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Maifeld Derby und Finanzierung:Aus für Europas "bestes kleines Festival"
von Ralf Rättig
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Bilderbuch, Franz Ferdinand und Zaho de Sagazan - das waren die Headliner beim kleinen, aber feinen Maifeld Derby. Dem letzten. Wobei: Nicht jeder will sich mit dem Aus abfinden.
Klangvolle Namen neben Entdeckungen auf den vier Bühnen, fast 60 Auftritte aus dem gesamten Spektrum der Indie-Musik - von elektronischen Acts bis HipHop und Post-Punk: Das war das letzte Maifeld Derby in Mannheim.
An Zaho de Sagazan lässt sich gut sehen, was das Festival 2025 zum "besten kleinen Festival Europas" hat werden lassen. Die französische Sängerin ist auf dem Weg zum Superstar, hat letztes Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes und der Olympiaabschlussfeier in Paris gesungen, füllt europaweit große Hallen.
Viele haben hier gespielt, bevor sie groß wurden
Schon davor hat Veranstalter Timo Kumpf sie im Blick gehabt, ist sich sicher: Die erste Anfrage aus Deutschland kam von ihm. Dieses Jahr war es dann soweit: Zaho de Sagazan zog die Zuschauer mit ihren Chansons und harten elektronische Beats in den Bann.
Kumpf hat ein Gespür für Talente, viele Künstlerinnen und Künstler haben auf dem kleinen Festival gespielt, bevor sie groß wurden. Das sorgt international für Aufsehen - und dafür, dass er unerwartet eine WhatsApp von deutschen Superstars der Szene erhielt, erzählt er im Interview mit 3sat-Kulturzeit. Der Inhalt: "Kraftklub beim letzten Maifeld Derby?"
Unwägbare finanzielle Risiken
Musikalisch könnte es also kaum besser laufen für das Mannheimer Festival. Und doch hat Kumpf das Aus verkündet: Die finanziellen Risiken sind unwägbar geworden. Den Trend bestätigt auch der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft: Seit Corona sind die Produktionskosten für Festivals um 45 Prozent gestiegen, manche Künstlergagen sogar auf das dreifache.
Das Maifeld Derby ist gemeinnützig, Gewinne können nicht ausgeschüttet werden. Hingegen muss Kumpf das finanzielle Risiko alleine tragen. Und als beim verregneten Derby 2024 die Zuschauer ausblieben, belief sich das Minus auf circa 200.000 Euro, wie der Veranstalter berichtet.
Debatte über Art der Kulturförderung
Er als einziger Angestellter ist Ansprechpartner für alle - von der Reinigungskraft über die rund 250 freiwilligen Helfer bis zum Oberbürgermeister. Die Stadt Mannheim unterstützte das Festival, das einen Gesamtumsatz von rund einer Million Euro hat, zuletzt jährlich mit 100.000 Euro. Zu wenig, um es abzusichern. Als absehbar war, dass sich das nicht ändern würde, zog Kumpf die Reißleine.
Auf dem Festival diskutieren auch die Bands das Ende. Sie machen ein "deutsches" Problem aus. Anders als etwa in den Niederlanden sei die deutsche Kulturförderung auf klassische Musik und Sprechtheater ausgerichtet. Popkultur, auch anspruchsvolle, falle da schnell unter den Tisch, sagt Cico Beck von The Notwist. Und Konstantin Gropper (Get Well Soon) ergänzt: Das Denken, dass Popmusik immer kommerzielle Musik und ein Festival immer nur kommerziell sei, herrsche vor:
Aber dass ein Festival wie das Maifeld Derby auch einen Bildungs- und Kulturauftrag erfüllt, das wird gerne übersehen.
Konstantin Gropper, Get Well Soon
Aus dem Mannheimer Rathaus hat Kumpf dann auch Sätze gehört wie: "Wo so viel Bier getrunken wird, kann keine Kultur sein".
Im Rathaus wird überlegt, wie es weitergehen könnte
Ein solches Denken ist Thorsten Riehle fern: Seit 2024 ist er der Mannheimer Kultur- und Wirtschaftsbürgermeister. Der SPD-Politiker hat das Festival schon als Stadtrat unterstützt, das Aus hat jetzt seinen Kampfgeist geweckt: Er versuche alles, um das Maifeld Derby nach einem Jahr Auszeit auf gesündere Beine zu stellen. Möchte Strukturen schaffen, die es Kumpf ermöglichen, sich auf das Auswählen der Bands zu konzentrieren. "Ich möchte ihm sagen, du brauchst dich nicht mehr darum zu sorgen, wie das Geld aufzutreiben ist, weil das andere machen."
Veranstalter Kumpf ist offen für Gespräche, aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre auch skeptisch. Fest steht: Das Maifeld Derby und Mannheim hätten einen Neustart verdient.
Ralf Rättig ist Redakteur bei 3sat-Kulturzeit.
Quelle: dpa
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