein-Westfalen.
Mehr aus der deutschen Geschichte
Doku | Terra X History:Wilde Zeiten: Das letzte Jahr der DDR
Video43:38Doku | Terra X:DDR zwischen Mauerfall und Deutscher Einheit
Video18:51Doku | ZDFinfo Doku:1977 bis 1979: Deutscher Herbst und kalter Winter
Video44:14Doku | ZDFinfo Doku:Böse Bauten: Hitlers Architektur
Video43:49