Haftbefehl: Warum der Rapper für Jugendliche Vorbild ist

Idol trotz Abgründen:Haftbefehl: Warum sich Jugendliche in ihm wiederfinden

von Natalia Bieniek, Offenbach

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Viele Jugendliche finden sich in Haftbefehls Geschichte wieder: Sprache, Herkunft und soziale Probleme schaffen Nähe. Die Netflix-Doku "Babo" zeigt, warum der Rapper sie erreicht.

Auf dem Bild ist der Rapper Haftbefehl, seine Ehefrau und die Regiesseure seiner Dokumentation zu sehen. Sie alle posieren auf dem Roten Teppich der Premiere.

Die Netflix-Doku über den Rapper Haftbefehl erzählt die Geschichte seines Ruhms und seines Absturzes. Viele Jugendliche erreicht er mit seiner Sprache und seinen Texten.

22.11.2025 | 1:30 min

Ein kometenhafter Aufstieg aus der Hochhaussiedlung zum Star der deutschen Rap-Szene - die Netflix-Doku "Babo" zeigt, wie dies Haftbefehl, bürgerlich Aykut Anhan, gelungen ist. Doch sie zeigt auch ein Leben, das von Drogen bestimmt ist, und eine Kindheit in Offenbach, die vom sozialen Elend geprägt war.

Fragt man junge Menschen auf dem Offenbacher Marktplatz nach der Dokumentation, entgegnet die 19-jährige Kornelia: "Ich bin damals, wo ich herkomme, auch im Ghetto aufgewachsen. Da hast du so etwas tagtäglich gesehen als Kind." Sie fügt hinzu:

Ich habe auch Migrationshintergrund, weshalb ich mich mit ihm und seiner Geschichte sehr gut identifizieren kann.

Kornelia

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Jugendliche fühlen sich von Haftbefehl verstanden

Auch Murat fühlt sich in seiner Lebensrealität verstanden. Nach seinem Hauptschulabschluss sei er "auf die schiefe Bahn geraten", sagt der 22-Jährige. Er habe sich aber wiedergefunden und findet:

Manche Leute verstehen nicht genau, was er sagt, aber wir verstehen diese Umgangssprache.

Murat

Sprache sei nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch Identität, erklärt Murat Güngör, Dozent für Bildungswissenschaften an der Goethe-Universität. Er kennt die Szene gut - früher war er selbst im Rap aktiv.

Das Besondere an Haftbefehl sei, dass er nicht nur auf die "angesagten" Sprachfamilien wie Englisch oder Französisch setze, sondern auf einen Mix aus Arabisch, Türkisch und Kurdisch. Damit habe er Begriffe wie "Para"(Geld) oder "Wallah" ("Ich schwöre bei Gott") in den bürgerlichen Mainstream katapultiert.

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Drogenmissbrauch, soziale Ungleichheit, Kriminalität

Für den ehemaligen Gesamtschullehrer ist klar: Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung ist notwendig: "Eine ganz entscheidende Lehre, die man aus der Dokumentation ziehen kann, ist, dass wir eine Migrationsgesellschaft sind und dass wir hier Themen haben, über die wir ins Gespräch kommen müssen - sprich soziale Ungleichheit, sprich aber auch Drogenmissbrauch, sprich Kriminalität, sprich Bildungsungleichheit."

Die Dringlichkeit zeige sich vor allem in einer Zahl: Im vergangenen Jahr haben rund 62.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Statt zur Schule zu gehen, geriet Haftbefehl nach eigenen Angaben bereits im Alter von 13 Jahren in den Strudel des Drogenkonsums. Der Offenbacher Marktplatz - in der Dokumentation das Zentrum des Drogenhandels.

Psychische und soziale Probleme führen zum Drogenkonsum

"Drogenkonsum ist die Folge von psychischen Problemen, von sozialen Problemen, und insofern gibt es da natürlich auch in Offenbach diese Probleme", sagt Sebastien Wenzlitschke vom Jugendzentrum Nordend. Aber auch wenn das zum Image von vielen gehöre, sei Offenbach kein Ghetto - der Blick von Haftbefehl sei ein subjektiver. Er verweist auf die Jugendeinrichtungen:

Wenn man den Weg in solche Einrichtungen findet, dann führt das auch dazu, dass die Jugendlichen vielleicht eine andere Biografie erleben und andere subjektive Eindrücke.

Sebastien Wenzlitschke, Jugendzentrum Nordend Offenbach

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Offenbach ist nach Angaben der polizeilichen Kriminalstatistik die sicherste Großstadt Hessens. Doch die Themen rund um Drogen und Perspektiven sind hier nach wie vor präsent. Die jungen Menschen wünschen sich eine andere Biografie. "Also für mich war er ein Kindheitsheld", sagt Alaattin. Doch die Dokumentation habe ihm das Sichtfeld geöffnet, was härtere Drogen mit jemandem machen könnten. Marlon erzählt:

Meine Cousins haben das auch gemacht und waren in dieser Lage, und das trifft einen Menschen emotional. Aber man lernt daraus, dass man besser nicht diese Sachen konsumieren sollte.

Marlon

Für den 19-Jährigen, der leidenschaftlich rappt, ist Haftbefehl ein musikalisches Idol. Aber sein von Drogen geprägter Absturz dürfe nicht als Vorbild verstanden werden.

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