Plastik und die Begrenzung des Allgegenwärtigen | Terra-X-Kolumne

Kolumne

Terra X - die Wissens-Kolumne:Plastik und die Begrenzung des Allgegenwärtigen

von Elisa Miebach
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In Genf ringen mehr als 170 Länder um ein UN-Abkommen gegen die Plastikflut. Doch die entscheidende Frage ist: Kann die Welt hier überhaupt noch etwas erreichen?

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Elisa Miebach

Es ist gleichzeitig eines der sichtbarsten und eines der unsichtbarsten Probleme unserer Zeit. Wir haben sie alle schon gesehen: Die Bilder der Schildkröten, um die sich Plastikfetzen spannen, die Aufnahmen von Plastikfluten an Flüssen und Stränden. Wir wissen, wie viel Müll an unseren Autobahnauffahrten liegt, und ignorieren die kleinen Plastikpartikel am Wegesrand. Fast schon abgestumpft zieht das alles an uns vorbei.

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

"Ich trenne ja meinen Müll", ein Satz, ein Versuch, es zu beruhigen, das Gefühl der Ohnmacht vor den Plastikbergen der Welt. Gar nicht nachdenken möchte man über die unsichtbaren Seiten der Plastikkrise.
Nachdenken über die kleinsten Mikro- und Nanopartikel, die sich nicht nur in unseren Böden und in unserem Trinkwasser ansammeln. Sondern auch in der Luft, die wir atmen.
Plastikmüll
Plastik boomt: Mehr als 400 Millionen Tonnen werden weltweit pro Jahr produziert. Und immer mehr Plastikmüll treibt in Flüssen Richtung Ozeane.24.11.2024 | 28:45 min

Kosten für die Gesundheit: 1,5 Billionen Dollar jährlich

Die Auswirkungen, die Mikroplastikpartikel und die darin enthaltenen Chemikalien für unsere Gesundheit haben, sind immer noch nicht vollständig erforscht. Eine neue Studie im renommierten Wissenschaftsmagazin "The Lancet" schätzt die Kosten der Folgen des allgegenwärtigen Plastiks auf die menschliche Gesundheit auf 1,5 Billionen US Dollar jährlich.
Jeden Tag gelangen laut Angaben der UN weltweit insgesamt rund 2.000 Lastwagen-Ladungen Kunststoff direkt in Flüsse, Seen und Meere. Und zersetzen sich von dort. In Genf wollen die Vereinten Nationen der Plastikverschmutzung nun ein Ende bereiten.
Eine Schildkröte frisst Plastik im Meer, drumherum schwimmen viele Plastikteile im Wasser
Plastik ist überall – in Verpackungen, Spielzeug, Medizin. Doch die Folgen sind dramatisch: Mikroplastik im Körper, Müll in Meeren. Können wir auf Plastik verzichten?04.08.2025 | 41:08 min
Zum ersten Mal in der Geschichte stehe die Welt kurz vor der Verabschiedung eines rechtlich bindenden internationalen Instruments zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung, meint der Vorsitzende des Verhandlungsausschusses für Plastikverschmutzung, Luis Vayas Valdivieso. "Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber eine äußerst notwendige. Wir stehen vor einer globalen Krise", erklärte er.
Es soll ein historisches Abkommen werden, nachdem die Abschlussverhandlungen dazu schon einmal daran gescheitert sind. Der Widerspruch der Ölstaaten war zu groß. Sie wollen im Abkommen nicht einen Satz zu einer Verringerung der Plastikproduktion lesen.
Etliche leere, zusammengepresste Plastikflaschen, teilweise als Müllballen zusammengezurrt, liegen auf einer Wiese. Im Hintergrund sind grüne Büsche und Bäume.
Das Wundermaterial Kunststoff sollte ursprünglich die Abholzung von Wäldern aufhalten und der Umwelt helfen. Stattdessen führte es zu einer Umweltkatastrophe, die außer Kontrolle geriet.23.02.2024 | 44:12 min

Mikroplastik: Recycling allein reicht nicht aus

Die Anreicherung von Mikroplastik wird allerdings nur verlangsamt, wenn nicht ständig große Mengen an neuem Plastik nachkommen. Recycling ist aufwendig und nur ein Teil der Lösung, so die Wissenschaft.
Verhandelt wird auch über neue Standards für die Kreislaufwirtschaft und darüber, dass Hersteller überhaupt klar auflisten müssen, welche Chemikalien sie in ihren Plastikprodukten verwenden.
Blätternder Rost
Um Schadstoffe unterschiedlichster Art aus dem Wasser zu filtern, haben Wissenschaftler ein neues Verfahren entwickelt. Als Grundmaterial dienen magnetische Eisenoxid-Nanopartikel. 24.11.2023 | 6:18 min
Einige Chemikalien im Plastik können hormonverändernd wirken, wie Phthalate und Bisphenole, die Fortpflanzungshormone und Gehirnentwicklung beeinträchtigen können. Teils enthalten sind auch die Ewigkeitschemikalien PFAS.

Verhandlungen im Kreuzfeuer von Lobbyisten und Politik

Es ist einfach zu schlussfolgern, die ganzen Verhandlungen seien zwecklos. Wenn man die Rekordzahl der Lobbyisten der Chemie- und Plastikindustrie vor Ort in Genf erfährt: 234. Oder wenn US-Präsident Donald Trump das Austragungsland Schweiz genau in der Woche der Konferenzeröffnung mit Strafzöllen von 39 Prozent überzieht und sich klar mit den anderen Ölstaaten koordiniert.
Die beiden Presenter mit Plastikflaschen in den Armen. Sie schauen sehr verwirrt aus. Im Hintergrund ist ein Recycling Symbol.
Recycling gehört zu Deutschland wie Sauerkraut und Maschinenbau - und gilt vielerorts als Lösung für Umweltprobleme. Doch wie sinnvoll ist unsere Bereitschaft zur Plastiktrennung?17.11.2022 | 10:49 min
Doch dies zeigt auch, selbst die Gegner eines ambitionierten Abkommens nehmen die Verhandlungen ernst und haben Angst. Und sie merken, dass die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit durch diese Konferenz auf einem Thema liegt, dass es nicht oft auf die globale Nachrichtenagenda schafft.

Genf: Der Anfang vom Ende?

Bis Donnerstag wollen die Vereinten Nationen in Genf weiter verhandeln. Am Ende könnte das erste Abkommen zur Begrenzung der Plastikverschmutzung stehen. Umweltschutzorganisationen warnen dagegen bereits, dass kein Vertrag besser sei als ein schlechter.
Selbst wenn sich nicht die ganze Welt, sondern nur ein großer Teil der Länder zu klaren Regeln und Standards verpflichtet, sei das ein erster Schritt. Möglicherweise ein Anfang vom Ende der Plastikflut.

... ist Wissenschaftsjournalistin mit Schwerpunkt Umweltpolitik. Als Reporterin der ZDF-Umweltredaktion berichtet sie auch von den jährlichen Klimagipfeln der Vereinten Nationen genauso wie von den UN-Konferenzen zum Erhalt der Biodiversität oder zum Ozeanschutz.

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