Zehn Jahre Charleston: Wie Museen sich Trumps Politik widersetzen

Zehn Jahre Charleston-Anschlag:Wie Museen sich Trumps Politik widersetzen

Katharina Schuster
von Katharina Schuster, Charleston, South Carolina
|

Er posierte vor Sklavenbaracken, Wochen später erschoss er neun Schwarze Menschen. Auf einer ehemaligen Plantage in Charleston zeigt sich, warum Geschichte erzählt werden muss.

Trauerweiden auf einer Wiese vor einem weißen Haus auf der McLeod Plantation, Charleston.
Die "McLeod Plantation" ist eine ehemalige Sklavenplantage in South Carolina.
Quelle: McLeod Plantation

Die Vergangenheit liegt in diesem Freilichtmuseum in Charleston nicht hinter Glas, sondern unter unseren Füßen. Ich folge einer Tour auf dem Gelände einer ehemaligen Südstaaten-Plantage im US-Bundesstaat South Carolina – nur wenige Kilometer vom Tatort eines rassistisch motivierten Massakers entfernt, das vor zehn Jahren die Nation erschütterte.
Dabei ist die Plantage mehr als ein historischer Ort. Sie ist ein Schlüssel, um die Wurzeln dieses Anschlags zu verstehen.

Täter von Charleston besuchte ehemalige Baumwoll-Plantage

Unsere Tourguide ist eine Schwarze Historikerin. Wir stehen im Garten der "McLeod Plantation" mit Blick auf ein Feld, auf dem einst unter Zwangsarbeit Baumwolle angebaut wurde. Das Haupthaus ist groß, strahlend weiß, mit zwei Schaukelstühlen auf der Veranda.
Einige Meter entfernt stehen erhaltene Sklavenbaracken. In jeder lebten bis zu vierzehn Menschen, auf der Fläche eines Zimmers, ohne Privatsphäre.
Sklavenbaracken auf der McLeod Plantage, Charleston.
Hier lebten die versklavten Menschen.
Quelle: McLeod Plantation

Tourguide Michelle* zeigt uns ein Foto. Ein junger weißer Mann hockt vor einer dieser Baracken. Der Blick starr. Seine Sonnenbrille steckt im schwarzen T-Shirt, er trägt Stiefel, in der linken Hand eine Info-Broschüre. Nur Wochen später wird der 21-Jährige neun Schwarze Menschen erschießen.
Gedenken in Minneapolis
Vor fünf Jahren kam George Floyd durch Polizeigewalt ums Leben. Sein Tod löste Bestürzung aus und machte die Protestbewegung "Black Lives Matter" international bekannt.26.05.2025 | 1:26 min

Was geschah 2015 in Charleston?

Am Abend des 17. Juni 2015 betrat der US-Amerikaner Dylann Roof die Schwarze Kirchengemeinde "Emanuel African Methodist Episcopal Church". Der Mann setzte sich zu einem Bibelkreis, hörte zu. Dann zog er eine Waffe und eröffnete das Feuer.
Das rassistisch motivierte Attentat löste in den USA eine Debatte über weißen Terrorismus, strukturellen Rassismus und den Umgang mit Symbolen der Konföderation aus - jenes Staatenbundes, der im amerikanischen Bürgerkrieg für die Erhaltung der Sklaverei kämpfte.
Auch deshalb, weil Roof zuvor Fotos von sich mit der Konföderiertenflagge und an historischen Sklavenorten veröffentlicht hatte.
Washington: "Druck der neuen Regierung"
"Die Bewegung hat an Strahlkraft verloren", berichtet ZDF-Korrespondent David Sauer aus Washington zur Black-Lives-Matter-Bewegung und zum 5. Todestag von George Floyd.26.05.2025 | 3:12 min

Historiker: Sklaven-Geschichte wird romantisiert

Für Shawn Halifax ist das kein Zufall. Der US-Historiker, der die inhaltliche Arbeit des Gedenkorts mitentwickelte, erklärt im Gespräch mit ZDFheute:

Plantagen wie McLeod waren jahrzehntelang Orte romantisierter Geschichtserzählung - Geschichten über weiße Familien, die großzügig und gütig gewesen sein sollen.

Shawn Halifax, US-Historiker

Die Perspektiven der Versklavten seien dabei marginalisiert oder ganz verschwiegen worden. Das Bild vom "gutmütigen Sklavenhalter" sei nicht nur in Filmen und Romanen entstanden, sondern gezielt gefördert worden, auch in Schulbüchern.
"Dylann Roof wuchs in diesem Narrativ auf", stellt Halifax fest. In seinem Manifest habe Roof die reale Geschichte der Sklaverei sogar als "Mythos" abgelehnt.
Eine Weltkugel bedeckt von der US-amerikanischen Flagge, davor der Schatten von Trump
Donald Trump deutet Geschichte und Zahlen um. Und er ist damit nicht allein. Wie mächtig ist die politische Lüge?26.03.2025 | 54:22 min

Trump will die US-Geschichte entsprechend seiner Ideologie auslegen

Die Spuren dieser verzerrten Erzählungen wirken bis heute. Dass sich ein rechtsextremer Attentäter bewusst vor Sklavenbaracken inszeniert, sei eine Zäsur, sagt Halifax. "Das Massaker zwang uns, unser Selbstverständnis zu hinterfragen. Wir mussten uns besser vorbereiten – inhaltlich, emotional, auch in Sachen Sicherheit."

Viele Plantagen-Museen trennen noch immer die Geschichte der weißen Familien von der der Versklavten.

Shawn Halifax, US-Historiker

"McLeod hingegen versteht sich als Ort, an dem die Geschichten der Enteigneten, Ausgebeuteten und Überlebenden im Zentrum stehen", erklärt Halifax. Das sei besonders in einem politischen Klima wichtig, in dem konservative Stimmen die Aufarbeitung der Sklaverei als "zu negativ" oder "spalterisch" kritisieren.
Gemeint ist unter anderem Donald Trump. Der US-Präsident kündigte im März an, die US-Geschichte neu zu definieren und Aspekte wie Sklavenarbeit aus der Geschichtserzählung entfernen zu lassen und an sein eigenes Bild von Amerika anzupassen.
"Das ist gefährlich", warnt auch US-Historiker Donald Nieman im Gespräch mit ZDFheute. Das Auslöschen von Ereignissen wie Sklaverei hindere uns daran, "aus der Vergangenheit zu lernen und die Gegenwart zu verstehen". Rassismus sei die "Erbsünde der Nation".
Auch Halifax wird deutlich:

Unsere Aufgabe ist nicht, Geschichte angenehm zu machen – sondern wahrhaftig.

Shawn Halifax, US-Historiker

Verhindern, dass sich Geschichte wiederholt

Auf der McLeod-Plantage brennt die Sonne auf das weiße Holz der ehemaligen Sklavenbaracken. Die Schatten der alten Eichen tanzen auf dem Sandweg. Es ist der letzte Stopp unserer Führung.
Hier wird Tourguide Michelle persönlich. Zwei ihrer Verwandte wurden beim Massaker in Charleston vor zehn Jahren getötet. Heute erzählt sie dort Geschichte, wo der Täter posierte, bevor er neun Menschen erschoss. Und kämpft dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholt.
*Der Name wurde von der Redaktion geändert, da die Tourguide nicht namentlich genannt werden möchte.
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.

Mehr zu Rassismus in den USA